Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
sein fehlendes Eigentum – vgl. § 935 – im Rechtsirrtum befindet).
Anders verhält es sich, wenn der Geschäftsführer irrig von einem „auch fremden“ Geschäft und damit von einem auch eigenen ausgeht (Rechtsirrtum über seine eigene Verpflichtung zum Handeln im fremden Sorgekreis), etwa wenn sich jemand zur Abwendung einer Gefahr für fremde Sachen verpflichtet hält; hierbei fehlt nicht das Bewusstsein der Fremdsorge, geirrt wird über die „Auftragslosigkeit“, was der GoA nicht entgegensteht.[18]
2. Keine GoA: Angemaßte Eigengeschäftsführung
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Eine andere Zielsetzung hat demgegenüber § 687 Abs. 2, der dem Schutz des Geschäftsherrn im Falle bewusst angemaßter Einmischung in seinen Rechtskreis dient. Hier irrt der Geschäftsführer nicht, sondern beutet bewusst fremde Rechte als eigenes Geschäft aus, hat also ein gegenüber der echten Geschäftsführung nicht nur irrtümlich anderes, sondern diametral gegensätzliches Bewusstsein.
Dem Geschäftsherrn steht deliktischer Schadensersatz gegen den unredlichen Geschäftsführer zu (vgl. ggf. auch § 992 und § 848);[19] § 687 Abs. 2 gibt ihm aber ein Wahlrecht, sich alternativ das Ergebnis aus der angemaßten Einmischung nutzbar zu machen und es abzuschöpfen; er schuldet dann jedoch Aufwendungsersatz nach Bereicherungsrecht. Bedeutsam kann dieses Wahlrecht meist nur im Hinblick auf eine zu beanspruchende Rechnungslegung (§§ 687 Abs. 2, 681, 667, 666) als Voraussetzung für einen bestimmten Klagantrag sein (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Die Ausübung des Wahlrechts ist keine Genehmigung i.S.d. § 684 S. 2 (denn im Fall des § 687 Abs. 2 fehlt es von vornherein an jeder GoA);[20] auch im Außenverhältnis stellt sie noch keine Genehmigung der Verfügung des dazu nichtberechtigten Geschäftsführers i.S.d. § 185 Abs. 2 dar. Erst das ggf. darauffolgende Herausgabeverlangen wäre eine Genehmigung i.S.d. § 185 Abs. 2.
3. Anspruchskonkurrenzen
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Jede echte GoA, sei sie in objektiver und subjektiver Hinsicht gegenüber dem Geschäftsherrn berechtigt (§§ 683, 677) oder unberechtigt (§ 684) begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis, das dem Bereicherungsausgleich dadurch vorgeht, dass es einen Rechtsgrund für den Leistungsaustausch oder Eingriff darstellt; in § 684 S. 1 wird dementsprechend nur auf die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts (§§ 818 ff.) verwiesen. Das gilt nicht hinsichtlich der unechten Geschäftsführung, also der irrtümlichen oder gar angemaßten Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 1, 2), wobei es sich in § 687 Abs. 2 für den Fall der Ausübung des Wahlrechts über § 684 S. 1 dennoch gleichermaßen um einen Rechtsfolgenverweis auf den Bereicherungsausgleich handelt.
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Nur die echte, berechtigte GoA (§§ 683, 677) gibt dem Geschäftsführer sodann einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln, das deshalb dann nicht rechtswidrig i.S.d. §§ 823 ff. ist. Sowohl die echte, aber unberechtigte GoA wie die irrige oder angemaßte Eigengeschäftsführung sind hingegen ein rechtswidriger Eingriff, der zum Schadensersatz in Folge Übernahmeverschuldens verpflichtet, ohne dass sonstiges Verschulden dem Geschäftsführer müsste zur Last gelegt werden können (Haftung nach § 678 und parallel §§ 823 ff.), das damit insb. späteres Ausführungsverschulden entbehrlich macht.
Bei der echten, berechtigten GoA (§§ 683, 677) können Schadensersatzansprüche nur aus Ausführungsverschulden (§§ 677, 280 Abs. 1 oder §§ 681, 281 Abs. 1, 280 Abs. 1 bzw. aus Verzug nach §§ 681, 286, 280 Abs. 2) entstehen.
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Ansprüche nach §§ 987 ff. als sachenrechtlicher Aufwendungsersatz zwischen Eigentümer und Besitzer sind nicht im Willen zur treuhänderischen Geschäftsführung begründet, sondern stellen davon unabhängig eine gesetzliche Abgrenzung von Risiko und Nutzen dar. Entsprechende Erstattungsansprüche stehen deshalb – bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen – in echter Anspruchskonkurrenz mit denen nach §§ 683, 684, 687.
Zu beachten ist aber, dass es sich um rechtmäßigen Besitz handelt, wenn seine Ergreifung eine berechtigte GoA darstellt; es fehlt damit an der sog. Vindikationslage nach §§ 985, 986. Der Anwendungsbereich der §§ 987 ff. ist dann nicht eröffnet.
§ 3 Ausgleichsordnung › B. Aufwendungsausgleich › II. Fallgruppen der Geschäftsführung ohne Auftrag
II. Fallgruppen der Geschäftsführung ohne Auftrag
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Das gesetzliche Schuldverhältnis der GoA nach § 677 entsteht nur, wenn ein objektiv oder zumindest subjektiv fremdes Geschäft „für einen anderen“ besorgt wird, ohne dass hierzu eine Beauftragung seitens des Geschäftsherrn bestanden hätte; nur die „echte“ GoA rechnet hierher (unabhängig, ob ihre Rechtsfolgen sich nach der berechtigten oder unberechtigten Übernahme richten; vgl. §§ 683, 684). Fälle nach § 687 sind keine GoA.
1. Fremdheit des Geschäfts
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Der Begriff des „Geschäfts“ ist weit auszulegen und umfasst alle rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Handlungen.
Während bei §§ 662, 675 erforderlich ist, dass der Gegenstand überhaupt Spielräume für die eigene Entschließung des Geschäftsherrn ermöglicht, welche erst Raum für das Treuhandelement – nämlich bei der Auftragsdurchführung – geben, liegt dieses bei § 677 bereits in der eigenen Initiative des Geschäftsführers hinsichtlich der Übernahme, zu der gerade keine vertragliche Verpflichtung besteht.
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Dieses Geschäft muss sodann objektiv oder doch subjektiv fremd sein. Objektiv fremd ist ein Geschäft, das jedenfalls teilweise im fremden Pflichten- oder Interessenkreis liegt; dabei genügt ein sog. auch fremdes Geschäft, das zugleich im Interessenkreis des Geschäftsführers liegt (z.B. Löschen eines Brandes in der Nachbarwohnung, um gleichzeitig das Übergreifen auf die eigene zu verhindern). Fremdes Geschäft kann auch ein solches sein, dessen Widmung zum Interessenkreis des Geschäftsherrn erst durch die Bestimmung des Geschäftsführers („subjektiv fremd“) erfolgt (z.B. Kauf eines Gegenstands, um ihn für einen anderen „zu sichern“, dessen Interesse hieran dem Geschäftsführer bekannt war).
2. Fremdgeschäftsführungswille
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Der Geschäftsführer muss bewusst für einen anderen gehandelt haben. Dies setzt Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts (sonst § 687 Abs. 1) und den Willen voraus, dieses Geschäft für einen anderen zu tätigen (sonst § 687 Abs. 2).
Solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte nach außen in Erscheinung treten, kann von der Kenntnis der Fremdheit auf den Fremdgeschäftsführungswillen des Handelnden geschlossen werden. Lediglich für das nur subjektiv fremde Geschäft muss der Fremdgeschäftsführungswille nach außen hinreichend feststellbar sein (die Beweislast liegt beim Geschäftsführer).
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Der Fremdgeschäftsführungswille wird in folgenden Grenzfällen überwiegend bejaht:[21]
Der Handelnde erfüllt zugleich eine eigene Vertragspflicht, die er gegenüber einem Dritten eingegangen war. Z.B. der Abschleppunternehmer