Baurecht Baden-Württemberg. Christoph Wassermann

Baurecht Baden-Württemberg - Christoph Wassermann


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target="_blank" rel="nofollow" href="#u5cc23a5f-24b5-4765-80a9-9513b7ea6a00">Rn. 93).

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      § 2 Abs. 2 BauGB normiert, dass Bauleitpläne, also auch Bebauungspläne, benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen sind (interkommunales Rücksichtnahmegebot). Das interkommunale Rücksichtnahmegebot wird relevant, wenn erkennbar wird, dass durch eine Bauleitplanung auch berechtigte und relevante Interessen der Nachbargemeinden betroffen sein können.[140] Es begründet zugunsten benachbarter Gemeinden einen Anspruch auf materielle Abstimmung, der auf Rücksichtnahme und Vermeidung unzumutbarer Auswirkungen auf die Nachbargemeinde gerichtet ist.[141] Die Grundlage des interkommunalen Rücksichtnahmegebots ist die Planungshoheit der benachbarten Gemeinde gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Hiernach braucht keine Gemeinde hinzunehmen, dass ihre Planungshoheit durch fremde Planungen rechtswidrig verletzt wird.[142] Benachbarte Gemeinden stehen sich mit ihrer Planungsbefugnis im Verhältnis der Gleichordnung gegenüber.[143]

      Hinweis

      Benachbart ist eine Gemeinde bereits dann, wenn sie von den Auswirkungen der jeweiligen Planung betroffen ist. Ein unmittelbares räumliches Aneinandergrenzen ist daher also nicht erforderlich.[144] Dies stellt jedoch ein wichtiges Indiz dar.[145] Je nach der Bedeutung der Planung kann sich die Abstimmungspflicht auch auf Gemeinden erstrecken, die räumlich weit von der planenden Gemeinde entfernt sind.

      Formell wird das interkommunale Rücksichtnahmegebot durch die Behördenbeteiligung gemäß § 4 BauGB (s.o. Rn. 127) abgesichert.

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      Wegen des interkommunalen Rücksichtnahmegebots sind alle Belange zu berücksichtigen, die grenzüberschreitende Auswirkungen haben. Nicht erforderlich ist, dass bereits ein entgegenstehender Bebauungsplan durch die Nachbargemeinde erlassen worden ist oder dass diese Planungsabsichten hinreichend konkretisiert worden sind.[146] § 2 Abs. 2 BauGB ist erweiternd dahin ausgelegt werden, dass es einer (materiellen) Abstimmung – unabhängig davon, ob in der Nachbargemeinde bereits Bauleitpläne oder bestimmte planerische Vorstellungen bestehen - immer dann bedarf, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art in Betracht kommen.[147]

      Beispiel

      Das interkommunale Rücksichtnahmegebot ist verletzt, wenn die Gemeinde unmittelbar an der Grenze in der Nachbarschaft eines Wohngebietes einen Schlachthof[148] oder eine Windkraftanlage[149] plant.

      Ein Einvernehmen mit anderen Gemeinden ist nicht erforderlich. Vielmehr sollen die berechtigten Interessen der Nachbargemeinde zu einer Abstimmung führen. Die Berücksichtigung beachtlicher Interessen der Nachbargemeinde hat dabei im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB zu erfolgen.[150]

      JURIQ-Klausurtipp

      Das interkommunale Rücksichtnahmegebot gemäß § 2 Abs. 2 BauGB ist inhaltlich mit der Abwägungsentscheidung verknüpft: Es stellt eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots dar.[151] In der Fallbearbeitung ist, sofern beachtliche Auswirkungen auf die Bauleitplanung auf das Gebiet einer Nachbargemeinde gegeben sind, diese im Rahmen der Abwägung § 1 Abs. 7 BauGB anzusprechen.

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      Durch das EAG Bau 2004 wurde § 2 Abs. 2 BauGB um einen Satz 2 ergänzt. Hiernach können sich die Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbetriebe berufen. Dies ist insbesondere bei der Ansiedlung von Factory-Outlet-Centern,[152] die in den umliegenden Gemeinden zu einem nennenswerten Abzug der Kaufkraft führen, von Bedeutung. Ein Abstimmungsbedarf wird bereits ab einem Umsatzrückgang von 10 % angenommen,[153] wobei es sich um eine bloße Faustformel handelt.[154]

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      Der Gemeinde kommt aufgrund ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Selbstverwaltungsgarantie in Form der Planungshoheit (s.o. Rn. 23) ein Planungsermessen (s.o. Rn. 147 ff.) zu. Dies bedeutet, dass die Gemeinde grundsätzlich das Recht hat zu entscheiden, ob und mit welchem Inhalt sie einen Bebauungsplan aufstellt. Die Planungshoheit enthält vor allem Gestaltungsfreiheit. Bedingt dadurch können planerische Festsetzungen im Bebauungsplan nur eingeschränkt gerichtlich überprüft werden. Die gerichtliche Kontrolle ist auf die Einhaltung der Grenzen des bestehenden Gestaltungsspielraumes oder darauf beschränkt, ob von der Gestaltungsfreiheit in einer Weise Gebrauch gemacht worden ist, die der gesetzlichen Ermächtigung entspricht. Diese gesetzlichen Grenzen ergeben sich insbesondere aus §§ 1 Abs. 5–7, 1a BauGB.

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      § 1 Abs. 5 BauGB enthält insgesamt fünf allgemeine Planungsleitlinien.[155] Hiernach sollen die Bauleitpläne

eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung gewährleisten
eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten
dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern
dazu beitragen, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz
dazu beitragen, die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln.

      Die allgemeinen Planungsleitlinien stellen die grundsätzlichen Anforderungen dar, die jede Bauleitplanung aufweisen muss. Sie sind Generalklauseln, die Programmbegriffe mit einem nur schwer zu bestimmenden Wertungsinhalt beinhalten.[156] Es handelt sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die nach h.M. einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen.

      JURIQ-Klausurtipp

      Wegen dieses Charakters kommt den allgemeinen Planungsleitlinien gemäß § 1 Abs. 5 BauGB nur ausnahmsweise eine Bedeutung für die Kontrolle eines Bebauungsplanes zu. Vorrangig sind die besonderen Planungsleitlinien gemäß § 1 Abs. 6 BauGB, die die allgemeinen Planungsleitlinien konkretisieren, von Bedeutung.

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      In § 1 Abs. 6 BauGB, den besonderen Planungsleitlinien,[157] erfolgt eine Konkretisierung der allgemeinen Planungsleitlinien des § 1 Abs. 5 BauGB. Wie aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 6 BauGB („insbesondere“) folgt, enthält der dort aufgeführte Katalog eine beispielhafte


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