Der Clan der Auserwählten. Hans-Peter Vogt

Der Clan der Auserwählten - Hans-Peter Vogt


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vor dreißig Jahren. Sie lieben sich, auch wenn sie sich nicht sehr häufig sehen. Im Winter geht er regelmäßig mit Mila auf Reisen, wenn sie Vorträge und Seminare in den amerikanischen Städten und in Europa hält. Sie gilt als die Kapazität schlechthin für die indianische Geschichte Südamerikas, und sie ist im Winter ständig unterwegs zu Vorträgen, auch im Rahmen von Ausstellungen über die Ausgrabungen. Sie haben Mila in der Welt der Geschichtsschreiber berühmt gemacht.

      Ana Théla ist die zweitälteste Tochter seines Adoptivsohnes Nakoma, der nur knapp vier Jahre jünger ist als sein Adoptivvater. Allerdings hat sich Nakoma mit dem Kinderzeugen deutlich mehr Zeit gelassen, als sein Adoptivvater. So ist Ana Théla gerade 18 geworden und sie ist bildhübsch. Eine Mischung aus Indio und der energievollen dunkelhaarigen spanischstämmigen Peruanerin, die ihre Mutter ist. Sie hat schwarz-braune lange Haare, ähnlich wie seine älteste Tochter Chénoa, sie hat diese zarte goldbraune Haut der Mestizen, und die weichen Züge der Jugend.

      Chénoa drückt Ana Théla den Kochlöffel in die Hand und meint. „Sieh mal nach dem Fleisch und dem Gemüse, und auch ein bisschen wenden und rühren.“

      Sie umarmt ihren Vater. Leon drückt sie vorsichtig an sich. Chénoa ist jetzt 28, und sie ist im fünften Monat schwanger. Sie stehen eine Weile da und genießen die gegenseitige Wärme. Dann meint Leon mit einem Blick auf die Pfanne. „Ich hoffe, es gibt heute richtiges Fleisch und nicht dieses Veggi-Zeugs.“

      Chénoa lacht. „Hat Daniel dich also schon kosten lassen? Ist wirklich gut, was?“ Leon droht leicht mit dem Finger. „Du hättest mich informieren sollen.“ Chénoa schüttelt den Kopf. „Wenn’s nichts geworden wäre, dann hätten wir das Zeugs eingestampft. Jetzt wissen wir, dass die Leute begeistert sind, und dass da noch viel mehr Potenzial drinsteckt. Du bist für das große Ganze zuständig, aber du musst nicht jeden einzelnen Schritt wissen, den wir in der Planung haben. Du erfährst schon rechtzeitig alles Wesentliche, du kannst dich auf deine Mitarbeiter verlassen.“

      „Genug geschwätzt“, flötet Ana Théla. „Essen ist fertig.“ Wie alle Kinder und Enkel von Leon kann sie perfekt deutsch sprechen.

      Leon hatte nichts zu Mittag gegessen und er schlägt jetzt richtig zu. Wenn er ernsthaft nachdenkt, so ist das Fleisch nicht besser als das, was Daniel ihm heute Mittag zu kosten gegeben hatte. Er hat keine Probleme damit, eigene Fehler einzugestehen.

      „Ich muss euch ein großes Lob zollen. Euer pflanzliches Fleisch ist wirklich große Klasse. Wenn ihr mir das heute vorgesetzt hättet, ich wäre genauso zufrieden gewesen. Also nun mal ehrlich. War das jetzt Veggi oder Hammel?“ Dann ergänzt er, "... und Mila? Die hat das mit dem Anbau eurer neuen Produkte in den Anden doch sicher gewusst, und mir nichts gesagt?"

      Ana Théla ist brottrocken, als sie sagt, "Opa, in Wirklichkeit haben wir Hundefutter genommen. Chénoa hat gesagt, sie würzt das so ab, dass selbst du keinen Unterschied merkst. Ein kleiner Test deiner Geschmacksnerven. Im Vertrauen. Das war erstklassiges Fleisch, aber es war eben nur Hundefutter. Jetzt darf ich dir das sagen."

      Leon schaut irritiert, aber bevor er böse wird, verzieht er das Gesicht zu einem Grinsen, und er haut Ana Théla leicht in die Seite.

      Ana Théla lacht. “War wirklich Hammel. Chénoa hat’s vom Türken in Berlin. Wir haben einen kurzen Umweg gemacht, um Katharina Hallo zu sagen. Chénoa meint, deine Kathy sollte aus erster Hand erfahren, dass ich einen Anschlag auf dich vorhabe.“

      Chénoa ergänzt, "Papa, entschuldige. Mama und die Kinder von Nakoma waren in der Entzifferung der Tontafeln federführend. Es war meine Entscheidung, das Forschungsprojekt Veggi-Fleisch unter Verschluss zu halten, und ich habe dabei die Unterstützung des Ministerpräsidenten gehabt. Gottlob muss der ja nicht aus wahltaktischen Gründen jeden vermeintlichen Erfolg seiner Landespolitik an die große Glocke hängen. Wir wollten mögliche Nachahmer an der illegalen Rodung und dem illegalen Anbau hindern. Unser Veggi-Rezept wird vorerst auch ein Geheimnis bleiben. Das gilt natürlich nur für unsere neuen Pflanzen, aus denen wir unsere Veggi-Linie herstellen, nicht für die verschiedenen alten Sorten von Gemüse, die bereits seit Längerem wieder auf Terrassen kultiviert werden. Das letztere ist allgemein bekannt, und in vielen Forschungsberichten nachzulesen. Du weist das. Terres des Hommes hat an dieser Entwicklung ja einen entscheidenden Anteil, um die kleinbäuerliche Produktion zu stärken. Wir arbeiten mit denen Hand in Hand. Du hast das Projekt seiner Zeit angeregt, aber du hattest dann keine Zeit mehr, um dich mit fachlichen Einzelheiten aufzuhalten. Bei mir ist das anders. Ich bin schließlich seit zehn Jahren für Südamerika zuständig."

      Sie ergänzt: "Was die neuen Pflanzen für unser Veggi-Fleisch angeht, haben die Kooperativen ausschließliche Lieferverträge mit unserer Firma, und das ist auch gut so. Schließlich finanzieren wir dieses Projekt, und wir garantieren den Kleinbauern faire Preise, von denen sie ihre Familien ernähren können. Natürlich ist es so, dass sich die Sache in Südamerika in einigen Fachkreisen bereits herumgesprochen hat, und die Regierung hat Anträge von vielen Firmen, sich an diesen neuen Terrassenanbauten zu beteiligen. Industriell ist dieser Anbau aber nicht zu bewerkstelligen. Das hat aus unserer Sicht Vorteile, weil es Investoren abschreckt, die nur den schnellen Profit im Auge haben. Wir haben auch einen eindeutigen Vorsprung im Know How, der soviel Abstand schafft, dass uns etwaige Konkurrenten nicht gefährlich werden können. Naja. Noch nicht. Übrigens: auch Katharina hat Bescheid gewusst. Sie ist da schließlich für den Haushalt der Stiftung verantwortlich, und sie hat immer wieder Forschungsgelder bewilligt."

      Erinnern wir uns: Katharina ist nicht nur die "Frau" von Leon in Berlin, sondern auch eine der Aufsichtsratsmitglieder und Direktoren der Stiftung Kultur & Kommunikation, die wiederum die Eigentümerin von Mac Best Food und von anderen Unternehmungen ist. Dann gibt es noch seine "zweite Frau" Mila in Peru, von der Chénoa Maria abstammt. Ethisch mag das vielleicht bedenklich sein, aber sowas wird immer wieder praktiziert, und auf dem Papier ist Leon sowieso nicht den beiden Frauen verheiratet, auch wenn er alle seine unehelichen Kinder adoptiert hat.

      Er macht eine Handbewegung, „ich bin ganz Ohr.“

      Ana Théla mischt sich wieder ein, „also. Ich habe jetzt mein Abitur. Jetzt sind Sommerferien und ich will in Deutschland anfangen Chemie, Biologie und Botanik zu studieren, und als Nebenfächer auch Bakteriologie und Virologie belegen. Zuerst mal hier und nach dem Vorexamen in Cambridge/England. Chénoa hat mir geraten, mich bei euch ein wenig einzunisten und ein Dreimonats-Praktikum zu machen. Das macht sich für die Aufnahme gut. Sie meint, euer Chefchemiker könne mir ein wenig unter die Arme greifen, auch wenn die Nahrungsmittelchemie nur ein Teilgebiet meines Interesses ist. Ich kenn' ihn ja schon eine ganze Weile. Ist ein guter Mann.“

      „Da hast du ja ein gewaltiges Pensum vor." Leon legt den Kopf schief und sinniert. "Ich bin mir sicher, du wirst das schaffen. Also, unter die Arme? Soso.“

      „Papa“, meint Chénoa. „Du weist schon, dass das nicht wörtlich zu verstehen ist. Daniel sollte sich hüten. Da verstehe ich keinen Spaß. Katharina meint übrigens, dass sie Ana Théla mein Zimmer gibt. Wenn sie hier ihr Praktikum macht, kann sie die Wochenenden nach Berlin springen und ein bisschen von unserem Musikzentrum erleben. Also. Kann sie hier wohnen und bei Daniel ein Praktikum machen?“

      Leon kennt die Fähigkeiten von Ana Théla. Sie ist von seinem Adoptivsohn längst in all diesen Kräutern und Tinkturen unterrichtet worden, die Nakoma da immer aus dem Urwald holt, um seine Medizin zu mischen, die er für seine Heilpraktikertätigkeit braucht. Er weiß, dass Ana Théla sehr diszipliniert arbeitet, und ihrem Vater immer eine gute Stütze ist. Sie hat auch schon etliche eigene Projekte angeregt und begleitet, trotz ihres jungen Alters. Was besseres kann ihm nicht passieren. Er kennt den Umfang ihrer Energie, denn er ist über seine Energieströme mit allen Kindern von Nakoma vernetzt, und natürlich auch mit seinen eigenen leiblichen Nachkommen.

      Er nickt. „Klar doch. Chénoa kann das Dan nachher sagen, wenn sie ihn besucht.“ Chénoa schaut ihn fragend an, und Leon meint nur. „Er wartet sicher schon auf dich. Eigentlich habe ich heute noch ein paar Unterlagen zu studieren, aber ich werde mich mit Ana Thèla ein wenig zurückziehen und mir ein bisschen was erzählen lassen. Ihr habt da in den letzten Jahren ein paar Dinge in Gang gesetzt, über die ich nur unzureichend informiert bin.“

      „Du


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