Wissenschaftliches Arbeiten im Wirtschaftsstudium. Beate Gleitsmann

Wissenschaftliches Arbeiten im Wirtschaftsstudium - Beate Gleitsmann


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Methode überhaupt messen kann.

      Die drei technischen Ansprüche bedingen sich gegenseitig. Ohne Objektivität gibt es keine Reliabilität und ohne Reliabilität kann es keine Validität geben.

      Die vier Freunde lehnten sich entspannt zurück und dachten eine Weile nach. Schließlich unterbrach David die Stille: „Die technischen Ansprüche an die Wissenschaftlichkeit habe ich jetzt verstanden, aber ich habe die Sorge, dass ich das alles während des Schreibens meiner eigenen Arbeit wieder vergesse.“ „Geht mir auch so“, meinte Annkathrin. „In unserem Kurs wurde dazu eine Checkliste aus einem Buch empfohlen – die habe ich mal für uns alle kopiert.“ Sie gab jedem ein Blatt. David guckte darauf und meinte: „Super! Solche Checklisten sollten wir zu jedem Thema haben – dann kann nichts schief gehen!“

       Checkliste!

       Technische Ansprüche an die Wissenschaftlichkeit

      Objektivität: Bezieht sich darauf, wer eine wissenschaftliche Arbeit schreibt. Eine Arbeit ist objektiv, wenn keine ungewollten Einflüsse durch involvierte Personen entstehen.

      » Persönliche Empfindungen und Interessen sind in meine Arbeit nicht eingeflossen.

      » Bei der Durchführung und Auswertung meiner Arbeit, habe ich standardisierte Regeln und Kriterien angewendet.

      » Zwischenmenschlicher Kontakt mit den Befragten/Beobachteten wurde bestmöglich vermieden.

      » Bei Interviews und Befragungen habe ich auf Suggestivfragen und persönliche Beeinflussung verzichtet.

      Reliabilität: Bezieht sich darauf, wie eine wissenschaftliche Arbeit durchgeführt wurde. Eine Arbeit ist reliabel, wenn sie bei wiederholter Durchführung unter gleichen Bedingungen gleiche Ergebnisse liefert.

      »Eine umfassende Literaturrecherche habe ich durchgeführt.

      »Alle wesentlichen Aspekte sind in der Arbeit berücksichtigt.

      »Alle Personen erhalten den gleichen Fragebogen.

      »Fragestellungen sind idealerweise standardisiert.

      »Durchführung der Befragung wird exakt beschrieben.

      »Stichprobe wird exakt beschrieben.

      »Bei der Auswertung werden statistische Verfahren angewendet.

      »Ort und Zeitpunkt der Befragung werden bekannt gegeben.

      Validität: Bezieht sich darauf, was untersucht wurde. Eine Vorgehensweise ist valide, wenn sie tatsächlich das behandelt, was behandelt werden muss.

      »Die Begriffe des Themas werden exakt definiert und von ähnlichen Begriffen klar abgegrenzt.

      »Die gewählten Theorien und Aspekte sind zur Beantwortung der Forschungsfrage geeignet.

      »Es werden nur Aspekte dargestellt, die zum Thema bzw. zur Forschungsfrage passen und somit relevant sind.

      »Bei Befragungen ist die Datenerhebung anonym.

      »Bei der Datenerhebung findet eine repräsentative Auswahl statt.

      »Die gewählte Messmethode ist für die Untersuchung eines speziellen Zusammenhanges geeignet.

      „Die formalen Ansprüche beziehen sich auf die wissenschaftliche Sprache und die Zitierweise. Bezüglich der Ausdrucksweise sind wir uns einig, dass wir präzise und eindeutige Formulierungen nutzen, richtig? Ich denke, dass wir alle Rechtschreibung, Grammatik und Interpunktion beherrschen und eine fehlerfreie Arbeit hinkriegen, oder?“, fragte Annkathrin. „Ja, das kriegen wir schon hin, zumal die Arbeit ja auch vor der Abgabe Korrektur gelesen wird. Ich vertraue da voll auf Noras Kenntnisse. Aber das mit der Wissenschaftssprache macht mir etwas Sorgen“, antwortete David. „Wieso, ist doch easy. Du überlegst bei jeder Formulierung, ob du präzise und eindeutig formulierst und auf jegliche Metaphern etc. verzichtest“, meinte Nora. „Wir haben so etwas doch schon im Deutschunterricht in der Schule gehabt. Aber wenn ihr wollt, erzähle ich euch an einem anderen Freitag noch, was in meinem Buch dazu steht und was wir im Begleitseminar haben – das Thema soll wohl relativ früh zur Sprache kommen, wenn ich mir die Seminargliederung so angucke. Das müsste noch vor der Themenvergabe klappen.“

      „Und einen Abend zu den Zitierregeln machen wir auch noch. Die haben wir zwar im Kurs ausführlich gehabt, aber das ist ein Wust von Detailregeln. Da bin ich froh, wenn jemand von euch das übernimmt“, meinte Annkathrin. „Gut, das können wir ja dann noch entscheiden.“

      „Also, ich finde diese ganzen Hinweise zum wissenschaftlichen Arbeiten ziemlich verwirrend“, meinte David. „Unendlich viele Ansprüche, manches wird unterschiedlich gesehen, neue Fremdwörter – derzeit wächst meine Angst vor der neuen Aufgabe eher, als dass ich sicherer werde und weiß, was ich zu tun habe.“ Nora konnte das gut nachvollziehen: „Das ist mir schon mit meinem Buch so gegangen. Und ich habe nur ein Buch zum wissenschaftlichen Arbeiten bisher angelesen, aber es gibt doch so viele. Wie entscheide ich denn, welche Anleitungen wirklich wichtig und für meine Arbeit geeignet sind? Was muss ich unbedingt nachlesen und beherzigen, um eine gute Arbeit schreiben zu können?“

      „Ich verstehe euch“, sagte Annkathrin. „Mir ist das am Anfang des Kurses auch so gegangen. Aber keine Sorge – es wird hinterher besser, wenn man erst einmal den Überblick über den gesamten Prozess hat. Außerdem wurde im Kurs auch einiges genau zu dieser Frage gesagt.“

      „Die wichtigste Anleitung ist zunächst mal die, die der jeweilige Professor oder die Professorin herausgibt. Man findet solche Hinweise meist im Internetangebot zum Fach. Wichtig ist, wirklich die Anleitung zu verwenden, die der Professor herausgibt, bei dem man gerade schreibt. Die, die für die letzte Arbeit bei meinetwegen einer anderen Professorin galt, kann in Einzelbereichen völlig in die Irre führen.“

      Also – ich weiß von einigen Leuten, dass es an ihren Hochschulen anders ist“, sagte Kevin. „Dort gibt es einen Leitfaden für wissenschaftliches Arbeiten und der gilt für alle wissenschaftlichen Arbeiten und für alle Fachbereiche an der Hochschule. Und andere kennen Anleitungen zumindest für ihren eigenen Fachbereich. Das finde ich viel besser.“

      „Einerseits hast du völlig recht. Es ist schon leichter, wenn man die einmal gelernten Regeln immer beibehalten kann. Aber die unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Professoren und Professorinnen beziehen sich letztlich nur auf die Formalien, wie Fußnoten, Literaturverzeichnisse etc. Das Wichtigste, die grundlegende Technik des wissenschaftlichen Arbeitens, bleibt immer gleich. Es gelten auch die gleichen Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit – egal bei wem und wo du schreibst“, entgegnete Annkathrin. „Außerdem bezweifele ich, nach dem, was ich gehört habe, dass diese Einheitlichkeit der Anleitungen wirklich stimmt. Zumindest sind die Regeln beispielsweise bei Naturwissenschaftlern, Psychologen und Medizinern deutlich anders als in den Wirtschaftswissenschaften – was sich übrigens auch auswirkt, wenn wir eine Arbeit in den Überschneidungsgebieten wie Wirtschaftspsychologie oder Gesundheitsökonomie schreiben.“

      „Aber wieso sind gerade formale Anforderungen überall anders?“, fragte Kevin. „Gibt es denn keine allgemeingültigen Regeln?“ „Leider nein“, erwiderte Annkathrin. „Vielfach sind diese Regeln über viele Semester ‚historisch gewachsen‘ und einfach Gewohnheiten, die sich für die jeweiligen Lehrenden als sinnvoll herausgestellt haben. Manches darin ist einfach Geschmackssache, nicht ‚richtig‘ oder ‚falsch‘. Übrigens – wenn wir mal irgendwann entscheiden, in der Wissenschaft bleiben zu wollen, wird das eine ständige


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