Besonderes Verwaltungsrecht. Mathias Schubert
Aufgabenkategorien zusammengesetzt ist. In Abhängigkeit vom jeweiligen Aufgabenmodell (dazu bereits o. Rn 5) erfolgt in den Ländern, die dem dualistischen Aufgabenmodell[1] folgen, eine Einteilung nach Selbstverwaltungs- (s.u. I.) und Auftragsangelegenheiten (s.u. II.), während es in den Ländern mit monistischem Aufgabenmodell[2] zudem noch die Aufgabenkategorie der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung gibt (s.u. III.).
Wenn man die Besonderheit der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung ausblendet (dazu Rn 208 ff), lassen sich die Aufgaben der Gemeinden im Überblick mit folgendem Schema veranschaulichen:
Übersicht 6:
Der Aufgabenkreis der Gemeinden (im dualistischen Aufgabenmodell):
Teil I Kommunalrecht › § 5 Der Aufgabenkreis der Gemeinden › I. Selbstverwaltungsangelegenheiten
I. Selbstverwaltungsangelegenheiten
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Die Selbstverwaltungsangelegenheiten, die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises[3], geben der kommunalen Verwaltung ihr eigentliches Gepräge und dokumentieren die kommunale Individualität. Sie umfassen ein breites, gesetzlich nur unvollkommen erfassbares Spektrum an Aktivitäten, orientiert an den örtlichen Bedürfnissen und der gemeindlichen Leistungskraft, das allenfalls mit dem klassischen Begriff der Daseinsvorsorge (im weitesten Sinne verstanden; vgl dazu oben Rn 58) umschrieben werden kann. Beispielhaft sind insoweit die Beschreibungen in Art. 57 I bay.GO:
„Im eigenen Wirkungskreis sollen die Gemeinden in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Einrichtungen schaffen und erhalten, die nach den örtlichen Verhältnissen für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl und die Förderung des Gemeinschaftslebens ihrer Einwohner erforderlich sind, insbesondere Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Feuersicherheit, der öffentlichen Reinlichkeit, des öffentlichen Verkehrs, der Gesundheit, der öffentlichen Wohlfahrtspflege einschließlich der Jugendhilfe, des öffentlichen Unterrichts und der Erwachsenenbildung, der Jugendertüchtigung, des Breitensports und der Kultur- und Archivpflege; hierbei sind die Belange des Natur- und Umweltschutzes zu berücksichtigen. Die Verpflichtung, diese Aufgaben zu erfüllen, bestimmt sich nach den besonderen gesetzlichen Vorschriften.“
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Entscheidend für die Zuordnung ist dabei die Dominanz des örtlichen Bezuges (siehe auch oben Rn 52 ff zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft iSv Art. 28 II 1 GG).
Beispiele:
Festlegung von Namen zur Kennzeichnung für öffentliche Straßen (vgl § 51 I m.v.StrWG; § 4 II 3 StrWG NRW). Auch wenn die Bestimmung eines Straßennamens sowie die Zuteilung einer Hausnummer (dazu § 126 III BauGB) primär der genauen Orientierung und damit der Gefahrenabwehr dienen, handelt es sich bei der Namensgebung selbst um einen schöpferischen Akt der Kommunalpolitik[4]. Die Dominanz des örtlichen Bezuges fehlt hingegen bei der Unterbringung von Asylbewerbern. Ihre Versorgung mit einer Unterkunft ist Aufgabe des Staates, keine Aufgabe des örtlichen Wirkungskreises einer Gemeinde[5]. Die Länder haben jedoch durchweg diese Aufgabe gesetzlich auf die Gemeinden übertragen; siehe zu verfassungsrechtlichen Grenzen oben Rn 72.
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Rechtsfolgen der Einordnung einer Angelegenheit in die Aufgabenkategorie der Selbstverwaltungsangelegenheiten sind
– | eigenverantwortliche Entscheidung über die Modalitäten der Aufgabenwahrnehmung, |
– | grundsätzlich eigene Finanzierung, |
– | Beschränkung staatlicher Kontrolle auf eine Rechtsaufsicht (Art. 109 I bay.GO; § 78 II m.v.KVerf.; § 170 I NKomVG)[6], |
– | funktionale Zuständigkeit auch als Widerspruchsinstanz (§ 73 I 2 Nr 3 VwGO)[7]. |
Innerhalb dieses eigenen Wirkungskreises sind, wie der letzte Satz des in Rn 195 zitierten Artikels der bay.GO bereits verdeutlicht, die freiwilligen von den pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten zu unterscheiden.
1. Freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben
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Das Spektrum der gemeindlichen Eigenverantwortlichkeit ist am größten bei den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben. Hierbei handelt es sich um klassische „Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft“, bei denen die Gemeinde sowohl über das „Ob“ einer Aufgabenbefassung als auch über das „Wie“ der Aufgabenwahrnehmung entscheiden kann.
Beispiele:
Veranstaltung von Musikwochen oder künstlerischen Wettbewerben; psychologische Dienste; Errichtung oder Förderung kultureller Institute; Herausgabe heimatkundlicher Schriften.
Ebenso wie es im Ermessen der Kommunen steht, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zu übernehmen, so ist es ihnen auch jederzeit möglich, sich dieser Aufgaben wieder zu entledigen. Insbesondere steht es einer Gemeinde frei, bisher von ihr betriebene freiwillige öffentliche Einrichtungen zu privatisieren (allg. zur Privatisierung Rn 328 f, zur Gegenansicht des BVerwG s. bereits Rn 74).
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Die Gemeinden haben auf Grund ihrer verfassungsrechtlich garantierten Eigenverantwortlichkeit bei der Inangriffnahme von Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft die Option, neue örtliche Aufgaben für sich zu reklamieren („Recht der Spontaneität“)[8]. Dies geschah etwa in großem Stil hinsichtlich der Begründung von Städtepartnerschaften.
2. Pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben
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Auch pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben sind als „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ vom Gewährleistungsgehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie umfasst, doch hat der Gesetzgeber ihre Bedeutung für das Gemeinwesen so hoch veranschlagt, dass er ihre Wahrnehmung nicht allein der freien Entscheidung der Gemeinden überlassen will, sondern diese verpflichtet, sich dieser Aufgaben anzunehmen[9]. Die „eigene Verantwortung“ der Gemeinden erschöpft sich also auf das „Wie“ der Aufgabenwahrnehmung, während das „Ob“ der Aufgabenbefassung bereits vorgegeben ist[10].
Beispiele:
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Schulträgerschaft für Grund- |