Mit Erfolg promovieren in den Life Sciences. Dieter Brockmann
Venia Legendi setzt in der Regel eine mehrjährige nachgewiesenen Forschungs- und Lehrtätigkeit voraus.
Die Bedeutung der Promotion in den Lebenswissenschaften für die eigene Karriere kann man am besten mit Hilfe entsprechender Statistiken abschätzen. Nach Angaben des statistischen Bundesamts (https://www.destatis.de; Stand: 06.02.2014) ist die Anzahl der Promotionen in Deutschland in den letzten Jahren generell gestiegen. Über alle Fächer verteilt stiegen sie von 18.494 im Jahr 1990 auf 26.807 Promotionen im Jahr 2012. Zwischen 1999 und 2012 schwankt diese Zahl laut Statistischem Bundesamt allerdings relativ konstant um einen Wert von 25.000 (siehe Abbildung 1, Seite 17). Nach einer Studie der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) wird die Anzahl der Promotionen damit nur noch von den USA mit mehr als 65.000 Promotionen übertroffen (Hauss et al. 2012). Interessant ist in diesem Zusammenhang der normierte Begriff der „Promotionsquote“. Sie ist das Verhältnis von abgeschlossenen Promotionen zur Anzahl der altersgleichen Personen in der Bevölkerung. Sie lag im Jahre 2008 im Durchschnitt aller analysierten Länder bei 1,4 %. Die Promotionsquote in Deutschland lag dagegen deutlich höher bei 2,5 %. Sie wurde nur noch von der Schweiz (etwa 3,3 %), Schweden und Portugal (beide ca. 3 %) übertroffen.
Die Anzahl der biomedizinischen Promotionen in Deutschland exakt abzuleiten, ist jedoch nicht machbar, da eine Zuordnung der gelisteten Promotionen zu den Lebenswissenschaften nicht möglich ist. Allerdings entfallen von den 26.807 Promotionen in Deutschland im Jahre 2012 8.718 auf die Fächergruppe Mathematik und Naturwissenschaften sowie 7.350 auf die Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften. Eine weitere Aufschlüsselung ergibt, dass die Zahl der Promotionen in der Humanmedizin mit 6.397 auf Platz eins liegt. Im Fach Biologie als wichtiger Bestandteil der Lebenswissenschaften schlossen 2.688 Kandidaten im Jahr 2012 ihre Promotion ab (https://www.destatis.de; Stand: 06.02.2014).
Abb. 1 Die Entwicklung der abgeschlossenen Promotionen in Deutschland.
a) Entwicklung der insgesamt abgeschlossenen Promotionen in Deutschland seit 2000.
b) Entwicklung der abgeschlossenen Promotionen in Deutschland seit 2009 in ausgewählten Fächern der Lebenswissenschaften.
Beide Grafiken nach Angaben des Statistischen Bundesamtes.
a) Entwicklung der insgesamt abgeschlossenen Promotionen in Deutschland seit 2000.
b) Entwicklung der abgeschlossenen Promotionen in Deutschland seit 2009 in ausgewählten Fächern der Lebenswissenschaften.
Beide Grafiken nach Angaben des Statistischen Bundesamtes.
Ein noch genaueres Bild ergibt sich bei Betrachtung der sogenannten fächerspezifischen Promotionsquote. Nach dem Bundesbericht zur Förderung der wissenschaftlichen Nachwuchses (BuWiN) 2008 lag die Promotionsquote 2006/2007 bei Chemikern bei 75,9 % und bei Biologen bei 46,8 %. Die Promotion ist also in vielen Disziplinen der Lebenswissenschaften keine Seltenheit; man kann schon fast davon ausgehen, dass die Promotion ein Muss für eine Führungsposition innerhalb der unterschiedlichen Ebenen eines Unternehmens ist. Auch bei Behörden und Ämtern ist sie ab einer bestimmten Position in der Hierarchie die Promotion eine Voraussetzung. Häufig sind auch die Einstiegsgehälter für Promovierte höher als von Nicht-Promovierten. So hat eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergeben, dass Promovierte im Durchschnitt mehrere Hundert Euro mehr im Monat verdienen als Masterabsolventen ohne Promotion (Enders 2005). Eine weitere Studie berechnet den Lohnvorteil promovierter Naturwissenschaftler gegenüber nicht-promovierten mit 14 %. Bei Humanmedizinern betrage der Vorteil immerhin noch 10 % (Heineck und Matthes 2012).
Für einen Promovierten kann der Abschluss „Promotion“ allerdings auch zum Boomerang werden. Wenn Firmen vor die Alternative gestellt werden, einen kostengünstigeren Bewerber mit Masterabschluss oder einen teureren Bewerber mit Promotion einstellen zu können, kann die Entscheidung auch schon mal gegen einen promovierten Akademiker fallen. Letztendlich wird aber immer die für eine gegebene Position benötigte Qualifikation das ausschlaggebende Kriterium zur Einstellung sein.
Die Arbeitslosigkeit bei Akademikern liegt mit aktuell 2,4 % extrem niedrig (Weber und Weber 2013; Stienen 2011). Absolventen mit einer Promotion scheinen noch bessere Aussichten auf eine Anstellung zu haben. Die Arbeitslosenquote liegt hier bei geringen 1 %.
Für einen akademischen Karriereweg ist die Promotion Voraussetzung: Wer an einer Universität in Forschung und Lehre eine wissenschaftliche Karriere anstrebt oder zu einem späteren Zeitpunkt in der Forschung an einem außeruniversitären Forschungsinstitut arbeiten möchte, kommt an der Promotion und in vielen Fällen auch an der späteren Habilitation, der universitären Lehrbefugnis, nicht vorbei. In diesen Fällen wird die Bedeutung der Promotion in ihrer ursächliche Funktion sichtbar: dem Nachweis des selbständigen wissenschaftlichen Arbeitens mit dem Ziel, neues Wissen zu generieren und bereits Erlerntes auf andere Problemfelder anzuwenden.
Die Promotionsquote in der Humanmedizin ist ebenfalls sehr hoch und beträgt laut Bundesbericht zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses aus dem Jahre 2008 stolze 71,0 %. Allerdings scheint sie nach Daten des Statistischen Bundesamtes in den letzten Jahren rückläufig zu sein (https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Hochschulen/Pruefungen Hochschulen.html; Stand: 26.02.2014). Promovierten im Jahre 2010 noch 7.287 Kandidaten im Fach Humanmedizin, waren dies 2012 nur noch 6.397. Einmal abgesehen davon, dass die humanmedizinische Promotion vom überwiegenden Teil der Studierenden parallel zum Studium nach der 1. Ärztlichen Prüfung und nicht als Vollzeitpromotion nach dem Studienabschluss durchgeführt wird, ist die Motivation zur Durchführung einer Promotion vielfach eine andere als bei naturwissenschaftlich orientierten Kandidaten. Die naturwissenschaftliche Promotion dient dem Erkenntnisgewinn und als Einstiegsportal in die Karriere in die Wissenschaft oder das Wissenschaftsmanagement. In der Humanmedizin scheint hingegen: „Die Tatsache jedoch, dass in Deutschland die berufliche und gesellschaftliche Anerkennung als Arzt oder Ärztin eng mit dem Doktortitel verbunden sind, lässt viele angehende Ärzte befürchten, ohne einen solchen akademischen Titel beruflich von vornherein im Nachteil zu sein.“ (Beisiegel 2009) Wir alle kennen dies aus eigener Erfahrung: Ist man krank, geht man zum Doktor. Die Befürchtung der jungen Ärzte besteht darin, dass Arztschilder ohne Doktortitel insbesondere von der älteren Generation vielfach „übersehen“ werden. Der Wissenschaftsrat bezeichnet diese parallel zum Studium entstandenen Arbeiten, die kaum oder keinen Erkenntnisgewinn erzielen, jedoch als „pro-forma-Forschung“ und empfiehlt daher in seiner Schrift „Empfehlungen zu forschungs- und lehrförderlichen Strukturen in der Universitätsmedizin“ (2004): Dass „Medizinabsolventen (aufgrund einer nicht-experimentellen Ab-schlussarbeit) in Anlehnung an den angelsächsischen Titel des ‚Medical Doctor‘ mit der Approbation die Berufsbezeichnung ‚Medizinischer Doktor‘ verliehen werden“. Ob diese Vorschläge eines Tages Realität werden, ist noch völlig offen.
Allein die Tatsache, dass die Anzahl der Promovenden in der Humanmedizin abnimmt, scheint ein Indiz zu sein, dass sich auch bei Medizinern die Einstellung zum Doktortitel ändert. Abschließend sei jedoch darauf hingewiesen, dass auch im Rahmen der medizinischen Promotion qualitativ sehr hochwertige Forschung betrieben werden kann. Viele Medizinische Fakultäten haben hierfür mittlerweile spezifische Programme aufgelegt. Wer später eine Karriere in der Hochschulmedizin anstrebt (z. B. Chefarzt einer Klinik am Universitätsklinikum), wird auf diesen Nachweis der eigenständigen Forschung und auch später an der Habilitation nicht vorbeikommen.
Diese kurze Darstellung belegt, dass sich eine Promotion lohnen kann, sowohl was die späteren Karriereoptionen angeht als auch was das persönliche Einkommen betrifft. Jedoch bedarf es für eine erfolgreiche und gute Promotion auch eine gehörige Portion persönlichen Engagements. Insbesondere in den Lebenswissenschaften kann von einer geregelten 5 Tage Woche mit festen Arbeitszeiten kaum die Rede sein. Einerseits steht man häufig in starker Konkurrenz zu anderen Arbeitsgruppen, die auf dem gleichen Forschungsgebiet arbeiten und muss daher die Experimente exzellent und zügig durchführen, um den Wettkampf um die Erstpublikation zu gewinnen. Andererseits hat dies auch rein praktische Gründe: Die Arbeit mit lebenden Systemen erfordert ein großes Maß an zeitlicher Flexibilität. Zellen, Zebrafische