Rechtsmedizin. Ingo Wirth
ärztliche Behandlungsfehler zum Gegenstand haben.“
Nimmt der Staatsanwalt an der Leichenöffnung teil, muss er während des ganzen Vorgangs anwesend sein und die Untersuchung leiten. Er hat, soweit ihm das als Laie möglich ist, zu prüfen, ob die von den Sachverständigen festgestellten Befundtatsachen mit seinen Beobachtungen übereinstimmen. Ebenso obliegt es dem Staatsanwalt, beweissichernde Maßnahmen zu veranlassen (Nr. 35 RiStBV). Er kann auch weitere Sachverständige hinzuziehen, beispielsweise beim Verdacht eines Stromtodes einen Sachverständigen für Elektrotechnik (Nr. 36 II RiStBV).
Die Anwesenheit von Ermittlungsbeamten bei der Leichenöffnung kann zweckmäßig, oft sogar notwendig sein.
Nach § 87 III StPO ist zur Besichtigung oder Öffnung einer beerdigten Leiche ihre Ausgrabung (Exhumierung, Enterdigung) statthaft. Angeordnet werden muss die Exhumierung von dem mit der Sache befassten oder nach § 162 StPO zuständigen Richter. Der Staatsanwalt ist zur Anordnung befugt, wenn durch eine Verzögerung der Untersuchungserfolg gefährdet würde. Zur Exhumierung heißt es unter Nr. 34 RiStBV: „Bei der Ausgrabung einer Leiche sollte einer der Obduzenten anwesend sein. Liegt der Verdacht einer Vergiftung vor, so ist das Mittelstück der Bodenfläche des Sarges herauszunehmen und aufzubewahren; von dem Erdboden, auf dem der Sarg stand, und von dem gewachsenen Boden der Seitenwände des Grabes sind zur chemischen Untersuchung und zum Vergleich Proben zu entnehmen. In solchen Fällen empfiehlt es sich, zur Ausgrabung und zur Sektion der Leiche den chemischen Sachverständigen eines Untersuchungsinstitutes beizuziehen, damit er die Aufnahme von Erde, Sargschmuck, Sargteilen, Kleiderstücken und Leichenteilen selbst vornehmen kann.“
Die Strafprozessordnung enthält keinerlei Bestimmungen über die Voraussetzungen sowie über die Art und Weise einer Leichenausgrabung. Daher wurden von den einzelnen Bundesländern in Gesetzen und Verordnungen über das Leichenwesen einige Vorschriften für die Exhumierung aufgenommen. Die landesrechtlichen Regelungen richten sich vorrangig auf gesundheitspolizeiliche Erfordernisse und können auf strafprozessual begründete Exhumierungen nicht angewandt werden. Insbesondere darf die Ausführung der gerichtlichen Anordnung niemals von der Zustimmung einer Verwaltungsbehörde abhängig gemacht werden.
Vorwiegend wird eine Leiche exhumiert, wenn sich nach der Beerdigung Zweifel ergeben, dass der Tod aus natürlicher Ursache eingetreten ist. Diese Zweifel können entweder durch Gerüchte oder durch eine förmliche Anzeige entstehen. Damit ergibt sich nachträglich eine Leichensache gemäß § 159 I StPO. Ebenso ist es möglich, dass später geführte Ermittlungen Anhaltspunkte für ein Verschulden Dritter erbringen oder ein Geständnis des Täters eine Exhumierung notwendig macht. Schließlich können Zweifel an der Identität des Bestatteten zu einer Exhumierung führen, sodass daraus gleichfalls eine Leichensache nach § 159 I StPO wird.
Die Benachrichtigung von Angehörigen des Toten ist zulässig, hat aber zu unterbleiben, wenn dadurch der Untersuchungszweck gefährdet würde.
In § 88 StPO wird gefordert, die Identifizierung eines Toten möglichst vor der Leichenöffnung vorzunehmen. Die Feststellung der Identität ist aber auch erforderlich, wenn keine Leichenöffnung stattfindet. Selbstverständlich sollten unbekannte Tote stets obduziert werden (Näheres siehe Kapitel X, Nummer 1.1).
Der § 89 StPO regelt den Umfang der Leichenöffnung. Soweit der Zustand der Leiche es gestattet, müssen bei der Obduktion die Kopf-, Brust- und Bauchhöhle geöffnet werden. Die Öffnung aller drei großen Körperhöhlen hat selbst dann zu erfolgen, wenn nach Öffnung einer Höhle die Todesursache erkennbar ist. Zu einer ordnungsgemäßen Obduktion gehört auch die sorgfältige äußere Untersuchung des Leichnams mit Feststellung der sicheren Zeichen des Todes. Äußere und innere Leichenschau sind unverzichtbar, da die gerichtliche Leichenöffnung nicht nur der Feststellung der Todesursache dient, sondern bei der gutachtlichen Würdigung des Todesfalles alle Verletzungen und vorbestehenden krankhaften Organveränderungen berücksichtigt werden müssen. Aus diesem Grund ist aus rechtsmedizinischer Sicht eine Teilsektion abzulehnen.
Für die Durchführung der gerichtsärztlichen Leichenöffnung gibt es keine allgemein verbindliche Technik. Dennoch hat sich ein bestimmtes Grundschema bewährt, das je nach Sachlage um spezielle Sektionstechniken ergänzt wird. So erfolgt beispielsweise bei Todesfällen durch Strangulation die Sektion der Halsregion in sog. künstlicher Blutleere. Durch ein entsprechendes Vorgehen bei der Öffnung der Körperhöhlen werden zunächst die Blutgefäße des Halses entleert, bevor man mit der schichtweisen Präparation der Halsweichteile beginnt. Es muss durch die praktizierte Sektionsmethode stets gewährleistet sein, dass kein Befund übersehen oder gar zerstört wird.
Zur Vorgehensweise bei der Sektion und für die Protokollierung der erhobenen Befunde hat die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin umfangreiche Leitlinien unter dem Titel „Die rechtsmedizinische Leichenöffnung“ ausgearbeitet.[1]
Selbstverständlich ist während der Leichenöffnung von allen Beteiligten und anderen Anwesenden die gebotene Ehrfurcht vor dem Toten zu wahren. Das bedeutet auch, den obduzierten Leichnam sorgfältig wieder herzurichten. Die Belange der Pietät gelten gleichermaßen für Transport und Lagerung des Verstorbenen.
Gelegentlich wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft die gerichtliche Leichenöffnung einer bereits andernorts obduzierten Leiche angeordnet. Eine solche Nachsektion soll die formalen Erfordernisse der Strafprozessordnung erfüllen. Trotz ihres oft verminderten Aussagewertes kann die Nachsektion zusammen mit den Ergebnissen der zuerst vorgenommenen Obduktion zu einer verfahrensgerechten Einführung der Befunde führen.
Für die beiden Spezialfälle der Leichenöffnung von Neugeborenen (§ 90 StPO) sowie bei Verdacht einer Vergiftung (§ 91 StPO) sind in der Strafprozessordnung selbstständige, von § 87 II StPO abgetrennte Regelungen enthalten.
Im Anschluss an die gerichtliche Leichenöffnung erteilt oder besorgt der Staatsanwalt die schriftliche Genehmigung zur Bestattung (§ 159 II StPO). Spätestens bei der Freigabe der Leiche zur Bestattung hat der Staatsanwalt regelmäßig dafür zu sorgen, dass ein Totensorgeberechtigter auf die Möglichkeit einer Nachbestattung entnommener Körpermaterialien hingewiesen wird (Nr. 35 III RiStBV).
Die rechtsmedizinischen Obduktionsprotokolle weichen kaum voneinander ab und sind an folgender Gliederung orientiert:
A. | Äußere Besichtigung Geschlecht, Alter, Größe, Gewicht und Körperbau Bekleidung Sichere Zeichen des Todes Kopf Hals Brust Bauch Äußere Geschlechtsorgane Obere und untere Gliedmaßen Rücken und After |
B. | Innere Besichtigung (Beschreibung der Körperhöhlen und der einzelnen Organe nach Farbe, Größe, Gewicht, Gestalt, Konsistenz und Blutgehalt sowie Feststellung von krankhaften Veränderungen und von Verletzungen) Kopfhöhle Hals Brusthöhle Bauchhöhle Skelettsystem |
C. |
Vorläufiges Gutachten
I.
Sektionsergebnis
(zusammengefasste Obduktionsbefunde)
II.
Todesursache
III.
Beurteilung der Todesart
IV.
Vorgeschichte
(meist aus der Akte; bei Kapitalsachen eigene Wahrnehmungen des Obduzenten vom Tat- oder Fundort und mündlich mitgeteilte, erste Ermittlungsergebnisse)
V.
Gutachtliche Beurteilung des Todesfalles
(insbesondere zur Fremdeinwirkung, zum Geschehensablauf bzw. Tathergang, zur Todeszeit und zum Kausalzusammenhang)
VI.
Asservate
VII.
Hinweise auf mögliche Zusatzuntersuchungen
(histologische, toxikologisch-chemische, bakteriologische, virologische, spurenkundliche Untersuchungen)
VIII.
Vorbehalt
(Da |