Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Stefan Storr
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Zur Eingriffsdogmatik: Ruthig, in: Ruthig/Storr, S. 37 f.
EuGH v. 11.7.1974, Rs. 8/74 – „Dassonville“, Rn 5.
EuGH v. 24.11.1993, Rs. C-267/91 – „Keck“, Rn 16 f.
AA Leible, EuZW 2001, 253, 254; vgl aber Stein, EuZW 1995, 435, 436, der davon ausgeht, dass bei absoluten Werbeverboten grundsätzlich keine Verkaufsmodalität vorliegt.
Vgl für Alkoholwerbung: EuGH v. 8.3.2001 – Rs. C-405/98 – „schwedisches Alkoholwerbeverbot“, Rn 21.
Zur Rechtfertigung: Ruthig, in: Ruthig/Storr, S. 38 f.
EuGH v. 20.2.1979, Rs. 120/78 – „Cassis de Dijon“, Rn 8.
Ruthig, in: Ruthig/Storr, S. 47 f.
EuGH v. 8.3.2001, Rs. C-405/98 – „schwedisches Alkoholwerbeverbot“, Rn 39.
EuGH v. 30.4.1974, Rs. 155/73 – „Sacchi“, Rn 6.
Fall 2 Die Smokers Lounge
Inhaltsverzeichnis
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Die Smoker’s Lounge Ltd. (S) mit Sitz in London betreibt europaweit Gaststätten, die vor allem von Genussrauchern frequentiert werden, die sich ihren Whiskey oder Cognac einfach nicht ohne Pfeife, Zigarre oder Zigarillo vorstellen können. Angesichts des überwältigenden Erfolges dieses Konzeptes will sie auch in der Mainzer Altstadt eine entsprechende Lounge eröffnen. Diese soll durch einen Hinweis an der Tür deutlich als Rauchergaststätte gekennzeichnet und nur für Erwachsene zugänglich sein. Eine Aufteilung des 150 m² großen Schankraumes, eines ehemaligen mittelalterlichen Spitals, in mehrere Gasträume ist aus technischen und denkmalschutzrechtlichen Gründen nicht möglich.
Wie in allen Einrichtungen der S sollen kleine Snacks und alkoholische Getränke aller Art angeboten werden. Der Antrag auf Erteilung der nach Landesrecht erforderlichen gaststättenrechtlichen Erlaubnis wird jedoch von der zuständigen Behörde abgelehnt. Begründet wird die formell ordnungsgemäße Entscheidung damit, dass das Vorhaben der S dem gesetzgeberischen Konzept eines umfassenden Nichtraucherschutzes zuwiderlaufe und daher eine Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG nicht erteilt werden könne. Die nach § 7 Abs. 2 NRSG (Nichtraucherschutzgesetz RP) zulässigen Ausnahmen für kleine Gaststätten und Festzelte sowie abgetrennte Raucherbereiche seien ersichtlich nicht einschlägig, weitere habe der Gesetzgeber bewusst nicht vorgesehen.
S ist entsetzt. Für ihr Geschäftsmodell komme die Regelung des NRSG einem Berufsverbot gleich und verstoße daher sowohl gegen die Berufs- wie die Niederlassungsfreiheit. Dies sei umso bedenklicher, als das Gesetz ja durchaus Ausnahmen vom allgemeinen Rauchverbot zulasse. So dürfe in Festzelten und separaten Nebenräumen schon nach dem Willen des Gesetzgebers und nach der Rechtsprechung auch in kleinen, inhabergeführten Einraumkneipen geraucht werden. Insbesondere in ihren Entscheidungen zur Sportwette hätten sowohl EuGH wie BVerfG immer wieder die Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer kohärenten Ausgestaltung der Verfolgung der Schutzziele angemahnt. Aus genau diesem Grund habe ja auch das BVerfG die meisten Nichtraucherschutzgesetze scheitern lassen. Dass Nichtraucherschutz immer auch Raum für Rückzugsbereiche von Rauchern lassen müsse, zeige sich auch im Ausland. Schließlich habe sie ihr Konzept in fast allen Mitgliedstaaten der EU ohne Probleme umsetzen können. Überhaupt fehle schon die Gesetzgebungskompetenz des Landes für eine solche Regelung. Es gehe in der Sache jedenfalls um Gesundheitsschutz, für den nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG der Bund zuständig sei, welcher in seinem Nichtraucherschutzgesetz das Rauchen in Gaststätten gerade nicht geregelt habe.
In allen 3 Instanzen teilen die Gerichte allerdings die Auffassung der Behörde, § 7 NRSG sei verfassungsgemäß. Auch ein Verstoß gegen Unionsrecht liege offensichtlich nicht vor, so dass das BVerwG auch auf eine Vorlage an den EuGH verzichtete. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Anwendung der Niederlassungsfreiheit schon an den Grundsätzen der Keck-Rechtsprechung scheitere.
Anschließend erhebt S Verfassungsbeschwerde und rügt die Verletzung ihrer Niederlassungs- und Berufsfreiheit sowie des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG). Wie wird das BVerfG entscheiden, das die Verfassungsbeschwerde nach § 93a BVerfGG zur Entscheidung angenommen hat?
Bearbeitervermerk:
Auf die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO ist nicht einzugehen.
Für die Bearbeitung sind nur die im Sachverhalt genannten Bestimmungen des NRSG (Nichtraucherschutzgesetz RP) heranzuziehen.
Fall 2 Die Smokers Lounge › Vorüberlegungen
Vorüberlegungen
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Der Fall behandelt mit dem Nichtraucherschutz in Gaststätten einen Dauerbrenner der verfassungsrechtlichen Diskussion der letzten Jahre. Konkret geht es um das Rauchverbot für die sog. „Erlebnisgastronomie“, bei der der Tabakkonsum untrennbar mit dem Geschäftskonzept verbunden ist, also etwa auch Shisha-Cafés uä[1], die die strengen Anforderungen an Systemgerechtigkeit bzw. Kohärenz einer Regelung, die das BVerfG in seinen ersten, als bekannt vorauszusetzenden Urteilen zum Nichtraucherschutz entwickelt hatte, auf eine Bewährungsprobe stellten. Ausgangspunkt einer Prüfung des Art. 12 GG ist dabei für das BVerfG die Drei-Stufen-Lehre, ohne dass es die genaue Abgrenzung dieser Stufen abschließend geklärt oder auch nur in allen Fällen überhaupt herangezogen hätte. Die Stufenlehre lässt sich am besten als konkretisierende Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips begreifen, deren Raster vom BVerfG auch nicht sklavisch befolgt wird[2]. Sie kann als Argumentationsraster hilfreich sein, muss aber nicht unbedingt Niederschlag im Text finden.
Der Fall führt außerdem an die „Schnittstelle“ von Verfassungs- und Europarecht. Dies beginnt mit der Frage der Grundrechtsberechtigung ausländischer juristischer Personen, die das BVerfG ausdrücklich anerkannt hat[3] und setzt sich fort mit der Anwendung von Deutschengrundrechten auf EU-Ausländer sowie dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG), der auch bei Unterlassen der Vorlage an den EuGH verletzt sein kann. Auch zur Reichweite der Vorlagepflicht gibt es aktuelle Entscheidungen des BVerfG[4]. In diesem Kontext kommt es auch zu einer Prüfung der Grundfreiheiten, obwohl diese nicht (unmittelbarer) Prüfungsgegenstand im verfassungsgerichtlichen Verfahren sein können.