Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer
wie sein Name sagt, eine primär theoretische bzw. wissenschaftliche Ausbildung und versucht, Einblicke in die breite Palette der Kommunikationsberufe (Journalismus, Public Relations, Werbung, Medienmanagement, Onlinekommunikation etc.) zu bieten. (Pflicht-)Praktika ergänzen in aller Regel ihr Lehrprogramm.
[119]• Fachhochschulstudiengänge: Sie leisten eine ressortbezogene Grundausbildung, vermitteln gleichzeitig eine (in aller Regel mehrmediale) praktisch-handwerkliche Ausbildung (Print, Funk, Online) sowie medien- und berufskundliches Wissen.
• Studienbegleitende Akademien: Sie vermitteln Studierenden aller Studienrichtungen begleitend zum Studium (vorwiegend in der vorlesungsfreien Zeit) eine intensive praktisch-handwerkliche (Print oder Funk oder Online) sowie medien- und berufskundliche Ausbildung in Form von mehrwöchigen bzw. mehrmonatigen Kompaktkursen und ergänzenden (Wochenend-)Seminaren.
• Berufsbegleitende Akademien: Sie bieten für bereits im Beruf stehende Journalisten (v. a. für Jungjournalisten) und sog. Seiteneinsteiger mehrmonatige bzw. mehrwöchige, vorwiegend praktischhandwerkliche Ausbildungskurse (Print, Funk, Online) sowie mehrtägige medien-, berufs- oder ressortkundliche Fortbildungsseminare.
• Journalistenschulen in Medienbetrieben: Sie leisten (meist) eine crossmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung, die durch medien- und berufskundliche Ausbildungsinhalte (darunter auch Medienökonomie) ergänzt wird.
Was die Ausbildungsinhalte betrifft, so besteht Übereinkunft darüber, dass Journalisten – v. a. jene, die bei den klassischen Medien im Informationsbereich arbeiten – über eine möglichst umfassende und breit angelegte Ausbildung verfügen sollten. Fünf Gebiete sind anzusprechen (vgl. Pürer 1996b, S. 402f):
1) | Eine solide, nach Möglichkeit mehrmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung; also die Kenntnis der journalistischen Tätigkeiten, Darstellungsformen und Gestaltungstechniken. Eine mehrmediale Ausbildung (Print, Funk, Fernsehen, Online) erhöht die Berufsmobilität zwischen den Medien. |
2) | Ein fundiertes, allgemeines gesellschaftliches Grundlagenwissen mit Kenntnissen über Staat, Politik, Recht, Gesellschaft und Kultur. Es ermöglicht im Bedarfsfall den Einsatz des Journalisten in mehreren Ressorts. |
3) | Ein umfassendes Ressortwissen in Politik oder Wirtschaft oder Kultur oder Sport oder Sozialem etc. Es ist unerlässlich für jenes Ressort, in welchem man vorwiegend arbeitet und für das man ohne Spezialwissen nicht mehr auskommt. |
4) | Die Grundlagen der Methoden und Techniken der Sozial- und Medienforschung. Journalisten sind oft mit empirischem Datenmaterial konfrontiert, dessen Entstehung und Qualität sie unbedingt beurteilen können sollten. |
5) | Eine gute Kenntnis des Medien- und Berufswissens, um über eigene Rechte und Pflichten genau Bescheid zu wissen. |
Zu ergänzen ist dieser Katalog um Ausbildungsinhalte, die aus dem Vorhandensein neuer Kommunikations- und Medienangebote in Onlinemedien wie Blogs, soziale Gemeinschaften, Kurznachrichtendienste, Kommentarfunktionen und andere Kommunikationsanwendungen und -möglichkeiten resultieren.
Aus diesem Ausbildungskatalog ergeben sich Kompetenzen, über die Journalisten verfügen sollten. Weischenberg hat 1990 auf drei Schlüsselkompetenzen hingewiesen (Weischenberg 1990): die Fach- und Organisationskompetenz (das Handwerk und das Medienwissen), die Sachkompetenz (das Ressortwissen) sowie die Vermittlungskompetenz (die mediengerechte Artikulationsfähigkeit). Claus Eurich spricht die folgenden Kompetenzen an: die Selektionskompetenz (Herstellung und Wahrung des Blicks auf und für das Wesentliche); die Recherchekompetenz (Auffinden und Prüfen der Seriosität von Quellen, systematisches Gegenrecherchieren etc.); die Kontextkompetenz [120](ereignisbezogen Schnittstellendimensionen freilegen, neue Themenfolgen erschließen etc.); die Vermittlungskompetenz (Sprachkompetenz, Kompetenz der Stilformen, Kompetenz der Visualisierung etc.); die Reflexionskompetenz (Berücksichtigung sozialer Prozesse und ontologischer Komponenten) und die Sozialkompetenz (Bedachtnahme auf den Umstand, dass durch die Folgen journalistischer Tätigkeit im weitesten Sinne die Herstellung und Verstärkung von gesellschaftlichem Sinn und Eigensinn erfolgt) (vgl. Eurich 1998, S. 16).
Die European Journalism Training Organisation (EJTA) hat 2006 mit Blick auf die Veränderungen, durch die der Journalismus infolge des Internets gekennzeichnet ist, den nachfolgend genannten Kompetenzenkatalog entwickelt (hier in Übernahme von Steffen Burkhardt 2009, S. 10–12):
• Reflexionskompetenz: Kenntnis der gesellschaftlichen Grundwerte, Entwicklung des Mediensystems sowie der Zielgruppen journalistischer Produkte. Bedeutung des Journalismus in modernen Gesellschaften, seine Verantwortung, seinen Einfluss. »Journalisten müssen die Werte, die durch ihre professionellen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht werden, erkennen, benennen und begründen können« (Burkhardt 2009, S. 10).
• Vermittlungskompetenz: Öffentlichkeitswirksame Inhalte identifizieren, sie mediengerecht für spezifische Zielgruppen aufbereiten, analytischer Zugang zu aktuellen Ereignissen, Kenntnisse der Nachrichtenfaktoren, Verständnis der Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen von Medien, Medieninstitutionen und Medienprodukten. »Nur wer Ereignisse für spezifische Zielgruppen selektieren kann, ist journalistisch in der Lage, öffentliche Diskurse, Diskussionen und Debatten reflektiert zu gestalten« (Burkhardt 2009, S. 11).
• Planungs- und Organisationskompetenz: realistische Arbeitspläne erstellen und umsetzen können. »Journalistinnen und Journalisten sollten dabei trotz Außendrucks zielführend arbeiten können und flexibel genug sein, spontan auf unerwartete Entwicklungen angemessen zu reagieren« (ebd.).
• Informationskompetenz: Informationen nachrichtlich erfassen und verarbeiten können, Kenntnis von Informationsquellen/Informanten, Referenzpublikationen, Datenbanken, Nachrichtenagenturen, Fähigkeit, Quellen zu hinterfragen, Beiträge durch (Double-)Checks objektivieren. »Vor allem durch die neuen Medien wird Informationskompetenz auch als Basis für einen Interaktionsprozess verstanden und in einem weiteren Sinn als Fähigkeit gesehen, mit der Gesellschaft informierend zu interagieren« (ebd.).
• Selektionskompetenz: Zwischen relevanten und weniger relevanten Aspekten unterscheiden können, richtig gewichten; Informationen korrekt, akkurat, zuverlässig und vollständig verarbeiten und sie in den richtigen Kontext setzen können. »Bei der Selektion müssen sie Informationen für ein spezifisches Medium verarbeiten und die Folgen ihrer Auswahl für die Zielgruppe, die Gesellschaft (zunehmend auch aus interkultureller Perspektive), die Informanten, die Betroffenen und sich selbst abwägen« (Burkhardt 2009, S. 10f).
• Strukturierungskompetenz: Kenntnis der Darstellungsformen, für spezifische Inhalte angemessen Form wählen, auf Erzählstrukturen achten »und die Strukturen der Informationsaufbereitung auf die Bedürfnisse eines Medienprodukts abzustimmen« (Burkhartd 2009, S. 11).
• Präsentationskompetenz: Sich schriftliche und mündliche Sprachfertigkeit aneignen, Informationen möglichst auch crossmedial aufbereiten können (durch Verknüpfung von Texten, Bildern, Tönen, Videosequenzen); sich Genre-, Technik und Layoutkenntnisse aneignen. »Ziel ist dabei nicht, alles zu können, sondern eine Koordinationsfähigkeit für die Arbeit im Team zu entwickeln und z. B. Techniker in Hinblick auf eine sinnvolle Präsentation von Themen anzuleiten« (ebd.).
• Evaluationskompetenz: Eigene Arbeit und die anderer auf Basis von Qualitätskriterien bewerten können. Die Evaluationskompetenz »erfordert eine Offenheit für kritische Selbst- und Fremdevaluation als konstruktiver Voraussetzung zu Weiterentwicklung der journalistischen Arbeit und die Bereitschaft, Verantwortung für die Folgen von Veröffentlichungen zu übernehmen« (ebd.).
[121]• Soziale Kompetenz: Sozial akzeptierte Umgangsformen, Engagement und Initiative in der Teamarbeit, Erkennen und Beachten von hierarchischen Beziehungen. Die soziale Kompetenz »setzt die Kenntnis der beruflichen Aufgabe, persönlicher Stärken und Schwächen und die Reflexion von Kolleginnen und Kollegen voraus« (ebd.).
Im Zusammenhang mit dem Thema Ausbildung sei noch kurz die Frage angesprochen, welche Stadien ein Journalist durchschreitet, wenn er im Zuge des Eintritts in eine Redaktion gleichsam schrittweise die journalistische Berufsrolle übernimmt. Es handelt sich dabei um einen Vorgang, der allgemein als berufliche Sozialisation bezeichnet wird