Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer

Publizistik- und Kommunikationswissenschaft - Heinz Pürer


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und Empfänger führen, sodass der Kommunikationsprozess bzw. sein dialogischer Charakter nicht zwingend symmetrisch strukturiert sein muss (vgl. Kübler 1994, S. 38).

      In seiner Analyse von Kommunikationsbegriffen hat Merten neben der Reziprozität weitere Merkmale von (Face-to-face-)Kommunikation ausfindig gemacht. Es sind dies die Merkmale Intentionalität, Anwesenheit, Sprachlichkeit, Wirkung und Reflexivität (Merten 1997; siehe dazu etwa auch Rau 2013, S. 30ff):

      • Mit dem Charakteristikum Intentionalität ist die Absichtshaftigkeit des Senders und Zielgerichtetheit der Botschaft an den Empfänger gemeint. Intentionalität kann auch gegeben sein, wenn der angestrebte Empfänger möglicherweise nicht reagiert (vgl. Merten 1977, S. 77f) oder etwas anderes versteht als der Sender.

      • Das Merkmal Anwesenheit bezeichnet die gegenseitige Wahrnehmbarkeit der Kommunikationspartner in der direkten Interaktion. Diese gegenseitige Wahrnehmbarkeit ist nicht nur im persönlichen Gespräch zwischen zwei Personen gegeben, sondern z. B. auch beim Telefonieren (vgl. Merten 1977, S. 79ff). In dieser – technisch vermittelten – Form der Kommunikation nehmen die beiden Gesprächspartner einander wegen der eingeschränkten Zahl der benutzten Kommunikationskanäle allerdings anders wahr als in der Face-to-face-Kommunikation.

      • Obwohl wir in vielfältiger Weise auch nonverbal kommunizieren, ist Sprachlichkeit ein sehr wesentliches Merkmal von Kommunikation (vgl. Merten 1977, S. 82). Sprache ist das leistungsfähigste Kommunikationsinstrument und spielt für die Verständigung zwischen zwei oder mehreren Kommunikationspartnern eine eminent wichtige Rolle.

      • Unter Wirkung sind sämtliche Verhaltensweisen und Erlebnisprozesse zu verstehen, die beim Kommunizieren ablaufen bzw. erfahrbar und beobachtbar sind (vgl. Merten 1977, S. 84ff).

      • In der Reflexivität, also in der Rückbezüglichkeit, sieht Merten das wichtigste Merkmal von Kommunikation. Reflexivität bezieht sich auf die beiden Kommunikationspartner, und so ist mit Reflexivität die Reflexion von Prozessen in der Kommunikation auf sich selbst gemeint. Merten unterscheidet zwischen Reflexivität in der Zeitdimension, in der Sachdimension sowie in der Sozialdimension (Merten 1977, S. 86–88 sowie S. 161f; vgl. auch Schmidt/Zurstiege 2007, S. 34–36; Stöber 2008, S. 31f). Dabei bedeutet Reflexivität in ihrer zeitlichen Dimension die Rückwirkung der Folgen von Kommunikation auf den Kommunikationsprozess selbst. Reflexivität in der sachlichen Dimension meint, »dass Kommunikation jeweils mit dem Kanal bzw. Code operieren kann, der dem sachlichen Anliegen am angemessensten ist. Kommunikation rekurriert mithin auf kulturelle und bewusstseinsmäßige Vorleistungen, kann adäquat Informationen auswählen, aufeinander beziehen, vorantreiben, Traditionen bilden und an Sinnstrukturen anknüpfen. Reflexivität in der sozialen Dimension bedeutet, dass Kommunikation Individuen [für vielleicht auch nur ganz kurze Zeit – Ergänzung H. P.] verbindet, Sozialität stiftet, kognitive Leistungen wie Wahrnehmen, Erwarten und Handeln verlangt bzw. erzeugt und damit letztlich menschliche Identität konstituiert« (Kübler 1994, S. 18). Gemeint ist, dass Kommunikation zeitlich, sachlich und sozial immer an bereits Vorhandenes »andockt«. So manifestiert sich z. B. in der Frage eines Ortsunkundigen nach einer Straße oder Gasse (zeitliches und sachliches »Andocken«) bei einem – vermeintlich – Ortskundigen ein Mindestmaß an Vertrauen (soziales »Andocken« i. S. »der kann mir vielleicht helfen«).

      Kommunikation ist durch ein Mindestmaß an Verständigung, an Gemeinsamkeiten der Gedanken oder Absichten zwischen Sender und Empfänger gekennzeichnet. Sie dient der Verständigung, dem Austausch und der Teilhabe an dem, worüber gesprochen wird. Verständigung liegt dann vor, [67]»wenn der Rezipient eine ihm mitgeteilte Aussage so versteht, wie sie vom Kommunikator gemeint ist« (Burkart 1998, S. 75). Dazu bedarf es eines gemeinsamen, übereinstimmenden Zeichenvorrates. Über einen in hohem Maße übereinstimmenden Zeichenvorrat verfügen Kommunikationspartner, die nicht nur die gleiche Sprache sprechen, sondern auch ähnliche oder gleiche Interessen haben sowie ähnliche oder gleiche Erfahrungen, Anschauungen und Werthaltungen (vgl. Merten 1977, S. 47–49). Innere Monologe, Denkprozesse, Selbstgespräche – also das, was wir intrapersonale Kommunikation nennen – kann nicht als Kommunikation im bisher dargelegten Sinn bezeichnet werden. Das Denken ist, wie Plato sagt, das »Selbstgespräch der Seele« und damit zweifellos eine Art kommunikativer Vorgang, aber eben ein intrapersonaler im Gegensatz zur interpersonalen Kommunikation (vgl. Schreiber 1990, S. 249).

      Der uns so selbstverständlich erscheinende Vorgang von Kommunikation als Prozess ist kein Vorgang, der kausal einfach zu erfassen ist (Merten 1977, S. 53). Vielmehr stellt Kommunikation einen komplexen Sachverhalt dar, in dessen Verlauf Rücksteuerungen und Rückkopplungen sowie ein- und gegenseitige Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Kommunizierenden eine Rolle spielen. Bei Kommunikation bzw. kommunikativem Handeln wird seitens der Kommunikationspartner Sinn konstruiert, Information generiert und ausgetauscht. Außerdem kommen auch subjektive Auswahl- bzw. Selektionsprozesse der Kommunikationspartner zum Tragen (vgl. Bentele/Beck 1994, S. 32). In der zwischenmenschlichen Kommunikation von Angesicht zu Angesicht (face to face) nehmen die Kommunizierenden abwechselnd die Rolle von Sender und Empfänger, von Kommunikator und Rezipient ein. Dies erfolgt oft »in so rascher Folge und mit Überschneidungen, dass man von einer gewissen Koinzidenz beider Rollen bei beiden Partnern ausgehen kann« (Schulz 1994, S. 147). Dabei handelt es sich weniger um eine Übertragung als vielmehr um einen Austausch von Information.

      Dieser Austausch von Information bedient sich sprachlicher (verbaler) wie nichtsprachlicher (nonverbaler) Kommunikationsformen. Das Sprachliche manifestiert sich – übrigens in Spreche wie in Schreibe – im Gebrauch von Zeichen bzw. Symbolen. Bei gesprochener Sprache kommen paraverbale Merkmale wie Stimmqualität, Tonfall, Lautstärke, Stimmmelodie, Sprechpausen, dialektische Färbung u. a. m. hinzu. Bei geschriebener Sprache, z. B. im Brief oder auch bei gedruckten Medien, spielen (qualitativ-)formale Merkmale wie Schriftcharakter und Schriftbild eine Rolle. Allen diesen Merkmalen kann der Empfänger Informationen über den Sender entnehmen.

      Nonverbale Kommunikation bezeichnet »Formen des menschlichen Elementarkontaktes neben und außerhalb der Sprache« (Beth/Pross 1976, S. 93). Diese nichtsprachliche Kommunikation findet ihren Ausdruck in zahlreichen – (quasi-)formalen – Manifestationen wie Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blickkontakt, raumbezogenem Verhalten (räumliche Distanz der Kommunizierenden) etc.; sie werden vorwiegend über den optischen bzw. visuellen Kanal wahrgenommen. Nonverbale Kommunikationselemente sind aber auch in Mitteilungen zu sehen, die durch Geruch, Geschmack, Berührungen und Wärmeempfindungen vermittelt und wahrgenommen werden. Insgesamt kann man also unterscheiden zwischen sprachunabhängigen und sprachabhängigen nonverbalen Elementen (vgl. Kübler 1994, S. 24). Einen Sonderfall stellt die Sprache der (Taub-)Stummen bzw. Gehörlosen dar, die vorwiegend mit Mimik, Gestik und Gebärden operiert. Diese Sprache stellt in Form der Deutschen Gebärdensprache (DGS) übrigens ein eigenes, staatlich anerkanntes Sprachsystem dar. (In manchen Fernsehnachrichtensendungen – leider in viel zu wenigen – werden Personen eingeblendet bzw. gezeigt, die gehörlosen Zusehern das Gesprochene in die Sprache der Gehörlosen übersetzen). [68]Mit Blick auf verbale und nonverbale Kommunikation ist zu erwähnen, dass nonverbale Kommunikation durch die verbale nicht abgelöst wird. Vielmehr ergänzen sich beide Kanäle »komplementär zu einer wirksamen Struktur, die in der Bezogenheit aufeinander Leistungen ermöglicht, die keiner der Kanäle allein erbringen könnte« (Merten 1977, S. 82). Es ist jedoch unbestritten, dass jede leistungsfähige Kommunikation, die erinnerbar, multiplizierbar oder zurechenbar sein will, auf Sprache (in gesprochener oder geschriebener Form) aufbaut (vgl. ebd.). Im Unterschied zu nonverbaler Kommunikation befähigt Sprache zur Kommunikation über Personen, Dinge und Gegenstände sowie Sachverhalte »unabhängig von ihrer raum-zeitlichen Gegenwart« (Bergler/Six 1979, S. 27). Dies gilt übrigens auch für einen beträchtlichen Teil der Kommunikation von Blinden bzw. Nichtsehenden. Für sie muss geschriebene Sprache freilich in einen eigenen materiellen Code transformiert werden, dessen Dekodierung über den Tastsinn erfolgt.

      In der Kommunikationswissenschaft versteht man unter zwischenmenschlicher Kommunikation den sich der Sprachen, Zeichen und Symbole bedienenden Austausch


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