Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
der Durchführung, also etwa in Bezug auf die Höhe des tolerierten Kaufpreises, jedenfalls ein zurechenbar vom Geschäftsherrn gesetzter Anschein beachtlich sein soll. Dies soll aus dem sprachlichen Unterschied in § 683 S. 1 (Komplementarität von Interesse „und“ Willen betreffs Berechtigung zur Übernahme der GoA) und § 677 (das Interesse eingeschränkt durch „Rücksicht“ auf den Willen entscheidet über die korrekte Durchführung der GoA) folgen – jedenfalls sofern das Interesse rein objektiv verstanden wird. – Dadurch erhebt aber, wie im Beispiel, die ggf. vom Zufall abhängige Berechtigung zur Übernahme der GoA – unpassend zum Gedanken der Fremdnützigkeit jeder Geschäftsführung – den tatsächlichen Aufwendungsgenuss beim Geschäftsherrn zum Maßstab der Ausgleichspflicht. Systematisch zutreffender wäre, das objektive Interesse des Geschäftsherrn seinerseits zweckgebunden, und zwar vom Geschäftsherrn her, aber nach allen ihm zurechenbaren Umständen aufzufassen; denn der Fremdgeschäftsführungswille unterscheidet die GoA von den sonst in Betracht kommenden Kondiktionsansprüchen, für die allein die Sicht des Bereicherten maßgeblich ist. Es sollte also für § 683 S. 1 darauf ankommen, ob der Geschäftsführer davon ausgehen durfte, dass der „Wunsch“ nach dem Gesuchten noch aktuell gewesen wäre.
b) Haftung des Geschäftsführers
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Fällt bereits bei der Übernahme der Geschäftsführung dem Handelnden ein Verschulden in der Verkennung von Willen oder Interesse des Geschäftsherrn zur Last (leichteste Fahrlässigkeit genügt, vgl. § 276 Abs. 2), haftet er für alle, auch zufälligen Folgen seiner Geschäftsführung (vgl. § 678). War dagegen die Übernahme der Geschäftsführung berechtigt, ist der Geschäftsführer für die schädigenden Folgen seines Handelns insoweit verantwortlich, als ihn ein Ausführungsverschulden trifft (wiederum § 276 Abs. 2); die GoA ist ein gesetzliches Schuldverhältnis, für das eine Haftung für schuldhafte Pflichtverletzungen nach § 280 Abs. 1 besteht.
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Lediglich bei Notgeschäftsführung greift die Haftungsprivilegierung des § 680; nach § 682 haftet ein beschränkt geschäftsfähiger Geschäftsführer zudem nur nach den Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen (§§ 823 ff., insb. §§ 828 f.) und über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff.).
c) Anzeige- und Informationspflicht
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Aufgrund des Treuhandcharakters der GoA bestimmt § 681 S. 1 eine Verpflichtung des Geschäftsführers, die Übernahme der Besorgung dem Geschäftsherrn alsbald anzuzeigen und seine weitere Entschließung abzuwarten, soweit dies gefahrlos möglich ist. Im Übrigen verweist § 681 S. 2 auf die §§ 666 ff., also insb. auf die Pflicht zur Herausgabe alles Erlangten nebst hierzu erforderlicher Rechenschaftslegung.
d) Abgrenzung zur Haftung bei angemaßter Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2)
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Die unerlaubte Behandlung fremder Angelegenheiten als eigene begründet, wie bereits dargestellt, nicht das gesetzliche Schuldverhältnis der GoA. Sie führt vielmehr zur vollen deliktischen Schadenshaftung des Handelnden. § 687 Abs. 2 gibt dem Geschäftsherrn jedoch das Recht, alle Ansprüche aus berechtigter GoA geltend zu machen – ohne dadurch zugleich die Übernahme der Geschäftsführung zu genehmigen. Vielmehr wird der Geschäftsherr dann seinerseits wie im Fall der unberechtigten GoA behandelt und schuldet nach § 684 S. 1 lediglich die Herausgabe noch vorhandener Bereicherung.
In seinem Verlangen nach Herausgabe des Erlangten vom Geschäftsführer liegt jedoch konsequenterweise eine Genehmigung aller Verfügungen des Geschäftsführers nach § 185 Abs. 2.
Diese Vorgehensweise des Geschäftsherrn führt im Falle von Verfügungen des Geschäftsführers über Sachen oder Rechte hinsichtlich der Herausgabepflichten zum gleichen Ergebnis wie ein Kondiktionsverlangen nach § 816 Abs. 1, sofern mit der h.M. letzterer Anspruch auch die Herausgabe eines über dem Wert der verfügten Sache liegenden Gewinns (commmodum ex negotiatione) umfasst. Gleiches gilt im Falle des Forderungseinzugs im Hinblick auf § 816 Abs. 2.
Zusätzlich geben §§ 687 Abs. 2, 681, 666 jedoch auch einen Anspruch auf Rechnungslegung, was im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, etwa bei Urheberrechtsverletzungen, für eine erst dadurch überhaupt ermöglichte Feststellung des herauszugebenden Gewinns erforderlich sein kann.
Bedeutung kann auch die Zufallshaftung des § 678 im Rahmen der Ersatzansprüche haben, als diese über § 848 dadurch hinausgeht, dass sie nicht nur die unerlaubte Sachentziehung betrifft.
a) Erstattungsansprüche
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§ 683 gibt dem Geschäftsführer im Fall der berechtigten Übernahme den Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen nach § 670; dies gilt auch, wenn die Übernahme der Geschäftsführung zwar gegen den Willen des Geschäftsherrn erfolgte, dieser aber nach § 679 unbeachtlich ist (vgl. § 683 S. 2). Der Anspruch besteht außerdem im Falle der unberechtigten Übernahme der Geschäftsführung, sofern der Geschäftsherr sie genehmigt (vgl. § 684 S. 2).
Der Aufwendungsersatz umfasst eine Tätigkeitsvergütung des Geschäftsführers (nur), wenn er im Rahmen seines Berufs oder Gewerbes gehandelt hat (in entsprechender Anwendung von § 1835 Abs. 3). Dies ist schon deshalb zutreffend, weil dieser sich derweil um anderweitiges Berufseinkommen gebracht hat (z.B. beim Einsatz von Baumaschinen für Rettungsmaßnahmen).[26]
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Auch eigene Schäden des Geschäftsführers können als Aufwendungen ersatzfähig sein, nämlich sofern sich in der Schädigung das typische Risiko der übernommenen Geschäftsführung realisiert hat. Anderes gilt für Schäden, die lediglich dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen sind, ohne dass die vorgenommene Geschäftsführungsmaßnahme das Risiko erhöht hätte. Im Rahmen der danach ersatzfähigen Schäden kann eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs nach dem Rechtsgedanken des § 254 (Mitverschulden) in Betracht kommen, allerdings ist jedenfalls bei Rettungsmaßnahmen wiederum die Wertung des § 680 zu berücksichtigen, wonach dem Geschäftsführer nur grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz zur Last gelegt werden können.
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Der Vermögensschaden, der etwa risikotypisch aus einer Unfallverletzung des Geschäftsführers im Rahmen einer rettenden Geschäftsbesorgung erwächst, ist ersatzfähiger Aufopferungsschaden (z.B. durch Absturz eines Mitglieds der Bergwacht bei einer Rettungsaktion aus Bergnot). Hierzu zählen bei tödlicher Unfallverletzung des auftragslosen Retters – anders als im Fall vertraglich verabredeter Geschäftsführung (z.B. beim gebuchten Bergführer, wenn dieser bei der Rettung eines Mitglieds seiner Bergsteigergruppe verunglückt) – allerdings nicht Aufwendungen und Unterhaltsschäden von Angehörigen des zu Tode gekommenen Retters; während beim beauftragten Nothelfer eine Haftungserstreckung analog §§ 844 f. mittels eines Vertrags zugunsten Dritter durch ergänzende Vertragsauslegung möglich ist, scheidet solches bei der Geschäftsführung ohne Auftrag aus (ergänzende Vertragsauslegung setzt einen Vertrag voraus und für eine direkte Anwendung von §§ 844 f. mangelt es an einem Delikt).[27]
b) Bereicherungsansprüche
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Handelt der Geschäftsführer zwar mit Fremdgeschäftsführungswillen, ist die Übernahme der Geschäftsführung dem Geschäftsherrn jedoch unwillkommen und steht gegen sein Interesse (zur Problematik von Interesse und mutmaßlichem Willen s.o. Rn.