Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
oder auf eine bereits eingetretene Güter- oder Vermögensverschiebung.
Es handelt sich im Einzelnen um Ausgleichsansprüche im Rahmen des Beteiligungsausgleichs, also mehrerer Beteiligter an einem Recht oder einer Mehrheit von Rechten (die Rechtsgemeinschaft, §§ 741 ff.); Ausgleichsansprüche im Rahmen des Aufwendungsausgleichs für fremdnützige Vermögensverschiebungen (die Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677 ff.); Ausgleichsansprüche im Rahmen des Bereicherungsausgleichs wegen unrechtmäßiger, nämlich rechtsgrundloser Innehabung oder Nutzung von Gütern (die ungerechtfertigte Bereicherung, §§ 812 ff.); schließlich um Ausgleichsansprüche im Rahmen des deliktischen Schadensausgleichs wegen der Verletzung von Rechten und Rechtsgütern (unerlaubte Handlungen, §§ 823 ff.).
Das gesetzliche Schuldverhältnis besteht daher nicht aufgrund z.B. des Anspruchs „aus § 823 Abs. 1“, sondern aufgrund einer freiwilligen Verletzung einer für alle geltenden Verhaltenspflicht („Friedenspflicht“), welche durch den Tatbestand dieser Deliktsnorm (objektiv) aufgestellt wird und wofür dann auf die Schadensklage verwiesen wird; deren Inhalt regelt dann auch gar nicht die Norm selbst, sondern die §§ 249 ff. Selbstverständlich kann die verletzte Friedenspflicht zugleich mit einer vertraglichen Nebenpflicht deckungsgleich sein, so dass dann für denselben Sachverhalt in §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 auch die vertragliche Schadensklage gegeben sein würde, welche sich gleichfalls nach §§ 249 ff. richtete.
Auch im Bereicherungsrecht ist nicht z.B. der Anspruch „aus § 812 Abs. 1“ das gesetzliche Schuldverhältnis, sondern ein Zustand einer Bereicherung, für den es (nicht nur subjektiv zwischen zwei Personen, sondern) objektiv keine Rechtfertigung gibt, sei es, weil er aufgrund fehlgeschlagener Leistung oder sonst im Widerspruch zum Zuweisungsgehalt an dem Vermögenswert eingetreten ist. §§ 812 ff. sind wiederum nur die Klageformen aufgrund des bereicherungsrechtlichen Schuldverhältnisses, das darin als Anspruchsvoraussetzung mit den einzelnen Tatbestandsmerkmalen normiert ist.
§ 3 Ausgleichsordnung › A. Beteiligungsausgleich
A. Beteiligungsausgleich
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Die Berechtigung an Aktiva kann einer Personenmehrheit auf Gläubigerseite ebenso zustehen, wie die passivische Verpflichtung eine Personenmehrheit auf Schuldnerseite betreffen kann. In jedem Falle solcher Personenmehrheit stellen sich zumindest Fragen nach der Art der Beteiligung des Einzelnen an Forderung und Schuld, also nach der Art der Haftung, dem Umfang des Verfügungsrechts, der Wechselwirkung einredebegründender Tatsachen und der Empfangszuständigkeit für Tilgungsleistungen.
Die mehrfache Berechtigung oder Verpflichtung kann als Teilschuldverhältnis, als Gesamtschuldverhältnis, als (schlichte) Rechtsgemeinschaft oder als Gesamthand bestehen; nur bei der Gesamthand (Zweckgemeinschaft, also Gesellschaft) kann schließlich ein (gemeinschaftliches gebundenes) Sondervermögen neben denjenigen (freien) Vermögen der beteiligten Gesellschafter entstehen.[2]
Bei der Teilschuld zerfällt eine Forderung entsprechend der Zahl der Teilgläubiger oder Teilschuldner in entsprechende Teilforderungen. Das Teilschuldverhältnis an einer Forderung oder Verbindlichkeit setzt deren Teilbarkeit voraus (vgl. § 420). Teilbarkeit ist dabei nicht lediglich Ausdruck einer Zählbarkeit, sondern ein Rechtsbegriff, der nach dem Zweck der Schuld und der zugrundeliegenden Interessenlage von den Rechtsfolgen her zu bestimmen ist. Das Teilschuldverhältnis ist eine einfache Personenmehrheit mit nur losen Verbindungen, die untereinander keines Ausgleichsanspruchs bedarf.
Beispiele:
Eine Geldschuld ist technisch stets in Teilbeträge zerlegbar, wird dadurch aber u.U. in der Durchsetzung unsicherer und damit wirtschaftlich weniger wert, wenn jeder Teilschuldner nur auf seine Quote haftet, weshalb teilweise Ausfälle möglich sind. Eine Schadensersatzschuld oder die Ersatzpflicht auf Surrogate (vgl. § 281) ist deshalb, wenngleich auf Geldersatz gerichtet, im Rechtsinne keine teilbare Leistung.[3]
Verpflichtungen mehrerer (z.B. Verkäufer oder Vermieter), die auf eine unteilbare Leistung (etwa Übereignung oder Überlassung einer Sache) gehen, sind bereits ihrer Natur nach keine Teilschulden. Solche Verbindlichkeiten, ebenso wie die aus rechtlichen Gründen nicht teilbaren Leistungen, erklärt § 431 für Gesamtschulden; im umgekehrten Fall, also der Mehrheit von Gläubigern auf eine unteilbare Leistung, gibt § 432 jedem von ihnen zumindest den eigenen Anspruch, Leistung an alle gemeinschaftlich zu verlangen. So haftet eine Erbengemeinschaft (vgl. §§ 2032 ff.) für Nachlassverbindlichkeiten bis zur Teilung gesamtschuldnerisch (vgl. §§ 2058, 421), nach der Teilung haftet jeder Miterbe als Teilschuldner (vgl. §§ 2060, 420).
§ 3 Ausgleichsordnung › A. Beteiligungsausgleich › I. Gesamtschuldverhältnis
I. Gesamtschuldverhältnis
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Anders liegt die Interessenlage, wenn sich mehrere gemeinsam (nicht „gemeinschaftlich“, das wäre Gesamthand), etwa durch einen schuldrechtlichen Vertrag, den sie zusammen als Partei geschlossen haben, verpflichten (vgl. § 427). Der Gläubiger kann sich dann an jeden der mehreren Mitschuldner ganz oder teilweise halten, dessen Leistung auch für die Übrigen tilgend wirkt.
Dies findet seine Entsprechung umgekehrt in der Gesamtgläubigerschaft (vgl. § 428), bei der jeder Mitgläubiger die Leistung auf die Gesamtforderung an sich allein verlangen kann und deren Erfüllung durch den Schuldner auch gegenüber den anderen Gläubigern befreiend wirkt. Obwohl die allgemeinere Vorschrift und damit systematisch nachrangig, wird dennoch ganz überwiegend vielmehr § 432 zur Anwendung kommen, wonach ein Schuldner an mehrere Gläubiger nur gemeinschaftlich leisten und jeder der Gläubiger nur Leistung an alle Mitgläubiger fordern darf (zur gesamten Hand). Im Hinblick auf die Erfüllungswirkung ist daher als Aufgabe der Vertragsgestaltung bei Gläubigermehrheit für den Schuldner aus Gründen der Praktikabilität die vertragliche Bestimmung eines Empfangsbevollmächtigten unter den Gläubigern oder die Angabe einer Bankverbindung für seine Leistung im Vertrag selbst von herausragender rechtlicher, nicht bloß praktischer Bedeutung.[4]
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Die Bedeutung des Gesamtschuldverhältnisses liegt in der Mehrheit von Schuldnern, denen die gemeinsame Schuld doch je in voller Höhe obliegt. Die gemeinsame eine Verpflichtung besteht deshalb in einer den mehreren Schuldnern entsprechenden Vielzahl inhaltsgleicher Schulden, die nur in der Erfüllungswirkung und in gewissen Einreden voneinander abhängen, aber jeweils auf die volle Höhe der gemeinsamen Verpflichtung lauten. Der Gläubiger kann seine Forderung also parallel mehrfach beitreiben (auch gerichtlich titulieren lassen und vollstrecken) und erst seine volle Befriedigung bringt alle parallelen Verbindlichkeiten zum Erlöschen (Vollstreckungsschutz dann nach §§ 767, 769 ZPO).
1. Lebenstypen
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Typische Fälle der Gesamtschuld sind neben der vertraglichen Schuldnermehrheit (z.B. mehrere Käufer oder Mieter einer Sache im Hinblick auf die Entgeltverpflichtung) auch das Verhältnis unter Mitbürgen (vgl. § 769) und mehrerer Deliktsschädiger untereinander.[5] Zur Gesamtschuld führen insb. §§ 25 Abs. 1 S. 1, 27 Abs. 1 S. 1 und § 28 Abs. 1 S. 1 HGB in den Fällen des Unternehmenserwerbs unter Lebenden, durch Erben oder durch Einbringung in eine Personengesellschaft.[6]
Ähnliches gilt für die persönliche Haftung des Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft (vgl. §§ 128, 161 Abs. 2 HGB) neben der Gesellschaftsschuld und die Solidarhaftung der Geschäftsführer auf die Erstattung verbotener Einlagenrückgewähr (vgl. § 31 Abs. 4 GmbHG) oder für sonstige Sorgfaltspflichtverletzungen