Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer
werden. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, 1) unter Bezugnahme auf die Semiotik auf die Dimensionen sprachlicher Zeichen zu verweisen; 2) aus psycholinguistischer Sicht kurz die Funktionen von Sprache zu erörtern; 3) den Inhalts- und Beziehungsaspekt von sprachlicher Kommunikation kurz anzusprechen sowie schließlich 4) auch noch kurz zu erörtern, worin Sprachbarrieren begründet sein können.
Die Semiotik, die Lehre von den sprachlichen Zeichen, unterscheidet die folgenden drei Dimensionen sprachlicher Zeichen (Morris 1938; Pelz 1975; Kunczik/Zipfel 2005, S. 33; Stöber 2008, S. 34; Beck 2010, S. 44): die semantische, die syntaktische und die pragmatische Dimension:
• Mit der semantischen Dimension ist die Beziehung zwischen den sprachlichen Zeichen und den Gegenständen, d. h. Personen, Sachverhalten, Dingen, Ereignissen etc. gemeint, »auf die sie verweisen, die sie ›be-zeichnen‹ sollen« (Burkart 1998, S. 76). Die Semantik als Zeichen- bzw. Wortbedeutungslehre befasst sich folglich mit der Bedeutung sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen (Wörter).
• Die syntaktische Dimension meint die Beziehung der Zeichen untereinander. Untersuchungsgegenstand der Syntaktik, der Lehre von den Sprachregeln, sind folglich »die grammatischen Regeln, nach denen sprachliche Zeichen miteinander verknüpft werden können« (ebd.). Sie manifestieren sich u. a. auch in den Satzkonstruktionen sowie im Satzbau.
• Die pragmatische Dimension »meint die Beziehung zwischen den Zeichen und ihren Benutzern« (ebd.). Die Pragmatik als ›Lehre von der Zeichenverwendung‹ […] fragt nach der Art und Weise des Gebrauchs sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen« (ebd.). Sie untersucht, was von einem Sprechenden in einer konkreten Kommunikationssituation mit sprachlichen Zeichen und Zeichenkombinationen »gemacht«, wozu sie »benützt« werden (konkrete Anwendung der Sprache durch einen Sprechenden).
Im Zusammenhang mit der pragmatischen Dimension der Sprache spielt das Lexikon des Sprachverwenders, seine Sprachkompetenz und seine Sprachperformanz eine wichtige Rolle. Mit Lexikon ist der Wortschatz einer Sprache gemeint, der sich durch neu hinzukommende Wörter, Begriffe und Wortzusammensetzungen ständig verändert. Die Unterscheidung zwischen Sprachkompetenz und Sprachperformanz geht auf Benjamin Lee Whorf zurück (Whorf 1963). Mit Sprachkompetenz ist die allgemeine Kenntnis gemeint, die ein Sprachbenutzer von einer Sprache hat. Mit Sprachperformanz bezeichnet man den tatsächlichen Gebrauch, den ein Sprachbenutzer auf Grund seiner Sprachkompetenz in einer bestimmten Sprechsituation von Sprache macht (d. h. die Fähigkeit, Sprache situationsgerecht anzuwenden). Der schweizerische Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure (1857–1913) schließlich nimmt die Unterscheidung von »langue« und »parole« vor. Langue meint Sprache als statisches System (z. B. das Deutsche, die englische Sprache, das Italienische), parole dagegen Sprechen in konkreten sprachlichen Äußerungen (vgl. Saussure 1931), also einen dynamischen Vorgang.
Von dem Psychologen Karl Bühler (1978) stammt die nachfolgende, bereits 1934 entwickelte Systematik der Sprach- bzw. Zeichenfunktionen. In Anlehnung an Plato verstand Bühler unter Sprache ein »Werkzeug« (griechisch: »organon«) des Kommunikationsprozesses. Dieses Werkzeug erfüllt für Bühler drei Funktionen, nämlich die Darstellungsfunktion, die Ausdrucksfunktion sowie die Appellfunktion (Bühler 1978, S. 28ff; vgl. auch Stöber 2008, S. 28ff):
[74]• Mit der Darstellungsfunktion ist die Möglichkeit gemeint, Dinge und Sachverhalte zu beschreiben. Sie ist objektorientiert; im Vordergrund stehen die sprachlich vermittelten Sachverhalte. Das sprachliche Zeichen ist »Symbol für Gegenstände oder Sachverhalte, für die es steht« (Graumann 1972, S. 1197).
• Die Ausdrucksfunktion verweist auf die Fähigkeit der Sprache, Gedanken und Empfindungen auszudrücken. Sprachliche Zeichen sind also »Symptom eines inneren Zustandes des Senders« (ebd.). Die Ausdrucksfunktion ist kommunikationsorientiert, sie vermittelt die emotionalen Färbungen des Sprechers.
• Die Appellfunktion meint die Möglichkeit, mittels Sprache das Verhalten des Kommunikationspartners beeinflussen zu können. Sie ist rezipientenorientiert. Das sprachliche Zeichen ist »Signal für einen Empfänger« (ebd.).
Jede dieser Funktionen kommt bei sprachlicher Kommunikation, insbesondere bei solcher von Angesicht zu Angesicht, zur Geltung. Freilich können in je unterschiedlichen Kommunikationssituationen und je nach physischer und psychischer Verfassung des jeweils Sprechenden einzelne Funktionen überwiegen bzw. etwas stärker zum Ausdruck kommen:
1) | Unter Bezugnahme auf Watzlawick sei darauf hingewiesen, dass sprachliche Kommunikation einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt aufweist. Im Inhaltsaspekt manifestiert sich das, was eine Mitteilung enthält. Im Beziehungsaspekt sollte zum Tragen kommen, wie der Sender seine Mitteilung vom Empfänger verstanden wissen will. Gemeint ist, dass der Inhaltsaspekt die ›Daten‹ vermittelt, während der Beziehungsaspekt anweist, »wie diese Daten aufzufassen sind« (Watzlawick et al. 1969, S. 55). Dabei ist das Verhältnis zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekt derart, »dass letzterer den ersteren bestimmt« (ebd.). Der Inhalt (was) einer Mitteilung wird primär kognitiv erfasst, der Beziehungsaspekt (wie) primär eher intuitiv und emotiv. | |
2) | Was schließlich Sprachbarrieren betrifft, also Missverstehen und Nichtverstehen, so verweist Burkart (1988) in Anlehnung an Badura (1971) darauf, dass sich beides auf der Sprachebene des Gegenstandes und auf der Sprachebene der intersubjektiven Wahrnehmung der Gesprächspartner abspielen kann. Dazu im Einzelnen: | |
– | »Auf der gegenständlichen Ebene liegt ein Nichtverstehen vor, wenn Sprecher und Hörer über unterschiedliche Zeichenvorräte verfügen« (Burkart 1998, S. 84). Dies ist z. B. der Fall, wenn der Sprecher ein Fremdwort verwendet, das der Hörer nicht kennt. | |
– | »Ein Missverstehen auf der gegenständlichen Ebene von Kommunikation liegt dagegen vor, wenn beide Kommunikationspartner wohl mehr oder weniger gleiche Zeichenvorräte besitzen, […] wenn beide Kommunikationspartner aber dennoch unterschiedliche Bedeutungen mit den betreffenden Wörtern verbinden« (ebd.). Es entsteht also ein »semantisches« Problem. | |
– | »Auf der intersubjektiven Ebene von Kommunikation liegt ein Nichtverstehen dann vor, wenn sprachliche Äußerungen [eines Kommunikators vom Rezipienten – Ergänzung H. P.] gar nicht als solche erkannt werden. Die Gründe dafür liegen im Unvermögen des Empfängers, die sprachlichen Manifestationen überhaupt zu identifizieren« (Burkart 1998, S. 85). | |
– | »Ein Missverstehen auf der intersubjektiven Ebene liegt hingegen dann vor, wenn die beiden Kommunikationspartner die gesetzten Sprechakte unterschiedlich interpretieren« (ebd.). Es entsteht also ein pragmatisches Problem, es gibt »Differenzen im Bereich der pragmatischen Zeichendimension zwischen Sprecher und Zuhörer« (ebd.). |
Sprachbarrieren können aber auch gesellschaftlich bedingt sein. Johannes Weinberg (1975), Basil Bernstein (1972) sowie Horst Holzer und Karl Steinbacher (1972) verweisen in teils unterschiedlicher Art darauf, dass es schichtspezifische Unterschiede in Spracherwerb, Sprachentwicklung und Sprachgebrauch [75]gibt. Mittel- und Unterschicht gebrauchen verschiedene Varianten der gemeinsamen Einheitssprache. So verwendet die Unterschicht eine Sprache, deren Code »restringiert«, also (mehr oder weniger stark) beschränkt ist, die Mittel- und Oberschicht dagegen einen »elaborierten« (also gut entwickelten und erweiterten) Sprachcode. Die Verschiedenartigkeit der beiden Codes kann zu einer gesellschaftlichen Benachteiligung sozial schwacher bzw. niedriger Schichten führen, insbesondere im Hinblick auf den gesellschaftlichen Aufstieg und bei beruflichen Karrieren (vgl. auch Burkart 1998, S. 100–102; vgl. Stöber 2008, S. 35).
Vom Hamburger Sprachpsychologen Friedemann Schulz von Thun (1996a, 1996b) stammt ein psychologisch begründetes »Nachrichtenquadrat«, das hier im Zusammenhang mit Sprache noch erwähnt werden soll. Es ist ein »Grundmodell für eine Allgemeine Kommunikationspsychologie« (Schultz von Thun 1996b, S. 16), das u. a auch wesentlich auf Sprache basiert. Im Blickpunkt des Modells steht, »was jemand von sich gibt bzw. was beim anderen ankommt« (Schulz von Thun 1996b, S. 19; Hervorhebung i. Orig.). An einer in der persönlichen Kommunikation übermittelten Nachricht unterscheidet der Autor »vier Seiten […], die immer gleichzeitig mit im Spiele sind:
1) | der Sachinhalt, der Informationen über die mitzuteilenden Dinge und Vorgänge enthält; |
2) | die |