Sperrgebiet!. Susanne Klein

Sperrgebiet! - Susanne Klein


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Trotzdem würde er seine Kollegen am nächsten Tag anweisen, die Meldeanschrift von Lena Grimm zu überprüfen. Als Sebastian Börne später von den Kollegen der Kripo wegen seiner defensiven Zurückhaltung befragt wurde, wies er wohl etwas schnippisch, aber zu Recht darauf hin, dass es sich um eine erwachsene Person handelte, deren Lebensumstände durchaus auf eine Ausdehnung ihrer geplanten und, in der Wahrnehmung aller, auch angetretenen Auszeit hätte hinweisen können. Weil man sie eben auf Lanzarote vermutete, hatte es selbst aus ihrem Umfeld bisher niemand für möglich gehalten, dass Lena bereits seit mehr als vier Wochen verschwunden war. Im Gegenteil: Man nahm an, dass sie die Reise eben wegen des sonnigen Wetters, der schönen Strände und der angenehmen Lebensbedingungen auf unbestimmte Zeit verlängert hatte. Sie war ja schließlich alt genug. Und unabhängig. Eine solche und spontane Entscheidung habe zur ihr gepasst, hörte man mehrfach bei den späteren Befragungen der Studenten. Und auch, dass sie darüber niemanden in Kenntnis gesetzt hatte.

      Der guten Ordnung halber fuhren zwei Beamte der Polizeiwache Siegburg zur Meldeanschrift und überzeugten sich außen wie innen davon, dass Lena Grimm nicht zu Hause war. Der Hausmeister hatte ihnen Zutritt zur Wohnung verschafft, sodass die Tür nicht beschädigt werden musste und die Bedingungen, falls sie zurückkehrte, genauso waren wie vorher. Gefahr im Verzug berechtigte sie in diesem Fall, eine Wohnung ohne Durchsuchungsbefehl zu betreten. Es war schließlich denkbar, dass sie verletzt oder krank hinter der verschlossenen Türe lag und sich in einer Notsituation befand. Wenn man mal von dem einen oder anderen vergammelten Lebensmittel und der latenten Unordnung absah, war nichts Auffälliges festzustellen. Durchwühlt war nichts. Aber, um die Sache zumindest den Vorschriften entsprechend ernst zu nehmen, und um über jeden Vorwurf erhaben zu sein, hielt man mit dem Fitnessstudio Kontakt. Man ging ebenfalls dem Hinweis des Hausmeisters nach, dass der Wagen von Frau Grimm mit ihr verschwunden war und fahndete nach dem PKW. Auch über die gängigen Medien und die sozialen Internetplattformen. So konnte der sehr auffällige Mini Cooper bereits nach wenigen Tagen, durch die Aufmerksamkeit einer Spaziergängerin, auf einem der Parkplätze der Wahner Heide gefunden und zur Sicherung von Spuren auf einem Hänger, mit weiteren abgeschleppten Fahrzeugen, nach Köln zum Präsidium gebracht werden.

      Am und im Auto deutete auf den ersten Blick nichts auf ein Verbrechen hin. Es war aber auch nicht auszuschließen. Niemand konnte konkret sagen, ob das Fahrzeug dort einfach nur täglich geparkt wurde, weil jemand ausgedehnt mit seinem Hund spazieren ging, oder ob es irgendwann abgestellt und seitdem nicht mehr bewegt worden war. Die einen behaupteten dies, die anderen das Gegenteil. Wie so oft bei Aussagen von Zeugen. Dabei fiel der Mini schon deshalb auf, weil er ganz in weiß lackiert war, ziemlich breite Reifen und pinkfarbene Alufelgen hatte. Es handelte sich um eine auffällige Sonderanfertigung und die Wahrscheinlichkeit, auch im Nachhinein noch Hinweise aus der Bevölkerung zu erhalten, schien ziemlich groß. Ein Blick ins Innere ließ keine Rückschlüsse auf den Verbleib des Besitzers zu.

       ZEHN

      Der Drang nachzusehen, raubte ihm beinahe den Verstand. Er wollte wissen, ob sie überhaupt noch da war. Aber den Weg zurück in die Wahner Heide musste er meiden. Den Wunsch danach unterdrücken. Unbedingt. Das Risiko, dort alleine durch Anwesenheit in irgendeinen Zusammenhang mit den Vorkommnissen gebracht zu werden, durfte er unter keinen Umständen eingehen. Deshalb prüfte er mehrmals am Tag das öffentliche Portal des Polizeipräsidiums Köln und checkte Nachrichten, die auf ihn und Nummer Zwei hinweisen könnten. NICHTS. Er hasste es, mit Amateuren zu tun zu haben und nicht die nötige Aufmerksamkeit zu erhalten. Wie sollte er seine Opfer demütigen, wenn niemand Notiz von ihnen nahm. Notfalls müsste er schon bald die Polizei selber verständigen, die Beamten anonym zum Fundort und ihnen sein neuestes Verbrechen vor Augen führen. Um nichts dem Zufall zu überlassen und damit die Polizei ihre Chance erhielt, die Beziehung zwischen den Fällen zu erkennen, hatte er sie ganz bewusst in der Nähe des ersten Fundortes und von den gekennzeichneten Wegen aus gut sichtbar abgelegt. Davon hatte er sich mehrfach und immer wieder überzeugt, bevor er voller Hoffnung und Vorfreude auf ihr Auffinden abgezogen war. Dass sie vermutlich immer noch unbemerkt genau dort lag, bereitete ihm zunehmend Unruhe – es nahm ihm Konzentration und Energie für Opfer Nummer Drei.

       ELF

      „Wir haben eine Meldung der Dienststelle Siegburg seit gestern im Vermisstenportal. Es gibt seit mehreren Wochen keinerlei Lebenszeichen von einer Lena Grimm. Klär‘ bitte, ob sich die Kollegen von der Spusi den Wagen schon vorgenommen haben. Falls nicht, muss das sofort veranlasst und vorgezogen werden. Die sollen alle verwertbaren Spuren sichern.“ Andreas blickte noch nicht einmal rüber, als er mir den Auftrag zurief, sondern tauchte sofort wieder ab in die Tiefen der virtuellen Informationswelt der Polizei. „Falls solche überhaupt noch vorhanden sind“, nuschelte er noch hinterher und ging mit seiner Nase fast auf Tuchfühlung mit seinem Bildschirm. „Ich schick‘ Dir das Dokument. Da steht alles drin.“

      Plötzlich kam Schwung in mein bis dahin noch beschauliches Polizeileben und die greifbare Realität machte mir deutlich, dass ich mich nicht in einem spannenden Krimi befand, sondern im Alltag der Kripo angekommen war. Ich wollte gerade ansetzen, um noch etwas zu fragen, als er sofort nachschob: „Keine Zeit Sara – ich muss noch mal weg.“

      Er lächelte mir zu, stand auf und ließ mich mit der verschwundenen Lena Grimm alleine. Es freute mich, dass er endlich mal wieder fröhlich wirkte. Das passierte nicht oft. Der polizeiliche Flurfunk hatte mir schon vor ein paar Wochen zugetragen, dass Andreas seine Frau im letzten Jahr nach ihrer schweren Erkrankung verloren hatte, er oftmals traurig in Erinnerungen schwelgte und seitdem sein Leben in aller Stille meisterte. Es zumindest versuchte.

      „Er lässt zu dem Thema niemanden an sich ran, also versuch’s erst gar nicht“, meinte Frank, nachdem ich ihn gefragt hatte, ob man Andreas in irgendeiner Form helfen könne. Bis heute war ich seinem Ratschlag gefolgt und hatte mich an das Gelöbnis des Schweigens gehalten.

      „Wir sehen uns später“, rief ich Andreas noch nach und ließ mich zurück in meinen Bürostuhl sinken. Beim Sichten der Unterlagen stellte ich schnell fest, dass bis jetzt überhaupt noch nichts passiert und die Vermisste vermutlich seit nun fünf Wochen wie vom Erdboden verschluckt war. Es gab keine konkrete Spur von ihr. Nur das Auto. Im Kofferraum war ein großer, vollgepackter Trekkingrucksack mit überwiegend sommerlicher Damenkleidung gefunden worden, was eindeutig für eine beabsichtigte Reise in den Süden sprach. Die Erde hatte sie entweder vor Reiseantritt oder eben danach verschluckt. Keine Handtasche – keine Papiere.

      Eine Halteranfrage brachte uns sofort Gewissheit, dass der Wagen auf Lena Grimm gemeldet und sie die rechtmäßige Besitzerin war. Eigentümerin war die BMW-Bank München, die den Kauf des Wagens finanzierte. Das war nicht weiter ungewöhnlich und nachvollziehbar, bei dem niedrigen Zinssatz.

      Selbst nachdem ihr Wagen gefunden und hierher gebracht worden war, verstrichen sage und schreibe fünf weitere Tage. Mehr oder weniger tatenlos.

      Ich rief bei Tomas Weber von der Spurensicherung an, um ab jetzt die nötige Geschwindigkeit zumindest in die internen Abläufe zu bringen und keinen weiteren Zeitverlust zu verursachen. Das war das Mindeste, was ich in der Sache und für die verschwundene Frau tun konnte.

      Tomas und seine Freundin hatte ich Weiberfastnacht auf der legendären Karnevalsparty in der Polizeikantine kennengelernt und das Fest erst morgens mit den beiden um 05.30 Uhr verlassen. Da ich durch meine Probezeit noch keinen Urlaub für den Tag nach Weiberfastnacht bekommen hatte, war ich von dort aus direkt zum Dienst gegangen. Die beiden anderen waren mit einer größeren Gruppe unserer engsten Kollegen weitergezogen und wurden erst an Aschermittwoch wieder gesehen. Tomas immer noch als Banane verkleidet, bevor er seine Dienstkleidung überzog, die gelbliche Hautfarbe und eine Migräne aber für den Rest des Tages behielt.

      „Hi Tomas, hier ist Sara. Habt ihr den weißen Mini aus der Wahner Heide schon in der Halle?“

      „Nein, der steht noch mit vier anderen Fahrzeugen auf dem Hänger.“

      Der Transporter befand sich auf einem Parkplatz direkt neben dem Polizeipräsidium und wurde von einer eigens dafür beauftragten


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