Baurecht Baden-Württemberg. Christoph Wassermann

Baurecht Baden-Württemberg - Christoph Wassermann


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      Verboten ist ferner die Förderung von Zielen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind und die keine positive Planungskonzeption aufweisen.[119] Verwehrt ist es der Gemeinde z.B. unter dem Deckmantel des Städtebaurechtes Denkmalschutz zu betreiben. Bauplanerische Festsetzsetzungen, die nur vorgeschoben sind, in Wirklichkeit jedoch dem Denkmalschutz dienen, sind rechtswidrig.[120]

      JURIQ-Klausurtipp

      Klausurrelevanz erlangt dieser Aspekt dadurch, dass ein Bebauungsplan, der auf die Erhaltung eines historisch gewachsenen – denkmalgeschützten oder (einfach) erhaltenswerten – Ortsteils gerichtet ist, den Rahmen der städtebaulichen Zielsetzungen i.S.d. § 1 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 6 BauGB nicht überschreitet, wenn er darauf abzielt, die überkommene Nutzungsstruktur oder prägende Bestandteile des Orts- und Straßenbildes um ihrer städtebaulichen Qualität willen für die Zukunft festzuschreiben.[121]

      In einer Klausur ist daher besonders sorgfältig zu prüfen, ob nur ein verkappter Denkmalschutz in unzulässiger Weise durch das Bauplanungsrecht erfolgen soll.

      Beispiel

      Die Verfolgung rein wirtschaftlicher Ziele oder die Verfolgung von denkmalschutzrechtlichen Zielen unter dem „Deckmantel“ des Bauplanungsrechts ist unzulässig.

      ff) Rechtsfolge eines nicht erforderlichen Bebauungsplans

      178

      Ist ein Bebauungsplan nicht erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB ist er nichtig.[122]

      Ein planergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB kommt zwar grundsätzlich in Betracht, sofern die fehlende Erforderlichkeit behoben werden kann; dies wird jedoch nur theoretisch der Fall sein.

      179

      Der gemeindliche Entscheidungsspielraum kann sich ausnahmsweise zu einer Planungspflicht verdichten. Hinsichtlich der Gebotswirkung des § 1 Abs. 3 BauGB können nicht die Voraussetzungen der Verbotswirkung der Norm herangezogen werden.[123] Durch die Gebotswirkung des § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB soll dem gemeindlichen Planungsspielraum bereits im Vorfeld vor dessen Betätigung eine Grenze gezogen werden, denn ansonsten könnte eine (evtl. bewusst) planungslose Gemeinde niemals zum Erlass eines Bebauungsplanes verpflichtet werden.[124] Ferner soll eine Steuerung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung nicht nur durch die Planersatzvorschriften (§§ 34, 35 BauGB) erfolgen. Da der Gemeinde die durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG abgesicherte Planungshoheit zukommt, besteht eine derartige Planungspflicht jedoch nur in Extremfällen.[125] Im Gegensatz zur Verbotswirkung des § 1 Abs. 3 BauGB reicht es gerade nicht aus, dass eine Planung vernünftigerweise geboten ist. Die Planungspflicht besteht vielmehr nur bei Vorliegen eines qualifizierten Planungsbedarfs.[126]

      Ein qualifizierter Planungsbedarf besteht, wenn städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht ein planerisches Handeln dringend geboten erscheinen lassen.[127]

      180

      Wiederholen Sie die sog. Schutznormtheorie.

      Dem Bürger steht kein Planungsanspruch, d.h. ein Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans, zu.[128] Dies folgt aus § 1 Abs. 3 BauGB. Diese Vorschrift will ausschließlich die städtebauliche Entwicklung und Ordnung als reine Allgemeininteressen gewährleisten. § 1 Abs. 3 BauGB dient daher nicht dem Schutz von Individualinteressen (zur Schutznormtheorie s.u. Rn. 634). Insbesondere kann sich ein Anspruch auf Bauleitplanung auch nicht durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag begründen lassen (§ 1 Abs. 3 S. 2 BauGB).

      Erzwingbar ist die Aufstellung eines erforderlichen Bebauungsplanes nur im Wege der Rechtsaufsicht gemäß §§ 118 ff. GemO.[129] Unterlässt es die Gemeinde einen erforderlichen Bebauungsplan aufzustellen, so hat die Rechtsaufsichtsbehörde, § 119 GemO, ein Anordnungsrecht gemäß § 122 GemO.

      Hinweis

      Auch auf das Einschreiten der Rechtsaufsichtsbehörde hat der Bürger keinen Anspruch. Die Rechtsaufsicht dient der Sicherung der Rechtmäßigkeit gemeindlichen Handelns, d.h. dem Rechtsstaatsprinzip. Dies stellt ein Allgemeininteresse dar, so dass kein subjektives-öffentliches Recht begründet wird. Im Rahmen einer Klage fehlt die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO.

      181

      Nach der Rechtsprechung hat der Bürger auch keinen Anspruch auf Schaffung des durch den Bebauungsplan vorgegebenen Zustandes (Plangewährleistungsanspruch).[130]

      182

      Bei der Aufstellung von Bauleitplänen kann sich die Gemeinde nicht auf planerisch freiem Feld betätigen, sondern unterliegt tatsächlichen und rechtlichen Bindungen.[131] Hierbei ist zwischen zwingenden gesetzlichen Anforderungen, die der Planungsentscheidung zugrunde zu legen sind, und den Optimierungsgeboten, die vom Bundesverwaltungsgericht als Abwägungsdirektive bezeichnet werden,[132] bei denen nur eine möglichst optimale Lösung anzustreben ist, zu unterscheiden.[133]

      Zwischen den gesetzlichen Schranken und den Optimierungsgeboten bestehen folgende Unterschiede:

      Die zwingenden gesetzlichen Vorgaben sind quasi vor die Klammer gezogen: Sie stehen außerhalb der Abwägung.

      Bei den Optimierungsgeboten soll hingegen im Rahmen der Abwägung eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Lösung gefunden werden. Im Gegensatz zu den gesetzlichen Schranken können Optimierungsgebote auch im Wege der Abwägung überwunden werden, d.h. hinter anderen öffentlichen Belangen zurückgestellt werden.[134]

      183

      Ein Bebauungsplan ist gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB grundsätzlich aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln (Entwicklungsgebot, s. hierzu Rn. 57 ff.). Eine einstufige Bauleitplanung ist nur ausnahmsweise in den gesetzlich geregelten Fällen (selbständige Bebauungspläne, § 8 Abs. 2 S. 2 BauGB, vorzeitige Bebauungspläne, § 8 Abs. 4 BauGB, vorzeitig angezeigte und bekannte gemachte Bebauungspläne, § 8 Abs. 3 BauGB) zulässig (s.o. Rn. 67 f.). Zu beachten ist ferner § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Hiernach kann im beschleunigten Verfahren unter bestimmten Umständen bei einem Bebauungsplan, der von den Darstellungen des Flächennutzungsplans abweicht, dieser vor der Änderung oder Ergänzung des Flächennutzungsplanes aufgestellt werden.

      184

      

      Lesen Sie § 214 Abs. 2 BauGB.

      Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Entwicklungsgebot besteht nicht notwendigerweise in der Unwirksamkeit des Bebauungsplanes. In den Fällen des § 214 Abs. 2 BauGB ist ein Verstoß unbeachtlich.

      185

      Bauleitpläne und somit auch der Bebauungsplan müssen gemäß


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