Unabwendbare Zufälligkeiten. Inge Borg

Unabwendbare Zufälligkeiten - Inge Borg


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faul!“

       17

      Eben genau an diesem Tag fuhr Frank Hauff zum Kommissariat und bestand auf einem Besuch bei Monika, um sie zur Rede zu stellen. Auch um sich überhaupt erst einmal ein Bild zu machen von dem Warum und was überhaupt das Ganze für einen Sinn ergeben sollte. Was sie mit den Scheinbuchungen bezwecken wollte, ob sie damit gedachte ihr Gehalt aufzubessern? Er grübelte darüber nach, lange. Zu ärgerlich. Wieso macht sie das, ihr Gehalt ist doch fürstlich, ich muss da hin, sie selbst fragen. Deshalb saß er nun in diesem nüchtern wirkenden Raum und wartete. Aus Lukas Reden oder Gestammel, war er nicht schlau geworden. Also konnte nur seine geschiedene Frau selbst seine Fragen beantworten, ihm den irren Sinn oder Grund ihrer Machenschaften erklären, für die er bisher kein Verständnis aufbringen konnte.

      Als Monika hereingeführt wurde, flog sie halb jubelnd, halb weinend auf Frank zu. Er sprang auf. Mit seinen Armen fing er sie gezwungenermaßen auf. Sie klammerte sich regelrecht an ihm fest und weinte Stein erweichend. „Du bist da, oh Gott, hol mich hier raus, bitte! Ich habe einen schweren Fehler begangen, ich gebe es ja zu, aber das wird nicht wieder vorkommen. Hilf mir, oh bitte, bring mich hier raus.“

      Die strenge Beamtin zeigte auf den Stuhl gegenüber dem Tisch. „Setzen Sie sich, Frau Hauff, Sie haben genau zehn Minuten, nützen Sie die etwas besser!“

      Frank kannte Monika gut genug um zu wissen: Sie spielt mir was vor. Also machte er es kurz. „Du kannst dich nicht einfach wie ein kleines Kind herausreden, ‚ich will‘s nicht wieder tun‘. Sag mir lieber wofür du das Geld gebraucht hast, was sollte das überhaupt? Hältst du das für klug? Soviel Dämlichkeit passt doch gar nicht zu dir! Dein Gehalt ist doch reichlich, mehr als eine einzelne Person verbrauchen kann! Also – antworte mir, was hast du dir dabei gedacht, wozu das Ganze? Welchen Sinn und Zweck soll das haben? Und wo ist das Geld, was ist davon noch übrig? Oder ist dein Leben inzwischen so langweilig, ging es dir nur um Nervenkitzel?“

      Monika begann kläglich zu jammern: „Ich konnte es nie überwinden, dass es mit uns nicht geklappt hat, bitte lass uns noch mal von neuem beginnen, bitte Frank.“ Sie versuchte über den Tisch hinweg seine Hände zu ergreifen, doch er zog sie rasch zurück.

      „Nein! Monika, nein und nochmals nein! Was hat das eine denn mit dem anderen zu tun? Spinnst du jetzt total? Was spielst du mir hier eigentlich vor? Deine falschen Tränen rühren mich nicht! Wenn du aber nicht reden willst, dann lass es, dann kann ich dir allerdings auch nicht helfen!“ Frank erhob sich, Monikas Getue widerte ihn an. Er musste hier raus. Er nickte kurz der Beamtin zu, die ihm die Tür öffnete, und er verließ ohne ein weiteres Wort den ungastlichen Raum. Hinter sich hörte er erneut das laute Aufschluchzen seiner Ex-Gattin. Es fröstelte ihn und er war immer noch völlig ahnungslos, als er den langen Gang in Richtung Ausgang hinunter schritt. Diesen Besuch hätte er sich sparen können, der verstärkte nur seinen Frust noch mehr.

      Er fuhr in die Firma, ging in Monikas Büro. Doch leider waren alle Unterlagen, alle Ordner zur Untersuchung abgeholt worden. Selbst ihre Mitarbeiterin war beurlaubt worden, nach einem mehrstündigen Verhör. Ratlos stand Frank vor dem Schreibtisch, finden werde ich hier wohl nichts, dachte er, als plötzlich sein Freund Lukas hereinkam.

      Lukas lehnte sich an den Schreibtisch, ihm war da plötzlich in den Kopf gekommen: Ich muss den Spieß umdrehen, das ist meine einzige Rettung, und er grinste frech. „Du solltest nicht alle Schuld auf Monika schieben, stell dich, das gibt weniger!“

      Frank starrte seinen Freund verständnislos an, was faselte der da? „Was? Was ist, spinnst du? Sag das noch mal! Soll das witzig sein? Ich glaube, ich habe dich nicht richtig verstanden!“

      „Du hast mich schon richtig verstanden, gib doch zu, dass du mit Monika Halbe-Halbe gemacht hast.“ Damit stieß Lukas sich vom Schreibtisch ab, lachte hämisch und ging hinaus.

      Frank schluckte, starrte auf die Tür, die sich soeben hinter seinem Freund schloss. Sein Freund? Sein jahrelanger bester Freund? Diese Seite kannte er noch nicht an ihm und langsam ging ihm ein Licht auf. Da schob sich etwas in sein Hirn, wie ein gefühltes abruptes Erwachen. Lukas war mit Monika befreundet, privat! Gegenseitige Besuche, gemeinsame Unternehmungen, was spielten die zwei ihm jetzt vor? Neigte Lukas nicht schon immer dazu von sich auf andere zu schließen? Frank machte sich auf den Weg in Lukas Büro, war das ein Eigentor, steckte der mit da drin? Das musste erst klargestellt werden, so konnten Freunde nicht miteinander umgehen!

      Die Sekretärin Hannah, wegen ihres komplizierten russischen Namens von allen nur beim Vornamen genannt, kochte gerade Kaffee und bot Frank eine Tasse an, die er jedoch dankend ablehnte. Lukas war allerdings nicht in seinem Büro und Frank fragte nach ihm. „Wo ist Ihr Chef? Er war doch gerade noch bei mir.“

      „Herr Rhode? Ach, ich dachte Sie hätten das vereinbart. Herr Rhode ist wieder mit seiner Mappe voll Arbeit nach Hause, er will zuhause arbeiten. Möchten Sie wirklich keinen Kaffee?“ Hannah setzte ihr süßestes Lächeln auf, doch heute übersah Frank es.

      Das war ja interessant. „Wieso zuhause arbeiten, macht Ihr Chef das öfter?“ Frank war vielleicht gutmütig, glaubte an einen Freund, aber schwer von Begriff konnte man ihn nicht nennen!

      „Sehr oft, ja! Und meistens ging Frau Hauff ihm später nach. Manchmal rief er auch erst an und bat um Unterlagen, die er vergessen hatte mitzunehmen, dann packte sie die zusammen und fuhr zu ihm!“ Hannah zwinkerte mit den Augen. „Na ja, Sie sind doch geschieden, da kann es Ihnen auch egal sein, wenn zwischen den Zweien was läuft.“

      Stimmte natürlich, das sollte ihm egal sein, war es auch, aber arbeiten von zuhause aus, das nicht, schon gar nicht nach der neuesten Erkenntnis der Veruntreuungen! In dieser Firma war es nicht üblich, Arbeit mit nach Hause zu nehmen! Konnte Lukas so gemein sein, wollte ihm etwas anhängen, was er selbst getan hatte? Wollte er seine eigene Verfehlung mit Gemeinheiten gegen den Freund vertuschen? War das zwischen Lukas und Monika eventuell eine abgekartete Sache, ihn, den Freund zu belasten, gar auszutricksen? Aber wozu und warum? Wie war das letztendlich gedacht? Welches Ziel sollte das Ganze haben? Wollten sie ihn aus der Firma mobben? „Danke Hannah, ich möchte keinen Kaffee. Aber das, was Sie über Rhode und seinem ‚von zuhause arbeiten‘ gesagt haben, war sehr aufschlussreich. Den Wink hätten sie mir nur viel eher schon mal geben sollen!“ Frank ging resigniert in sein Büro. Aber der Gedanke, die beiden wollten ihn hereinlegen, machte ihn fast verrückt! Er war nicht ganz drei Wochen in Urlaub gewesen und jetzt? Ein Gefühl voller Enttäuschung beschlich ihn, instinktiv begann er, die sich angesammelten Papiere auf seinem Schreibtisch durchzublättern, sah in die Schubladen, blätterte flüchtig in den Akten und Ordner. Warum eigentlich, aber seine Hände zitterten, die mussten jetzt beschäftigt werden. Plötzlich hielt er einen Moment inne, schüttelte den Kopf als er eine grüne Mappe fand mit der Aufschrift: Privat! Wer hat die denn hier liegen lassen? Er schlug sie auf und fand etliche Quittungen und Rechnungen diverser Großeinkäufe. Von Autos, Möbeln, Schmuck, Hotelrechnungen, fein säuberlich gelocht und abgeheftet, von zurückliegenden Jahren bis vorigen Monat, alles auf den Namen: F. Hauff, einige älteren Datums auch auf Eheleute Hauff ausgestellt, da begriff er. Monika und Lukas machten tatsächlich gemeinsame Sache, was immer sie auch mit dem Geld bisher anstellten, es war vermutlich das vom Firmenkonto entwendete. Die Daten verrieten ihm, sogar während seiner Ehe mit Monika, mussten die beiden schon als Gaunerpaar unterwegs gewesen sein! Das Ärgste daran war nur, F. bedeutete ‚Frank‘! Mit anderen Worten, Monika belastete tatsächlich ihn damit! Lukas war fein raus! Wieso aber heulte sie ihm vorhin vor: ‚Lass uns von vorne beginnen‘? Wie unglaublich idiotisch war das denn?

      Frank Hauff schüttelte sich und ihm kam der Gedanke, in wie weit es von Nutzen sein könnte die Mappe einfach zu vernichten, als es kurz an der Türe klopfte und sofort zwei Polizeibeamte in Zivil eintraten. Nach einem knappen Tagesgruß wurden Frank wortlos ein Durchsuchungs-Beschluss und Dienstausweise vors Gesicht gehalten. Die beiden Herren Thomas und Mecklinger vom Betrugsdezernat machten also nur ihre Arbeit.

      Frank schaltete schnell. „Hier, das ist, was Sie wahrscheinlich interessieren wird!“ Frank Hauff warf die grüne Mappe über den Schreibtisch und Herr


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