Mediensoziologie. Elke Wagner
von Medien. Kap. VI wiederum beschreibt die eher soziologisch grundierte Medientheorie von Niklas Luhmann, die fragt, welche sozialen Probleme der Einsatz von Medien löst.
Eine mediensoziologische Perspektive darf sich aber nicht allein auf die Klärung von Begriffsfragen beschränken. Schließlich geht es ihr um eine praktische Beforschung von Medien, also immer auch um die Empirie, um eine praxisbezogene Mediensoziologie. Dieser Perspektivierung widmet sich der zweite Teil des Buches (B). Dabei zeigt sich, dass Medien zwar nahezu überall auftauchen, dass sie empirisch-praktisch aber gar nicht so leicht zu fassen sind. Medien sind Mittler, die Botschaften übertragen – sie schleichen sich dabei in den Übermittlungsvorgang ein und prägen diesen. Gleichzeitig machen sich Medien im praktischen Vollzug unsichtbar. Wie kann man dann aber Medien empirisch-praktisch beforschen? Diese Einführung kann darauf keine allumfassende Antwort geben. Schließlich handelt es sich bei der Antwort auf diese Frage um konkrete, forschungspraktische Angelegenheiten, die immer im Einzelfall im Hinblick auf das konkrete Forschungsthema geklärt werden müssen. Was hier indes versucht werden soll, ist, Gegenstandsbereiche aufzuzeigen, in denen Medien für soziale Praktiken eine Rolle spielen (können). Soziale Praktiken herauszuarbeiten, die hochgradig über Medien vermittelt sind, ist mit anderen Worten Gegenstand des zweiten Buchteils. Es kommen dabei unterschiedliche Phänomene zur Sprache. Einmal stellt sich die Frage, wie Medien eine soziale Identität vermitteln (Kap. I). Hier spielt der Ansatz von George Herbert Mead, aber auch der von Jürgen Habermas eine Rolle. Weiterhin geht es um die Themen Liebe (Kap. II) und Öffentlichkeit (Kap. III). Schließlich beschäftigt sich dieser Teil mit Praktiken der Populärkultur (Kap. IV) und widmet sich abschließend der Frage, inwiefern Globalisierungsprozesse durch Medien vermittelt sind (Kap. V). Die Wirksamkeit von Medien wird hier am konkreten Gegenstand sichtbar und erfahrbar.
[13]Das vorliegende Buch richtet sich an Studierende im Bachelor-Studiengang und ist damit eine Einführung in ein soziologisches Vertiefungsgebiet, das bereits grundständiges Wissen über soziologische Sachverhalte voraussetzt. Es ist kaum möglich, in ein solches Vertiefungsgebiet einzuführen, ohne dabei auf Wissensbestände aus der allgemeinen Soziologie zurückzugreifen. Die vorliegende Einführung versucht die immer wieder sehr komplex zu lesenden medientheoretischen Implikationen transparent zu machen und an Übungsbeispielen und empirischen Studien zu verdeutlichen, worin die Wirkungsmacht und Wirkungsweise von Medien bestehen könnte. Es bleibt den Lesern und Leserinnen zu wünschen, dass diese Einführung dazu anregt, sich mit dem Thema Medien weiterhin soziologisch zu beschäftigen.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass dieses Werk unter der Mithilfe einiger Personen entstanden ist. Zu danken habe ich Lena Setzer und Dinah Schardt für die Durchsicht des Manuskripts, Gabi Blum und Florian a. Betz für die grafische Arbeit. Schließlich möchte ich mich bei all jenen bedanken, die mir Bildmaterial freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben. Für Diskussionen, Anregungen und Gespräche bedanke ich mich bei Reinhold Böh, Martin Stempfhuber, Natascha Nisic, Florian Amberger, Peter Wacha, Xaver Holler und Rüdiger Wolf.
[14][15]A. | Medientheorien |
[16][17]I. | Wozu Mediensoziologie? |
LEITENDE FRAGEN:
Was kann man unter Medien verstehen?
Warum soll sich die Soziologie für Medien interessieren?
Was kann man unter einem Medium verstehen? Auf diese Frage gibt es so viele Antworten, wie es theoretische Zugriffe auf Medien gibt. Die Kulturwissenschaften (wie etwa die Literaturwissenschaft), die eine lange medientheoretische Tradition aufweisen, beantworten die Frage anders als die Kommunikationswissenschaft. Letztere versteht unter Medien gemeinhin Massenmedien, womit die Beschreibung von Prozessen der Informationsvermittlung zwischen einem Sender und einem Empfänger gemeint ist. Die Kulturwissenschaft wiederum verfügt über einen sehr breiten Medienbegriff. Darunter fallen nicht nur Massenmedien, wie etwa Pressewesen, Fernsehen und Internet, sondern auch Kleidung, Technik oder Sprache, Schrift und Bilder. Diese Einführung in die Mediensoziologie will einen dezidiert soziologischen Zugang zum Thema vermitteln. Sie fragt also nach der gesellschaftlichen Bedeutung von Medien: Wie wirken sich Medien auf soziale Prozesse aus? Verändern Medien soziale Praktiken?
In diesem ersten Kapitel wollen wir uns zunächst überlegen, was man unter einem Medium verstehen kann. Um dem näherzukommen, greifen wir auf die lange medientheoretische Tradition in den Kulturwissenschaften zurück. Denn dort kam die Rede vom sozialen Einfluss der Medien zum ersten Mal als wissenschaftliches Thema auf. In einem weiteren Schritt werden wir fragen, was an der kulturwissenschaftlichen Tradition der Medientheorie für die Soziologie von Interesse ist: Wozu brauchen wir überhaupt eine Mediensoziologie? Warum soll sich die Soziologie mit dem Gegenstand der Medien beschäftigen?
1. | Prägen Medien soziale Praktiken? |
Ausgangspunkt ist der Vorschlag, mediale Prozesse als Übertragungsverhältnisse (Krämer 2008) zu fassen, die bestimmte Phänomene sichtbar und erfahrbar machen. Dabei weisen Medien sowohl eine materiale als auch eine symbolische Seite auf. So sind etwa Mobiltelefone und Computer technische [18]Apparaturen, die aber auch als Medium fungieren können. Denn Medien vermitteln Informationen, die über Symbole hergestellt werden, also sprachliche Zeichen und Zahlen. Der Computer kann deshalb Medium sein, weil er mittels Schrift, Bild oder Ton symbolische Werte transportiert.
Abb.1: Materiale und symbolische Medien Foto: Gabi Blum
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Mediale Prozesse sind Übertragungsverhältnisse, die soziale Phänomene erfahrbar und sichtbar machen. Medien weisen eine materiale und eine symbolische Seite auf.
Wie bereits erwähnt, finden sich die ersten Arbeiten, in denen Medien überhaupt zu einem eigenständigen Thema gemacht worden sind, in den Kulturwissenschaften. Die Medientheorie der Literaturwissenschaft befasste sich zunächst damit, dass die materiale Ausstattung des Mediums eine eigenständige Rolle für die Wirkung der übertragenen Information spielt. So hat zum Beispiel die materiale Ausstattung eines Buches mehr Bedeutung für die Veränderung von sozialen Praktiken als das, was darin zu lesen ist. Wenn ein Text als Buch erscheint, kann er massenhaft hergestellt und vertrieben und damit einem weitaus größeren Publikum zugänglich gemacht werden. Der Autor eines Textes und seine Leser können sich auf veränderte Weise aufeinander beziehen. So war das Lesen von Texten vor der Erfindung des Buchdrucks allein einigen wenigen Gelehrten vorbehalten. Die vergleichsweise wenigen vorhandenen Schriftstücke galten als heilige Texte. Mithilfe des Buchdrucks konnten nicht nur mehr Menschen an den Inhalten teilhaben, Leser konnten auch selbst zu Autoren werden und die einstmals heiligen Texte in eigenen Veröffentlichungen kritisieren. In der Medientheorie der Kulturwissenschaften geht man deshalb davon aus, dass die Einführung des Buchdrucks die Entwicklung von demokratischen Tendenzen unterstützt hat. Weil es mittels Buchdruck zu einer massenhaften Verbreitung von Informationen und Texte kam, konnten sich Personen auf neuartige Weise verständigen und gemeinsame Inhalte formulieren. Es entwickelten sich bis dahin unbekannte soziale Praktiken. So entstanden im 18. Jahrhundert zahlreiche Lesegesellschaften und Lesesalons, in denen man sich über das von allen Gelesene ausgetauscht und unterhalten hat. Zudem führte die Verbreitung von Büchern schließlich auch zu einer Alphabetisierung der Bevölkerung – immer mehr Personen waren des Lesens und Schreibens kundig.
Kurz: Medien übertragen nicht einfach nur Informationen, sondern schleichen sich in die Informationsvermittlung mit ein und verändern dabei die Formen der Wahrnehmung der übertragenen