Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
Der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 S. 1 oder aus dem sonstigen gemeinsamen Schuldverhältnis führt seinerseits zu einem der seltenen Fälle der Teilschuld (vgl. § 420). Bei Ausfall eines Ausgleichspflichtigen wird dessen Anteil auf die übrigen Gesamtschuldner nach deren Haftungsquoten anteilig umgelegt (vgl. § 426 Abs. 1 S. 2; aber trotz des missverständlichen Wortlauts erfolgt die Umlage einschließlich des Ausgleichsberechtigten selbst, der den Ausfall – verständlicherweise – nicht ganz auf seine Regressschuldner abwälzen kann).
4. Forderungsübergang nach § 426 Abs. 2
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Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann (etwa nach § 426 Abs. 1 S. 1 oder aufgrund des inneren Schuldverhältnisses), geht die von ihm getilgte Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über (so § 426 Abs. 2). Damit erwirbt der Ausgleichsberechtigte im gleichen Umfang seines Ausgleichsanspruchs eine zweite Möglichkeit des Regresses gegen die übrigen ausgleichspflichtigen Gesamtschuldner (Anspruchskonkurrenz). Die übergehende Forderung kann jedoch durch die Einzelwirkung entlastender Tatsachen zu Gunsten einzelner Gesamtgläubiger (vgl. § 425) „weniger wert“ sein[13] als der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 oder derjenige aus dem daneben bereits anderweitig vorhandenen Innenverhältnis; Einschränkungen der übergegangenen Forderung lassen die Ausgleichspflicht dabei unberührt. Die Bedeutung dieser cessio legis in § 426 Abs. 2 liegt deshalb vielmehr im Übergang hierfür bestellter Sicherheiten, der an den gesetzlichen Forderungsübergang anknüpft (vgl. §§ 412, 401).[14]
Ob solche Sicherheiten sodann für die gesamte übergegangene Forderung bestellt wurden oder vielmehr nur für die Leistung eines einzelnen Gesamtschuldners (was nur denkbar ist, wenn die Gesamtschuldner aus verschiedenen Rechtsverhältnissen auf die ganze Schuld haften, etwa als Hauptschuldner und als Bürge), kann nur im Einzelfall beantwortet werden; sicherte sie nur die Tilgungsleistung eines einzelnen, ist diese Sicherheit auf den Ausgleichsanspruch nicht anwendbar sein (Fälle der sog. „scheinbaren“ Gesamtschuld).[15]
§ 3 Ausgleichsordnung › A. Beteiligungsausgleich › II. Rechtsgemeinschaft
II. Rechtsgemeinschaft
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Während dem Gesamtschuldverhältnis eine gemeinsame Verbindlichkeit oder Forderung zugrunde liegt (Haftungsausgleich), die mehrere Schuldner je getrennt zu leisten verpflichtet (oder mehrere Gläubiger zu fordern berechtigt) sind, ist das Recht bei der Rechtsgemeinschaft ein gemeinschaftliches (Beteiligungsausgleich), nicht nur gemeinsames. Zwar steht einem jeden Gemeinschafter intern ein rechnerischer Anteil daran zu, über den er auch frei verfügen kann (§ 747 S. 1), die Geltendmachung des Rechts kann aber nur gemeinschaftlich erfolgen (§ 747 S. 2). Kennzeichnend für diese Form der (schlichten) Rechtsgemeinschaft ist also die (nur) ideelle Quotengemeinschaft an einem Einzelgegenstand, der nur ein Recht (i.e. natürlich auch das Eigentums- oder Besitzrecht) oder eine Mehrheit von Rechten sein kann, nicht aber die Sache an sich (vgl. § 741; eine Regelung als Sollens-Ordnung kann stets nur auf Rechte und Pflichten – auch solchen an Sachen – bezogen sein; Sachen selbst hingegen sind, als Seins-Ordnung). Meist bestehen Rechtsgemeinschaften an dinglichen Rechten selten sind Forderungsrechte Gegenstand einer Gemeinschaft (dazu sogleich).
1. Abgrenzung
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Die Rechtsgemeinschaft ist anders als das Gesamtschuldverhältnis nicht lediglich eine Personenmehrheit, sondern ein Zusammenschluss, eine Personenverbindung.
Einen noch höheren Organisationgrad eines Zusammenschlusses mehrerer Personen schafft dann nur die Personengesellschaft; sie ist eine Zweckgemeinschaft und hat als Außengesellschaft eigenes Gesellschaftsvermögen, für welches nicht mehr die Gesellschafter, sondern die Gesellschaft zuständig ist (Bildung von Gesellschaftsvermögen, vgl. §§ 705, 718). Zum verselbstständigten Gesamthandsvermögen können dann Aktiva und auch Passiva gehören. Jeder Teilhaber ist an den Einzelgegenständen des Gesellschaftsvermögens weder berechtigt, noch aus ihnen verpflichtet (allerdings besteht eine akzessorische Haftung aller Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten analog §§ 128 ff. HGB, die dadurch als Gesamtschuldner neben die Gesellschaft treten); der Gesellschafter besitzt (nur) ein Mitgliedschaftsrecht am Verband (Geschäftsanteil), dessen materieller Ausdruck der Kapitalanteil ist, der seinerseits nur ein rechnerischer Ausdruck der Höhe der Einlage im Gesellschaftsvermögen darstellt.[16]
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Eine Zwischenstellung nimmt die Erbengemeinschaft (vgl. § 2032) ein. Sie vereinigt Elemente der Gesamthand und der Gemeinschaft. Verwaltet werden nicht einzelne Rechte, sondern ein gesamtes Vermögen. Dieses ist kein Zweckvermögen, vergleichbar etwa dem Gesellschaftsvermögen, weshalb es keine eigene Verwaltungs- und Prozesszuständigkeit wie jenes hat. Das ist auch nicht erforderlich, denn der gemeinschaftliche Zweck bzw. das Ziel der Erbengemeinschaft ist lediglich auf Auseinandersetzung gerichtet (vgl. §§ 2042 ff.). Es handelt sich also nicht um die Führung von Geschäften (vgl. § 709 für die Gesellschaft), sondern bloße (vorwiegend werterhaltende) Verwaltung (so § 2038 Abs. 1 mit entsprechenden Verweisungen in Abs. 2). Da es sich bei dem Nachlass jedoch um ein ganzes Vermögen handelt, bestehen keine Anteile an Einzelgegenständen (missverständlich § 2033 Abs. 2; über solche kann nicht nur nicht verfügt werden, vielmehr existieren sie gar nicht). Der Nachlass ist deshalb gesamthänderisch gebundenes Sondervermögen mit Aktiva und Passiva.
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Die Rechtsgemeinschaft besteht also an gemeinschaftlichen Rechten und enthält als gesetzliches Schuldverhältnis die Regelung der Rechte und Pflichten der Teilhaber aus ihrer Beteiligung im Außen- und im Innenverhältnis. Die schuldrechtlichen Regelungen der §§ 741 ff. dienen dem Individualschutz der Beteiligten in der Erhaltung des gemeinsamen Vermögenswertes und in der Auseinandersetzung.
Beispiele:
Das BGB regelt nicht die Entstehung der Gemeinschaft, sondern knüpft deren Regelungen an einen Zustand, nämlich denjenigen eines gemeinschaftlichen Rechts, an (§ 741). Die Gemeinschaft kann daher vertraglich oder aufgrund Gesetzes entstehen. Beispiele sind die Praxisgemeinschaft etwa von Ärzten, Rechts- oder Steuerberatern (im Unterschied zur Gemeinschaftspraxis oder Sozietät, welche Gesellschaft ist, weil zum Zweck der gemeinschaftlichen Berufsausübung gegründet, was über die gemeinsame Innehabung von Betriebsmitteln hinausgeht); die Praxisgemeinschaft erschöpft sich im gemeinsamen Recht etwa an den Räumlichkeiten und der Arbeitsleistung der Beschäftigten, wodurch das zugrundeliegende Ziel z.B. der Kostenersparnis bereits erreicht oder die Möglichkeit der effizienteren Auslastung der Berufsträger bereits geschaffen ist.
Eine Rechtsgemeinschaft entsteht außerdem z.B. durch gemeinsame Erfindung (vgl. § 6 S. 2 PatentG – wohingegen § 8 Abs. 2 UrhG die Miturheberschaft zur Gesamthand erklärt und eine Verwertungsgemeinschaft begründet, auf welche dann die §§ 709, 714 anzuwenden sind; diese Ausgestaltung ist aufgrund § 8 Abs. 2 UrhG zwar rechtlich, nicht jedoch sachlogisch zwingend, weshalb die erzielten Verwertungserlöse nicht zwingend der Gesamthand, sondern nach § 7 Urheberrechtswahrnehmungsgesetz genauso wie bei der Rechtsgemeinschaft nach § 743 Abs. 1 jedem Miturheber anteilig zustehen können).
Schließlich führt jedes Miteigentum zur Rechtsgemeinschaft (etwa aufgrund §§ 947 f.). §§ 1008 ff. bestimmen dafür die sachenrechtliche Ordnung des Miteigentums, also den Gegenstand