Mediensoziologie. Elke Wagner

Mediensoziologie - Elke Wagner


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[8][9]I.Einleitung

      Medien spielen in der Soziologie zwar eine wichtige und prominente Rolle – einen einheitlichen Kanon zur Mediensoziologie muss man indes (noch) suchen. Dies liegt sicherlich mit daran, dass es bislang nur wenige Lehrbereiche innerhalb der Soziologie gibt, die sich ausdrücklich dem Thema Medien verschrieben haben. Dafür waren bisher die Kommunikationswissenschaften, die Literaturwissenschaften oder die Medienphilosophie zuständig. Erst seit jüngerer Zeit ändert sich die Forschungslandschaft und es gibt immer mehr Lehrbereiche, die dezidiert zur Mediensoziologie forschen. Dabei hat die Soziologie zum Thema Medien einiges zu bieten. Das vorliegende Buch möchte auf den folgenden Seiten verschiedene dieser Beiträge vorstellen.

1.Medien als soziologischer Forschungsgegenstand

      In soziologischen Gesellschaftstheorien können Medien auf unterschiedlichen Ebenen vorkommen. Einerseits spielen sie im Gegenstandsbereich von Theorien innerhalb der Soziologie oftmals eine wichtige Rolle. Sei es nun das Fernsehen (Adorno 1963; Postman 1985), die Fotografie (Bourdieu 2006), das Geld (Simmel 1989), das Pressewesen (Habermas 1962/1990), die Werbung (Illouz 2007) oder das Internet (Castells 2001) – immer wieder werden Medien im Rahmen soziologischer Studien als prominentes Thema verhandelt. Gleichzeitig tauchen Medien auch auf der Theorieebene von Gesellschaftstheorien auf, wo sie eine Rolle für die theoretische Beschreibung von Gesellschaften spielen. Zu nennen wäre hier etwa die von Jürgen Habermas (1981) entwickelte Theorie des kommunikativen Handelns. Für Habermas sind es besonders die Sprache und ihre medientheoretischen Implikationen, die eine zentrale Rolle in der Praxis moderner Gesellschaften einnehmen. Über die kommunikative Rationalität der Sprache sind lebensweltliche Bereiche des Sozialen vermittelt, so Habermas. Aber auch andere Gesellschaftstheorien beinhalten medientheoretische Implikationen. So hat etwa Niklas Luhmann im Rahmen seiner Systemtheorie eine umfassende Medientheorie vorgelegt (Luhmann 1997). Die Luhmann’sche Systemtheorie lässt sich deshalb durchaus als eigenständige Medientheorie lesen. Diese wenigen Hinweise mögen als Beispiel dafür genügen, dass Medien für die Soziologie von entscheidender Bedeutung sind.

      [10]Tatsächlich aber liegen nur wenige Werke vor, die einen systematischen Rundgang durch mediensoziologische Arbeiten unternehmen (siehe etwa Jäckel 2005, sowie Ziemann 2006). Die meisten prominenten medientheoretischen Arbeiten sind in der Medienphilosophie und in der kulturwissenschaftlichen Medienforschung verortet. So stammt auch der bekannteste medientheoretische Satz von einem Literaturwissenschaftler: Marshall McLuhans Diktum, dass das Medium die Botschaft ist und nicht deren Inhalt (»The Medium is the Message«; McLuhan 1964), gilt nach wie vor als Begründungssatz der Medientheorie. Aber nicht nur dies: Mit diesem einem Slogan ähnlichen Satz wurde zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit deutlich gemacht, dass Medien als zentraler Gegenstand innerhalb moderner Gesellschaften anzusehen sind. Marshall McLuhan erregte mit seiner These auch außerhalb der Wissenschaft Aufmerksamkeit.

      Durch die neueren Entwicklungen im Medienbereich ist der Satz von Marshall McLuhan mehr als bestätigt worden. Medien spielen in der zeitgenössischen Gesellschaft eine zentrale Rolle, ablesbar an den aktuellen Diskussionen im Feuilleton. Tag für Tag steht darin etwas über das veränderte Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit, das durch den Einsatz neuer Medien hervorgerufen werden sein soll (Post-privacy-Debatte), über die neuen Möglichkeiten der Geheimdienste, unsere privaten Daten abzuhören (NSA-Debatte) oder über die neue Möglichkeit von Firmen, auf unsere Kundendaten zurückgreifen zu können (Big Data-Debatte). Die Diskussionen um die Offenlegungspraktiken durch den früheren Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden oder den WikiLeaks-Gründer Julian Assange offenbaren, wie dramatisch sich bisher etablierte Formen von Öffentlichkeit durch den Einsatz neuerer Medien wandeln bzw. schon gewandelt haben. Wir stecken also mitten drin in einem sozialen Wandel, der durch neuere Medien zumindest unterstützt, wenn nicht sogar durch sie beschleunigt wird. Umso mehr lohnt es sich aus soziologischer Sicht, Medien als Forschungsgegenstand auszuwählen und sich damit auseinanderzusetzen.

2.Aufbau des Buches

      Wie bereits dargestellt, speist sich eine Mediensoziologie einerseits aus eigenständigen, dezidiert soziologischen Beiträgen zum Thema Medien. Medien als Forschungsgegenstand sind aber auch ein klassisches Schnittmengenthema, auf das sich unterschiedliche Forschungstraditionen richten. Zu nennen sind hier insbesondere die Literaturwissenschaften, die Kulturwissenschaften, die Medienphilosophie und die Kommunikationswissenschaften. Diese Einführung bedient sich einiger Einsichten aus der Kulturwissenschaft und der Medienphilosophie, weil dort erstmals der Forschungsgegenstand der Medien [11]konstituiert wurde. Innerhalb der Kulturwissenschaften wurde erstmalig postuliert, dass es die Medien der Gesellschaft sind, denen besondere Aufmerksamkeit zuteil werden muss, wenn es um Forschungsfragen geht. Die vorliegende Einführung stellt Bezüge zu medientheoretischen Erkenntnissen der Kulturwissenschaften und der Medienphilosophie her, versucht aber auch, den eigenständigen Wert von soziologischen Beschreibungen zur Medientheorie herauszuarbeiten. Zudem basiert dieses Buch auf der Annahme, dass eine Mediensoziologie auf unterschiedlichen Ebenen auf den Forschungsgegenstand Medien stößt. Beschäftigt man sich soziologisch mit dem Thema, so stellt man schnell fest, dass unterschiedlichste Gegenstände als Medien auftreten können. Es sind also nicht nur die Massenmedien, auf die sich der Blick der Forschenden richtet. Es zeigen sich vielmehr unterschiedlichste Phänomene, die als Medien eine Rolle spielen können. Aus der Sicht von Marshall McLuhan etwa kann all das als Medium verhandelt werden, was zur Verlängerung der menschlichen Sinnesorgane dient (»extensions of men«). Niklas Luhmann schlägt wiederum einen dreistelligen Medienbegriff vor, der auf verschiedenen Ebenen innerhalb der Theorie, aber auch auf der Gegenstandsebene wirksam wird. Und für Jürgen Habermas ist es wie gesagt vor allen Dingen die Sprache, die einen entscheidenden Beitrag zur Modernisierung der Gesellschaft leistet. Man muss auf die Diversität an Medienbegriffen nicht enttäuscht reagieren, führt sie innerhalb der Soziologie und der kulturwissenschaftlichen sowie philosophischen Medientheorie doch vor, dass die Notwendigkeit besteht, einen Medienbegriff zur Verfügung zu haben. Wichtig für eine mediensoziologische Perspektive ist es, zunächst auf der theoretischen Ebene zu wissen, was man unter einem Medium verstehen möchte – und was nicht. Was kann unter welchen Bedingungen zu einem Medium gemacht werden – und was nicht?

      All dies sind medientheoretische Fragen. Diese Einführung versucht deshalb, in einem ersten Schritt sich diesen medientheoretischen Beiträgen anzunähern. Der erste Teil (A) widmet sich deshalb der Medientheorie, um Einsteigern einen Überblick zu vermitteln, welche Medienbegriffe innerhalb der medienwissenschaftlichen Forschung bereits vorhanden sind. Hier stößt man auf unterschiedliche Traditionen. Zunächst (Kap. I und II) werden die medientheoretischen Implikationen der kulturwissenschaftlichen Medientheorie (Innis; McLuhan; Kittler) verhandelt. Die hier vorgestellten Beiträge präsentieren zentrale Einsichten innerhalb der Medientheorie, die auch für eine Mediensoziologie unerlässlich sind. Die beiden darauf folgenden Kapitel (Kap. III und IV) richten ihren Fokus auf dezidiert soziologische Beiträge zur Medientheorie. Hier werden die nach wie vor einflussreichen Ansätze der Kritischen Theorie verhandelt. Zudem werden die in der Mediensoziologie nicht minder bedeutenden Beiträge der Media Studies innerhalb der Cultural [12]Studies besprochen. Während die Medientheorie der Kulturwissenschaften ihren Blick vordringlich auf die Praxis von Medien richtet, fragt eine soziologisch informierte Medientheorie nach dem Zusammenhang von Medien und Gesellschaft: Welchen Einfluss haben Medien auf soziale Praktiken? Während die Medientheorie stärker nach den Eigenschaften von Medien fragt, richtet sich eine mediensoziologische Perspektive zumeist auf die Wirkungen von Medien. Dieser Unterschied wird noch einmal im Vergleich der Kapitel V und VI deutlich. In Kapitel V werden unterschiedlich medientheoretisch informierte Beiträge vorgestellt (Krämer, Tarde, Latour), die eine bestimmte Eigenschaft von Medien herausarbeiten, nämlich dass


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