Energiepolitik und Elektrizitätswirtschaft in Österreich und Europa. Axel Kassegger

Energiepolitik und Elektrizitätswirtschaft in Österreich und Europa - Axel Kassegger


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der Verabschiedung zahlreicher europäischer Netzkodizes und Leitlinien in den Jahren 2015 bis 2017 wurden für die Elektrizitätswirtschaft wichtige Verbesserungen hinsichtlich der Versorgungssicherheit und Aufrechterhaltung der Netzstabilität beschlossen.

      Aufgrund der Tatsache, dass Verordnungen der Europäischen Union unmittelbar in den Mitgliedstaaten verbindlich anzuwendende Rechtsakte sind, Richtlinien der Europäischen Union von den Mitgliedstaaten binnen bestimmter Fristen in nationales Recht umzusetzende Rechtsakte darstellen und dass seit dem Vertrag von Lissabon 2007 wesentliche Teile der Energiepolitik in die Kompetenz der Europäischen Union fallen, kann man eigentlich nicht mehr wirklich von selbständiger nationalstaatlicher Energiepolitik und Energiegesetzgebung sprechen; die legislative Tätigkeit der Nationalstaaten bestand in den letzten zwölf Jahren im Wesentlichen in der legistischen Umsetzung von auf europäischer Ebene Beschlossenem.

      Kapitel 3 kann sich daher auf eine Beschreibung der relevanten Institutionen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft beschränken und gibt darüber hinaus einen Überblick über die energiepolitischen Ziele im Regierungsprogramm der von 2017 bis 2019 amtierenden österreichischen Bundesregierung.

      Die Kapitel 4 und 5 verknüpfen das Thema Energiepolitik und Elektrizitätswirtschaft mit dem aus dem Ansatz der Umfassenden Landesverteidigung resultierenden Teilaspekten der wirtschaftlichen und der zivilen Landesverteidigung und geben einen Überblick über die aktuellen Aufgaben des Österreichischen Bundesheeres.

      Ausgehend von den in der Österreichischen Sicherheitsstrategie 2013 definierten politisch-strategischen Zielen ergibt sich im Rahmen der wirtschaftlichen Landesverteidigung unter anderem der Auftrag, im Bedrohungsfall die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern sicherzustellen. Elektrische Energie oder jene Energieträger, aus denen elektrische Energie gewonnen wird, inklusive deren Bevorratung, oder daraus gewonnene und gespeicherte Energie in Form anderer Energieträger zählen jedenfalls in einer modernen, energieintensiven Gesellschaft zu den lebensnotwendigen Gütern in diesem Sinne.

      Die zivile Landesverteidigung verlangt unter anderem den Schutz der Bevölkerung und die Sicherung der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen durch nichtmilitärische Mittel. Das Konzept der umfassenden Sicherheit nach der Österreichischen Sicherheitsstrategie 2013 geht davon aus, dass zivile und militärische Sicherheitsaspekte auf das engste verknüpft sind und die Erhaltung bzw. Wiederherstellung von umfassender Sicherheit über den Rahmen der klassischen Sicherheitsressorts hinausgeht.

      Der Elektrizitätswirtschaft kommt insbesondere bei der Umsetzung des gesamtstaatlichen Konzepts zur Steigerung der Resilienz Österreichs und der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit von Staat und Gesellschaft nach Krisen sowie zum Schutz kritischer Infrastrukturen eine besondere Bedeutung zu, da die Elektrizitätsinfrastruktur in diesem Zusammenhang unbestritten besonders kritisch ist.

      Kapitel 6 widmet sich ausführlich der Aufgabe der Sicherstellung und Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit im Bereich des Betriebs von Stromnetzen. Ausgehend von der Feststellung, dass das europäische Stromnetz ein gesamtzusammenhängendes, sich über 6.000 Kilometer ausdehnendes Verbundnetz ist, untersucht der erste Teil des Kapitels die Aufgabenstellung der Aufrechterhaltung einer stabilen Frequenz von 50 Hertz im europäischen Wechselstromnetz.

      Den für diese Aufgabe verantwortlichen Übertragungsnetzbetreibern stehen dafür verschiedene Instrumente zur Verfügung, wobei die grundsätzliche Eignung des Gesamtsystems langfristige Versorgungssicherheit zu gewährleisten, die System Adequacy, immer zwei Dimensionen aufweist, nämlich die Generation Adequacy (die ausreichende Verfügbarkeit von Kraftwerkskapazitäten) und die Transmission Adequacy (ausreichende Netzkapazitäten zur Übertragung des Stroms). Versorgungssicherheit kann demnach nur bei ausreichenden Netz- und Kraftwerkskapazitäten sichergestellt werden.

      Nach einer Beschreibung des aktuellen Marktes für Regelenergie werden Möglichkeiten und Vorgehensweisen der Übertragungsnetzbetreiber in einer zukünftig immer wichtiger werdenden Zusammenarbeit mit den Verteilernetzbetreibern zur Gegensteuerung bei unerwünschtem Abfallen oder Ansteigen der Frequenz im Netz analysiert. Es werden die Herausforderungen zeitlicher und örtlicher Disparität von Nachfrage und Erzeugung untersucht und die grundsätzlich diesbezüglich kontraproduktiven Effekte von Erzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energieträgern Sonnenkraft und Windkraft aufgezeigt. Weiters wird untersucht, welches Portfolio an Kraftwerkstypen für die Erzeugung von Strom zur Abdeckung der Grund-, Mittel- und Spitzenlast erforderlich ist.

      Nach einer Untersuchung eines typischen Sommertages und eines kritischen Wintertages aus dem Blickwinkel eines Verteilernetzbetreibers und der sich insbesondere bei letzterem aus Gesichtspunkten der Versorgungssicherheit und Netzstabilität ergebenden Probleme und der Beschreibung tatsächlich aufgetretener extremer Fehlentwicklungen endet das Kapitel mit einer Analyse der Folgen des „worst case“-Szenarios, eines Zusammenbruchs des Stromnetzes. Ein derartiger Blackout hätte binnen weniger Tage dramatische unerwünschte Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens.

      Das Kapitel 7 widmet sich der Entwicklung und den aktuellen Zielen der internationalen, europäischen und österreichischen Energiepolitik. Dabei wird festgestellt, dass ein energiepolitisches Ziel in den letzten 20 Jahren weltweit und auch in Europa in den Mittelpunkt des Interesses und der Bemühungen gerückt ist: das Ziel der Nachhaltigkeit.

      Erstmals international verbindlich artikuliert auf der Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimakonvention in Kyoto 1997 (COP 3) fand seitdem eine kontinuierliche Weiterentwicklung internationaler Energie- und Klimaziele statt. Auf Ebene der Vereinten Nationen wurde das „Kyoto-Protokoll“ aus dem Jahr 1997 vom „Pariser Abkommen“ abgelöst, das auf der COP 21 im Jahr 2015 in Paris beschlossen wurde. Es geht dabei insbesondere um die drastische Reduzierung der Emission klimaschädlicher Treibhausgase in den entwickelten Industrienationen.

      Auf Ebene der Europäischen Union fasste der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs am 9. März 2007 den Beschluss, die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2020 um 20 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken, und entschied sich am 22. Oktober 2014, die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um 40 % gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren.

      Das zu diesem Zweck auf Ebene der Europäischen Union implementierte Emissionshandels-System (EU ETS), das auf der Vergabe und dem Handel von Zertifikaten beruht, die den vom System erfassten Erzeugungsanlagen gleichsam das Recht zubilligen, eine bestimmte Menge an CO2 zu emittieren, wird kritisch analysiert.

      Zum einen wird überhaupt nur bestenfalls die Hälfte aller Emissionen in Europa von diesem System erfasst, wesentliche Bereiche, wie etwa die gesamten Sektoren Verkehr, Gebäude oder Landwirtschaft, fallen gar nicht unter das System.

      Zum anderen funktioniert das System nach dem Prinzip des so genannten „burden sharing“ was bedeutet, dass das 20-%- bzw. 40-%-Reduktionsziel nur kumulativ für die gesamte EU gilt. Wirtschaftlich hochentwickelte Mitgliedstaaten der Union, so auch Österreich, müssen seit 2012 deutlich mehr Emissionen reduzieren als weniger entwickelte Länder, die zum Teil sogar nach wie vor nicht einsparen müssen, sondern mehr Emissionen verursachen dürfen.

      Dasselbe Prinzip gilt auch für die nicht unter das Emissionshandels-System fallenden Sektoren, die mehr als 50 % der Emissionen verursachen. Auch hier müssen entwickelte Industrienationen zur Erreichung des EU-weiten Gesamtreduktionsziels deutlich mehr Emissionen reduzieren als weniger entwickelte Länder. Die große, beispielhafte Übung europäischer Solidarität wird in diesem Bereich „effort sharing“ genannt.

      Kapitel 8 widmet sich der Umsetzung der auf globaler und europäischer Ebene in den wesentlichen Grundzügen vorgegebenen energiepolitischen Ziele in Österreich und der von der zum Zeitpunkt der


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