Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
übergibt, weil er als einem bestimmten Statut zugehörig qualifiziert ist und dieses Statut den bestimmten Systembegriff beherrscht, kann nicht ohne weiteres jede präjudizielle Frage auch nach dieser Rechtsordnung beantwortet werden. Vor allem käme es zu merkwürdigen Ergebnissen, wenn ein in vielen Konstellationen vorgreifliches Rechtsverhältnis immer nach dem Statut der jeweiligen Hauptfrage – mit wechselnden Ergebnissen im selben Fall – beantwortet würde.
Das Bestehen einer Ehe ist vorgreiflich für das Ehewirkungs-, das Ehegüter-, das Unterhalts- und das Erbstatut. Ist zB die materielle Wirksamkeit der Ehe fraglich, so besteht die Gefahr, dass deutsche Gerichte für güterrechtliche Ansprüche von einer wirksamen Ehe, für das Erbrecht aber von einer Nichtehe ausgehen.
IV. Teilfrage
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Gelegentlich wird gegen die Vorfrage und Erstfrage die sog Teilfrage abgegrenzt. Die Figur der Teilfrage bezieht sich auf die Anknüpfung im deutschen IPR, dort aber nicht auf präjudizielle Fragen. Gemeint sind solche Elemente des einheitlichen Lebenssachverhalts, die im IPR aus der Hauptfrage herausgelöst und einem eigenen Statut unterstellt werden. Anders als bei der Vorfrage oder Erstfrage hängt hier die Anknüpfung der Hauptfrage nicht von der Beantwortung der abgespaltenen Teilfrage ab.
Hat ein Deutscher ein Testament in den USA errichtet, später die brasilianische Staatsangehörigkeit erworben und verstirbt mit Wohnsitz in Brasilien, so beurteilt sich die Beerbung (Hauptfrage) nach brasilianischem Recht. Die Formwirksamkeit des Testaments (Teilfrage) bestimmt sich aber nach dem Haager Testamentsformübereinkommen (alternative Anknüpfungen) und die Testierfähigkeit (Teilfrage) nach dem Erbstatut im Zeitpunkt der Testamentserrichtung (Art. 26 Abs. 5 S. 1 aF/Art. 24 Abs. 1 EU-ErbVO).
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Teilfragen können rechtspolitisch problematisch werden, wenn das IPR einen Lebenssachverhalt so zersplittert, dass die Ergebnisse der verschiedenen Teilstatute zueinander inkompatibel sind.
V. Vorfrage und Rechtsfolge
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Nicht mit einer Vorfrage zu verwechseln ist die Folgerung aus einer Vorfrage, die in einer ausländischen lex causae ggf in anderer Weise gezogen wird als im deutschen Recht. Theoretisch liegt der Unterschied zur Vorfrage auf der Hand: Die Folgerung aus einer bestimmten Beantwortung der Vorfrage steht auf der Rechtsfolgenseite der ausländischen Bestimmung. Die Vorfrage gehört zum Tatbestand, ist für diesen präjudiziell. In der praktischen Fallbehandlung sind diese Bereiche schwer abzugrenzen, wenn die ausländische Rechtsordnung einen rechtlich relevanten Vorgang nicht oder nicht mit denselben Folgen anerkennt, wie das deutsche Recht.
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In der dem Spanier-Beschluss des BVerfG vorangehenden, die nun in Art. 13 Abs. 2 Nr 3 geregelte Situation betreffenden Entscheidung formulierte der BGH[1] unzutreffend eine Vorfrage als Rechtsfolgenproblem: Es geht nicht darum, ob das (damals geltende!) spanische Familienrecht einem Spanier die Ehe mit einer geschiedenen Deutschen erlaubte (=Rechtsfolge), sondern um die sich im Rahmen des Ehehindernisses der Bigamie stellende Vorfrage nach der bestehenden Ehe der geschiedenen deutschen Verlobten. Beantwortet man diese Vorfrage in selbständiger Anknüpfung, so hätte die Wertung des spanischen Rechts keine Rolle spielen dürfen. Das BVerfG[2] erkennt zutreffend, dass der sich aus einer äußeren Entscheidungsharmonie (mit dem spanischen Recht die Verlobte als verheiratet zu betrachten…) ergebende innere Widerspruch (…obwohl sie vor deutschen Gerichten geschieden war) die Eheschließungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG) verletzt.
Teil II Allgemeine Lehren des IPR › § 5 Erstfrage, Vorfrage und Substitution › B. Anknüpfung
I. Beantwortung nach der lex fori
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1. Die einfachste Lösung bestünde darin, die Vorfrage ohne Einschaltung eines IPR nach deutschem Recht zu beantworten. Diese Methode hat den offenkundigen Nachteil, dass die Erst- oder Vorfrage nach einer Rechtsordnung behandelt würde, die über diese Frage nicht zu befinden hätte, wenn sie sich isoliert als Hauptfrage stellt. Da anlässlich der Beurteilung als Hauptfrage immer das IPR vorzuschalten ist – das deutsche IPR, wenn man die Frage aus deutscher Sicht, ein ausländisches IPR, wenn man sie aus der Sicht dieser Rechtsordnung behandelt – erscheint die Beantwortung lege fori systematisch falsch.
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2. Dennoch ist in Ausnahmefällen eine andere Lösung nicht praktikabel. Diese Methode muss immer dann in Betracht gezogen werden, wenn ansonsten die Ermittlung der maßgeblichen Rechtsordnung in einen logischen Zirkel gerät, insbesondere wenn ein Anknüpfungsmerkmal für das gesuchte Statut erst nach Ermittlung dieses Statuts feststeht.
Solche Situationen treten vor allem bei der Abstammung auf; eine typische Verwicklung dieser Art schufen Art. 18, 20 EGBGB der Fassung bis 1986; dort war die Anknüpfung der Abstammung von der Ehelichkeit abhängig, obgleich damals die Ehelichkeit im materiellen Recht durch Abstammung von verheirateten Eltern begründet wurde. Da seit 1.7.1998 das deutsche IPR die Abstammung eines Kindes einheitlich dem Aufenthaltsrecht unterstellt (Art. 19 Abs. 1), sind solche Situationen aus deutscher Sicht selten geworden. Durch Verweisung in andere Rechtsordnungen treten sie aber weiter auf: Wird ein Kind, dessen Mutter Italienerin und dessen – vermutlicher – Vater Deutscher ist, mit erstem gewöhnlichen Aufenthalt in Italien geboren, so verweist Art. 19 Abs. 1 für die Abstammung in italienisches IPR (Gesamtverweisung). Dieses knüpft an die Staatsangehörigkeit des Kindes an und verweist damit zurück, falls das Kind ausschließlich Deutscher ist, es nimmt die Verweisung an, wenn das Kind auch Italiener ist. In dieser Lage hängt die Anknüpfung der Abstammung von der Staatsangehörigkeit des Kindes ab, diese aber von der Abstammung, die es gerade anzuknüpfen gilt. Diesem Zirkel entkommt man, indem die Abstammung als Grundlage des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit nach der deutschen lex fori bestimmt wird.
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3. Im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht wird die anknüpfungslose Behandlung von Vorfragen vor allem für den Erwerb der Staatsangehörigkeit aufgrund Adoption vertreten. Wenn § 6 StAG „mit der nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind durch einen Deutschen“ den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verbindet, so muss dies nach dem Wortlaut zwar nicht zwingend bedeuten, dass auf das deutsche materielle Recht abgestellt wird. Dennoch wird sicher eine beliebige nach §§ 2 ff AdWirkG sowie § 108 FamFG anerkannte und damit „nach deutschen Gesetzen wirksame“ Adoption nicht genügen können, um die deutsche Staatsangehörigkeit weiterzugeben. Grund hierfür ist, dass „Adoption“ als nur rechtlich hergestellte Verwandtschaftsbeziehung kein rechtsvergleichend harmonisch ausgefülltes Institut ist wie „Verwandtschaft“. Der Inhalt einer Adoption ergibt sich, auch wenn sie nach §§ 108, 109 FamFG anerkannt wird, aus dem jeweiligen Gesetz, nach dem sie ausgesprochen wurde. Die möglichen Wirkungen reichen von der Volladoption des deutschen Rechts bis hin zu bloßen Namensadoptionen ohne Verwandtschaftsfolgen. Die deutsche Staatsangehörigkeit soll nur eine den deutschen Maßstäben entsprechende volle Adoption vermitteln (vgl zur Substitution Rn 537 ff, 548); hierzu muss die Adoption jedoch nicht notwendig nach deutschem materiellem Recht stattgefunden haben; es genügt auch eine Adoption, deren Wirkungen weitestgehend denen einer deutschen Adoption entsprechen.[3]