Baurecht Baden-Württemberg. Christoph Wassermann

Baurecht Baden-Württemberg - Christoph Wassermann


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der Bebauungsplan durch einen unzuständigen Verwaltungsträger erlassen, so ist dieser nichtig. Heilungsvorschriften sind nicht einschlägig: Eine Heilung nach §§ 214, 215 BauGB kommt nicht in Betracht, da es sich zum einen um eine Zuständigkeits- und nicht um eine Verfahrens- oder Formregelung und zum zweiten nicht um eine Vorschrift nach dem BauGB (vgl. den Wortlaut des § 214 Abs. 1 BauGB: „nach diesem Gesetzbuch“) handelt. Auch eine Heilung nach § 4 Abs. 4 S. 1 GemO scheidet aus, da es sich wiederum nicht um eine Verfahrens- oder Formschrift handelt. Fehlerfolgen:[9] Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsvorschriften führt daher zur Nichtigkeit des Plans.

      Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes läuft wie folgt ab:

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      Lesen Sie § 1 DVOGemO, der die Formen der öffentlichen Bekanntmachung regelt.

      Das Verfahren beginnt mit dem Beschluss des Gemeinderates einen Bebauungsplan aufzustellen (Planaufstellungsbeschluss). Aus Gründen der rechtsstaatlichen Bestimmtheit ist der Planbereich zu benennen.[10] Da der Inhalt des Bebauungsplanes erst nach Durchführung des dem Planaufstellungsbeschluss nachfolgenden Planungsverfahrens festgelegt ist, muss der Planaufstellungsbeschluss keine Aussagen über den zukünftigen Inhalt enthalten.[11] Dieser Beschluss ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB ortsüblich bekannt zu machen.

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      Fehlerfolgen: Das BauGB beschränkt sich darauf, den Planaufstellungsbeschluss nur zu erwähnen (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB) oder Folgemaßnahmen von ihm abhängig zu machen. Derartige Folgemaßnahmen sind z.B. die Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB oder eine Zurückstellung von Baugesuchen gemäß § 15 BauGB (s.u. Rn. 241 ff.). Ein Beschluss vor der Auslegung nach § 3 BauGB wird vom BauGB nicht gefordert. Das Fehlen eines Planaufstellungsbeschlusses stellt daher keine Wirksamkeitsvoraussetzung dar.[12] Im Übrigen ist ein Verfahrensverstoß unbeachtlich, da in § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB der Planaufstellungsbeschluss nicht genannt ist.

      Hinweis

      Für den Bürger löst der Planaufstellungsbeschluss keine Wirkungen aus. An ihn können die o.g. Folgemaßnahmen geknüpft werden.

      Beachten Sie, dass im Rahmen der Prüfung dieser Folgemaßnahmen – im Gegensatz zur obigen Darstellung – ein rechtmäßiger Planaufstellungsbeschluss erforderlich ist.

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      Sofern die Gemeinde den Bebauungsplan im regulären Verfahren nach §§ 2 ff. BauGB aufstellt, muss sie gemäß § 2 Abs. 4 BauGB eine Umweltprüfung[13] durchführen. § 2 Abs. 4 BauGB konkretisiert die Belange der Verfahrensgrundnorm (§ 2 Abs. 3 BauGB).[14] Es sollen die gemäß §§ 1 Abs. 6 Nr. 7, 1a BauGB voraussichtlich erheblich Umweltauswirkungen ermittelt, beschrieben und bewertet werden, § 2 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 BauGB. In die Planung ist einzustellen, was nach Lage der Dinge bedeutsam ist.[15] Was einzustellen ist, liegt im Ermessen der Gemeinde, denn gemäß § 2 Abs. 4 S. 2 BauGB legt die Gemeinde für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung für eine ordnungsgemäße Abwägung erforderlich ist (Scoping). § 2 Abs. 4 S. 3 BauGB legt hierfür den Maßstab fest. Die Umweltprüfung bezieht sich hiernach auf das, was nach gegenwärtigem Stand der Wissenschaft und anhand anerkannter Prüfungsmethoden angemessener Weise verlangt werden kann.

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      Gemäß §§ 2 Abs. 4 S. 1 BauGB sind die Ergebnisse der Umweltprüfung in einem Umweltbericht zu dokumentieren. Bei diesem Umweltbericht handelt es sich gemäß § 2a S. 3 BauGB um einen gesonderten Teil der Begründung des Bauleitplans.

      Hinweis

      Erlässt die Gemeinde den Bebauungsplan im vereinfachten oder im beschleunigten Verfahren entfällt die Umweltprüfung (§ 13 Abs. 3 BauGB bzw. § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB).

      § 2 Abs. 4 S. 4 BauGB stellt klar, dass das Ergebnis der Umweltprüfung in der nachfolgenden Abwägung zu berücksichtigen ist. Dies folgt bereits aus dem Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB sowie aus der Verfahrensgrundnorm des § 2 Abs. 3 BauGB.[16] Verstößt die Gemeinde gegen § 2 Abs. 4 BauGB, ist dies zugleich ein Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB (s. Übungsfall 1).

      Beispiel

      Beim Scoping verkennt die Gemeinde A, dass für die beabsichtigte Planung eine umfangreiche Ermittlung der umweltbezogenen Auswirkungen auf Mensch und seine Gesundheit sowie auf die Bevölkerung insgesamt notwendig ist (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. c BauGB).

      Die Gemeine A hat die Erforderlichkeit, in welchem Umfang und Detailierungsgrad dieser Belang des Umweltschutzes zu ermitteln ist, nicht zutreffend festgelegt. Sie verstößt daher sowohl gegen § 2 Abs. 4 S. 2 wie auch gegen § 2 Abs. 3 BauGB.

      Fehlerfolgen: Da die Gemeinde im Falle eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 4 BauGB auch § 2 Abs. 3 BauGB verletzt, besteht die Rechtsfolge eines Verstoßes in der Beachtlichkeit gemäß § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB. Es kann jedoch eine Heilung nach § 215 Abs. 1 Nr. 1 und § 214 Abs. 4 BauGB erfolgen.

      Fehlt die Umweltprüfung oder der Umweltbericht ganz, so liegt ein nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Hs. 1 und Nr. 3 Hs. 3 BauGB beachtlicher Verstoß vor.[17] Verletzt werden sowohl die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB als auch diejenigen über die Begründung der Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach §§ 2a, 3 Abs. 2 und 9 Abs. 8 BauGB.[18] Unbeachtlich ist gemäß § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 letzter HS BauGB eine Verletzung von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht, wenn die Begründung nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist.

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      Das Verfahren der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung ist zweistufig ausgestaltet. Auf der ersten Stufe steht die frühzeitige, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 BauGB, und auf der zweiten Stufe die formelle Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 BauGB.

      aa) Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung, § 3 Abs. 1 S. 1 BauGB

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      Die Öffentlichkeit ist gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 BauGB grundsätzlich[19] möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung und deren voraussichtliche Auswirkungen öffentlich zu unterrichten. Die allgemeinen Ziele und Zwecke müssen bereits so weit entwickelt sein, dass sie einen gewissen Reifegrad besitzen (Vorstellungsreife).[20]

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      Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung verfolgt mehrere Zwecke:[21] Primär dient sie, vgl. § 4a Abs. 1 BauGB, der vollständigen Ermittlung und der zutreffenden Bewertung der von der Planung berührten Belange. Die Gemeinde beschafft und vervollständigt das notwendige Abwägungsmaterial.[22] Sie erhält Kenntnis von den Wünschen und Befürchtungen der betroffenen Bürger. Weiterhin werden die Bürger aktiv in den Prozess der Vorbereitung politischer (Planungs-)Entscheidungen


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