Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts. Anja Nöckel
nicht allein die Herstellung von Gerechtigkeit verfolgt, sondern auch einen Faktor bei der Beeinflussung menschlichen Verhaltens darstellt. Unter dem Aspekt der Kalkulation von Kosten und Nutzen, welche ökonomischen Entscheidungen zugrunde liegt, wird es darum gehen, die Steuerungsfunktion des Marktwirtschaftsstrafrechts in der Setzung negativer Anreize und damit verbunden einer Steigerung der Straftatkosten zu verorten.
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Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Begriff und Kriterien der Strafwürdigkeit ist Gegenstand des vierten Teils. Zunächst erfolgt eine kritische Analyse des Begriffs der Strafwürdigkeit, wobei überblicksartig bislang unter diesem Stichwort erfasste Verständnisansätze herausgearbeitet werden. Auf dieser Grundlage geht es im Weiteren darum, Kriterien zur Bestimmung der Strafwürdigkeit aufzuzeigen. Die Problematik der strafrechtlichen Erfassung wirtschaftlichen Fehlverhaltens soll dabei über die bereits in der Literatur entwickelten Anhaltspunkte hinaus auf Regelverstöße ausgedehnt werden. Mit dem Maßstab der Regelverletzung orientiert sich das Marktwirtschaftsstrafrecht begrifflich neu, erhält jedoch trotzdem einen Bezug zur bisherigen Strafrechtsdogmatik. Anknüpfend an die wirtschaftstheoretischen Ausführungen des zweiten Teils wird zur weiteren Präzisierung des Regelmodells im Folgenden das Regelgerüst der Sozialen Marktwirtschaft entfaltet. Dieses neue begriffliche Modell soll eine differenzierte Bestimmung der Strafwürdigkeit wirtschaftlichen Fehlverhaltens ermöglichen. Besonders Fälle, in denen es zur Ausschaltung der ökonomischen Fairness bzw. einer Beeinträchtigung der marktwirtschaftlichen Chancenstruktur kommt, denen also ein ethisches Fehlverhalten in erkennbarer Weise anhaftet, die aber keinen messbaren Schaden aufweisen, werden so mit strafrechtlichem Instrumentarium besser erfasst. Verdeutlicht wird dieser Vorzug des Marktwirtschaftsstrafrechts durch eine exemplarische Bestimmung der Strafwürdigkeit wirtschaftlichen Fehlverhaltens im Bereich der §§ 266, 299 StGB sowie des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Dabei wird § 266 StGB herangezogen, um anhand des Mannesmann-Falls besonders die Widersprüche übertriebener primärer strafrechtlicher Verhaltenssteuerung aufzuzeigen. Dazu erfolgt zunächst eine Bestandsaufnahme der vom Bundesgerichtshof sowie der Literatur vertretenen Ansichten über die Rechtmäßigkeit nachträglich vom Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft an den Vorstand gewährter Vermögenszuwendungen. Im Folgenden wird die Höhe der Zahlungen als eigentliche Ursache des Unmuts über die Vorgänge bei der Mannesmann-Übernahme identifiziert und die Wirtschaftsordnung auf Vergütungsregeln untersucht. Da die Soziale Marktwirtschaft keine festen Vergütungsregeln kennt, werden die das Wettbewerbsprinzip betreffenden Grundregeln der Wirtschaftsordnung Ausgangspunkt aller strafrechtlichen Betrachtungen. Auf der Grundlage dieses Argumentationsmusters wird anschließend gezeigt, dass Wirtschaftsakteure dort, wo weder Soziale Marktwirtschaft noch Rechtsordnung begrenzende Regeln vorgeben, die Möglichkeit haben müssen, frei von strafrechtlichen Risiken zu entscheiden. Ergänzt werden die exemplarischen Betrachtungen des Regelmodells durch die Untersuchung ausgewählter Aspekte des § 299 StGB. Zunächst wird auf die jüngsten Reformbestrebungen im Rahmen des § 299 StGB eingegangen, wobei der Nachzeichnung des Reformvorhabens eine kritische Auseinandersetzung mit seinen dogmatischen und praktischen Konsequenzen folgt. Anschließend wird anhand der Problematik entschleierter Schmiergelder aufgezeigt, dass allein die konkrete Differenzierung der Beziehungen aller am Fehlverhalten Beteiligten zueinander und zum Wettbewerb sowie die exakte Bestimmung des Regelbruchs innerhalb dieser Verhältnisse die Grundlage für eine angemessene strafrechtliche Reaktion bilden. Dabei kann die Bedeutung des konkreten Handlungssinns eines Fehlverhaltens zum maßgeblichen Kriterium bei der Feststellung der Strafwürdigkeit werden. Abschließend soll der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Gegenstand von Ausführungen zur Begrenzung des Erklärungspotentials des regelbasierten Strafwürdigkeitsmodells sein.
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Im Anschluss daran werden im fünften Teil die Grenzen des Marktwirtschaftsstrafrechts den Gegenstand der Diskussion bilden. Als limitierend sind dabei interne und externe Faktoren anzusehen, die sich sowohl aus der Stellung des Strafrechts im Rechtssystem als auch aus dem Einfluss nicht(straf-)rechtlicher Reaktionen auf wirtschaftliches Fehlverhalten ergeben. Zur Schärfung der internen Grenzen des Marktwirtschaftsstrafrechts werden der fragmentarische Charakter des Strafrechts sowie seine Rolle als ultima ratio staatlicher Eingriffsmittel beleuchtet. Die externen Grenzen werden dagegen in einer Vielzahl außerstrafrechtlicher und außerrechtlicher Faktoren verortet. Diese werden überblicksartig dargestellt, um anschließend unter Berücksichtigung interner Grenzen das Potential der strafrechtlichen Verhaltenssteuerung in seinem Zusammenspiel mit den externen Reaktions- und Sanktionsvarianten zu beleuchten.
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