Zur Fremdrechtsanwendung im Wirtschaftsstrafrecht. Christina Konzelmann
der jeweils angesprochenen Normen abhänge. Mithilfe des inländischen Rechts müsse zunächst ermittelt werden, ob sich der Schutz der Strafdrohung auf ausländische Rechtsgüter erstrecke und sodann sei zu klären, ob und inwieweit diese Interessen am Tatort beeinträchtigt werden können. Sofern es von positivrechtlichen Bestimmungen abhänge, ob die von der Strafdrohung geschützten Interessen rechtens überhaupt bestehen, müsse jenes Recht herangezogen werden, das im Einzelfall darüber entscheidet. Das zur Ermittlung heranzuziehende Tatortrecht sei dabei jenes Recht, das durch die Vorschriften über den Geltungsbereich berufen wird und bei zivilrechtlichen Fragen damit das IPR.[2] Dabei gelte es stets, die Schranke des ordre public zu beachten.[3]
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Damit stehe der Beurteilung des betreffenden Lebenssachverhalts einer Auslandstat nach ausländischem Recht auch nicht der Grundsatz entgegen, dass der deutsche Strafrichter nur deutsches Strafrecht anwenden dürfe. Die Vorschriften des internationalen Strafrechts schalten den räumlichen Geltungsbereich außerstrafrechtlicher Rechtssätze nicht aus. Vielmehr bestimme gerade der Geltungsbereich dieser Rechtssätze, dass bei Auslandssachverhalten ausländisches Recht angewendet werden könne. Dies liege darin begründet, dass die Beurteilung, ob ein schützenswertes Rechtsgut vorliegt, nicht durch das Strafrecht vorgenommen werde. Zwar werde der Begriff „Rechtsgut“ oft so definiert, dass er von vornherein nur auf die strafrechtliche Tatbestandsmäßigkeit bezogen sei. Rechtsgüter seien aber vielmehr Lebens- und Interessenbereiche des Einzelnen und der Allgemeinheit, die wegen ihrer sozialen Bedeutung geschützt werden, wobei die Strafdrohung nur eine mögliche Form des Schutzes darstelle. Das Strafrecht habe jedoch nicht die Funktion, den schon anderwärts gegebenen Rechtsgüterschutz zu überlagern und zu verstärken, sondern sei davon losgelöst autonom, weshalb die Begriffe, die es gebrauche, auch nicht notwendig mit denen des Zivil- oder Verwaltungsrechts übereinstimmen müssten. Zu beachten sei jedoch immer das „Prinzip der Einheit der Rechtsordnung“. Die Verletzung von Interessen, die das Strafrecht sanktioniere, sei in der Regel auch außerhalb des Strafrechts als Unrecht gekennzeichnet und unter Strafandrohung gestellt. Darum liege es nahe, das internationale Strafrecht nur auf die Sanktionsnormen zu beziehen, die das Strafrecht im eigentlichen Sinne ausmachen. Die Bestimmung, ob und in welchem Umfang das geschützte Rechtsgut am Tatort als solches anerkannt ist, werde von der Rechtsordnung entschieden, die durch die jeweiligen Normen des IPR oder über den Geltungsbereich der in Frage kommenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen ausgewiesen sei.[4]
Anmerkungen
Nowakowski JZ 1971, 633 ff.
Ganzer Absatz Nowakowski JZ 1971, 633, 634.
Nowakowski JZ 1971, 633, 636.
Ganzer Absatz Nowakowski JZ 1971, 633, 637.
Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › III. Fremdrechtsanwendung in Literatur und Rechtsprechung › 3. Die Untersuchung Cornilsʼ
3. Die Untersuchung Cornilsʼ
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Auf diesen Ansatz greift auch Cornils zurück, legt als Ausgangspunkt für die Beurteilung der Fremdrechtsanwendung im Strafrecht aber den materiellen Strafgesetzbegriff zugrunde, der „sämtliche, den materiellen Rechtszustand bestimmenden Normen einschließlich der strafrechtsexternen Ausfüllungs- und Ergänzungsvorschriften umfasst und sie damit dem Ausschließlichkeitsanspruch der §§ 5-7 StGB unterstellt“.[1] Denn die Anwendung deutschen Strafrechts nach den §§ 5-7 StGB beziehe sich auf die Gesamtheit aller bei einer materiellen Deliktsprüfung berührten Rechtssätze, die auch solche privat- und verwaltungsrechtlicher Art beinhalten.[2] Bei diesem Begriffsverständnis unterliegen dem Strafgesetz mithin auch die akzessorisch in Bezug genommenen Rechtssätze des deutschen Zivil- und Verwaltungsrechts, die wiederum nur im Zusammenhang mit den dazugehörenden Kollisionsregeln zu sehen sind. so dass auch diese mit erfasst seien.[3] Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug führt die Inbezugnahme des deutschen Zivil- und Verwaltungsrechts einschließlich ihrer jeweils dazugehörigen Kollisionsregeln dazu, dass der materielle Strafgesetzbegriff notwendig auch diese mit umfasse.[4] Entstehe nun bei einer strafrechtlichen Beurteilung eines Auslandssachverhalts eine zivilrechtliche Vorfrage[5], bei der eine allseitige Kollisionsnorm des deutschen IPR auf eine fremdstaatliche Rechtsordnung verweist, komme diese folglich unmittelbar zur Anwendung.[6] Anders sei dies hingegen bei akzessorischen Verweisungen auf das Verwaltungsrecht zu beurteilen, da das öffentliche Recht wie auch das Strafrecht nur einseitige Kollisionsnormen enthalte. Bei öffentlich-rechtlichen Normen in der Hauptfrage sei eine Anwendung ausländischen Rechts grundsätzlich ausgeschlossen, sofern nicht aus dem Schutzbereich der Norm folge, dass der Staat seine Strafgewalt auch auf Auslandssachverhalte erstrecken wolle.[7] Bei Tatbestandsmerkmalen verwaltungsrechtlicher Art hingegen folge die Fremdrechtsanwendung aus dem ungeschriebenen Grundsatz des Internationalen Verwaltungsrechts, dem Gebot der Respektierung fremder Hoheitsgewalt. Die als Vorfrage zu klärende Inhaltsbestimmung des öffentlich-rechtlichen Begriffes im deutschen Strafrechtstatbestand führe zu einer direkten Anwendung des ausländischen Verwaltungsrechts.[8]
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Die Zugrundelegung des materiellen Strafrechtsbegriffs als Ausgangspunkt für die Fremdrechtsanwendung enthalte jedoch einen Wertungswiderspruch, da das Internationale Strafrecht zwar hinsichtlich akzessorischer Anknüpfungspunkte die Ausfüllung durch ausländische Zivil- und Verwaltungsgesetze zulasse, der in dem materiellen Strafrechtsbegriff der §§ 5-7 StGB enthaltene Ausschließlichkeitsanspruch jedoch auch sämtliche zivil- und verwaltungsrechtlichen Ergänzungsvorschriften allein auf die deutsche Rechtsordnung zu beschränken scheine.[9] Dieser Wertungswiderspruch sei dadurch zu lösen, dass die Inbezugnahme außerstrafrechtlicher Ergänzungsvorschriften durch das Strafrecht als eine Art „Verleih“ anzusehen sei. Die originäre zivil- oder verwaltungsrechtliche Natur der Vorschriften gehe dann nicht verloren, da sie eigene Rechtsverhältnisse betreffen, die das Strafrecht zwar voraussetze, aber nicht selbst regle.[10] Außerstrafrechtliche Elemente sind daher nicht pauschal den §§ 5-7 StGB zu unterstellen, sondern selbständig zivil- oder verwaltungsrechtlich zu beurteilen. Dieses Verständnis entspreche auch der Sonderanknüpfung von Vorfragen im Internationalen Privatrecht.[11]
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Cornils gelangt damit im Ergebnis zu einer Fremdrechtsanwendung im Strafrecht unter Zugrundelegung des materiellen Strafrechtsbegriffs. Dieser umfasse außerhalb der eigentlich geregelten Strafgesetze auch alle außerstrafrechtlichen und von diesen akzessorisch in Bezug genommenen Ergänzungsvorschriften. Bei einem Auslandssachverhalt unterliege die Beantwortung einer zivil- oder verwaltungsrechtlichen Vorfrage daher nicht dem Ausschließlichkeitsanspruch nach den §§ 5-7 StGB, sondern erfolge autonom nach eigenen Rechtsanwendungsregeln, die auch eine Heranziehung ausländischer Gesetze grundsätzlich zulassen.[12]
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