Zeitmanagement und Selbstorganisation in der Wissenschaft. Markus Riedenauer
mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert sind, werden diese in einem eigenen Kapitel (VII) thematisiert.
In den Literaturhinweisen finden Sie nicht nur weitere Hilfen, sondern auch die genauen bibliografischen Angaben zu den Zitaten und Verweisen, welche in Fußnoten nur mit Kurztiteln angeführt werden. Nur einmal erwähnte Texte werden allerdings bereits in der jeweiligen Anmerkung vollständig angeführt.
[10]Am Anfang der Kapitel oder Unterkapitel finden Sie kursiv gesetzt einen Vorblick, worum es im Folgenden geht.
In solchen Kästen finden Sie viele praktische Tipps und Hinweise.
In blauer Schrift gesetzte Fragen helfen Ihnen beim Auswählen der Methoden, welche für Ihre Situation geeignet sind. Wenn Sie die Fragen durcharbeiten, individualisieren Sie dadurch die Instrumente und passen sie an. Wir empfehlen nachdrücklich, dass Sie beim Lesen immer wieder innehalten und Ihre eigenen Erkenntnisse, Fragen und Schlussfolgerungen aufschreiben. Dafür sind auch am Ende des Buches ein paar leere Seiten vorgesehen.
Wir sind der Überzeugung, dass wissenschaftliche Arbeit ein schöner, spannender und erfüllender Beruf ist. Für seine spezifischen Herausforderungen hoffen wir mit diesem Ratgeber und Arbeitsbuch auch Ihnen persönlich eine Hilfe zu geben. Viel Erfolg!
[11]I. | Spezifische Herausforderungen in der Wissenschaft – Institutionelle Faktoren |
Worum es geht:
Jeder Beruf bringt typische Herausforderungen mit sich. Sie müssen berücksichtigt werden, um die allgemeinen Methoden des Zeitmanagements dann anzupassen. Zugleich bietet die Arbeit in der Wissenschaft oft größere Freiheiten und Chancen, die teilweise den realen Zwängen gegenüber stehen, teilweise selbst neue Herausforderungen zur Folge haben. Mithilfe dieses Kapitels können Sie sich größere Klarheit darüber verschaffen, welche äußeren Faktoren Ihre Arbeit positiv und negativ, fördernd und fordernd bedingen. Schließlich werden erste Konsequenzen für das Zeitmanagement daraus gezogen, wie Wissenschaft normalerweise unter den typischen institutionellen Rahmenbedingungen funktioniert.
„Zerren dich die von außen kommenden Ereignisse hin und her? Nimm dir doch einmal Zeit, etwas wirklich Gutes hinzuzulernen und hör auf, im Kreis umherzuirren! Du mußt dich aber auch vor dem anderen Irrweg hüten: Toren sind nämlich auch die, die durch ihr Tun müde geworden sind zum Leben und kein Ziel haben.“
Marc Aurel: Selbstbetrachtungen II, 7
Freiheiten
Wissenschaftliche Arbeit erlaubt zumeist überdurchschnittlich große Freiheiten und mehr persönliche Gestaltungsspielräume – sowohl inhaltlich als auch von der Zeiteinteilung her. Das gilt für die Forschung und teilweise noch immer für die Lehre.
Für manche war die Freiheit ein Motiv, um in die Wissenschaft zu gehen, und für manche ist sie ein Motiv, zu bleiben, obwohl sich ein Wechsel in ein Unternehmen oder in eine andere Karriere im öffentlichen Dienst (wie z.B. in einem Ministerium) anbieten würde.
Viele sind seit ihrer Studienzeit daran gewöhnt, ihren Tagesablauf weitgehend selbst zu bestimmen, viel daheim arbeiten zu können, auch unter der Woche Besorgungen, Arztbesuche oder anderes zu erledigen und dafür am Abend oder am Wochenende zu arbeiten sowie in den vorlesungsfreien Monaten wenige Termine zu haben. Sie würden sich wohl häufig schwer tun mit einer Kernarbeitszeit von 9 bis 17 Uhr, mit Präsenzpflicht im Büro, den täglichen Arbeitswegen zu Stoßzeiten und dem Zählen eines jeden frei[12]en Tages.1 Da diese Freiheit in zeitlicher Hinsicht bedeutet, dass Tage, Wochen und Monate kaum von außen strukturiert sind, dass wenig Kontrolle und Rückmeldungen über effektive Zeitnutzung erfolgen, erweist sie sich besonders für junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen oft als eine Falle. Wir kommen gleich auf die sehr hohen Ansprüche an die Selbstorganisation und Selbstverantwortung zu sprechen.
Im Bereich der Forschung ist teilweise noch eine große Freiheit bei der Themenwahl gegeben. In manchen Geisteswissenschaften oder der Kunst etwa geben die Betreuenden einer Dissertation o.Ä. auch wenig Hilfestellung beim Finden und Formulieren eines machbaren Forschungsthemas. Trotz der Bemühungen mancher Universitäten, das Doktoratsstudium besser zu strukturieren, wird bereits in dieser Phase oft viel Zeit verloren. In naturwissenschaftlichen, wirtschaftlichen, technischen und medizinischen Fächern hingegen werden häufig mögliche und gewünschte Themen für Bachelor-, Master- oder Diplomarbeiten sowie Dissertationen vorgegeben, besonders dann, wenn damit eine Finanzierung etwa durch Drittmittel verbunden ist. Professoren und Lehrstuhlinhaberinnen genießen dann wieder größere Freiheiten und bestimmen ihrerseits den Freiheitsspielraum für den wissenschaftlichen Nachwuchs mit.
Größere Forschungsprojekte, wozu selbstverständlich auch schon Dissertationen zählen, haben außerdem meist wenig an zeitlicher Binnenstruktur vorgegeben. Wo nicht in gut organisierten Teams gearbeitet wird, sondern überwiegend alleine, wo nicht begrenzte und fixe Zeiten im Labor vorgegeben sind, muss man sich den langen Zeitraum von mehreren Semestern oder Jahren selbst sinnvoll gliedern, sein Projekt in entsprechende Teilschritte zerlegen und sich Teilziele mit Zieldaten festlegen sowie seine Wochenarbeitszeit einteilen. Termine für regelmäßige Rückmeldungen an Betreuende oder Kollegen kann man sich oft selbst vereinbaren und entsprechend auch leicht verschieben, da diese selten verärgert sind über das Ausfallen einer Besprechung.
Im Bereich der Hochschullehre waltete früher eine große Freiheit schon bei den Inhalten von Vorlesungen und Seminaren, welche der Ordinarius (oder seltener die Ordinaria) souverän „ankündigte“. Das hat sich sehr geändert; besonders durch die Modularisierung und Vereinheitlichung von Studiengängen im Rahmen des Bologna-Prozesses sind die notwendigen Lehrinhalte in allen Semestern weitgehend vorgegeben. Selbst wenn durch die Ausweitung der Pflicht-Lehrveranstaltungen kein Spielraum mehr für Spezialvorlesungen, neue oder alternative Seminare oder Übungen gegeben[13] ist, kann man oft innerhalb des Instituts mit anderen Lehrenden tauschen oder aber schon gehaltene Lehrveranstaltungen wiederholen – möglicherweise mit anderen Schwerpunktsetzungen.
Aber immer noch bleibt eine große Gestaltungsfreiheit in Bezug auf die Methoden und Didaktik: Wie wird der Stoff gegliedert und auf das Semester verteilt, an welchen Punkten wird in die Tiefe gegangen, und wo begnügt man sich mit einem Überblick, welche Beispiele, welche Literatur oder andere Lehrmittel werden ausgewählt, inwieweit werden Methoden des E-Learning, der Partner- oder Gruppenarbeit einbezogen, welchen Raum sollen Diskussionen einnehmen usw.
Diese ein hohes Maß an Selbstdisziplin erfordernden Freiheiten können inspirieren und motivieren, aber auch verunsichern. Teilweise werden sie von anderen Einflussfaktoren beeinträchtigt.
Wie frei bin ich derzeit in Bezug auf Forschung, Lehre und meine Zeiteinteilung?
In welchen Bereichen fühle ich mich eher unfrei?
Wie wichtig sind mir meine Freiheiten, welchen Preis sind sie mir wert?
Herausforderungen
Spezifische Herausforderungen an wissenschaftlich Tätige folgen direkt aus den skizzierten Freiheiten. Eine erste Konsequenz ist, dass der Ertrag von Investitionen an Zeit und Energie im Einzelnen schwer abschätzbar ist und sich Fragen dieser Art stellen:
Welchen Unterschied wird es für den Lernerfolg der Studierenden machen, wenn ich diese Lehrveranstaltung gründlich überarbeite?
Wie wichtig ist es, einen Aufsatz zu einem für mich neuen Themengebiet zu veröffentlichen und somit breitere Kompetenz zu zeigen? Hat es einen Sinn, einen weiteren Beitrag zu verfassen zu einem Thema, über das ich bereits publizierte?
Lohnt es sich, mich in ein Nebenthema meiner Dissertation einzuarbeiten, oder lenkt es mich eher vom Wesentlichen ab?
Kann ich z.B. als Vertreterin des Mittelbaus an meiner Fakultät etwas bewirken, was in sinnvoller Proportion zum Zeitaufwand steht?
[14]Der