Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
(§ 253 Abs. 1).
1. Naturalrestitution
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Der Schädiger schuldet die tatsächliche körperliche Beseitigung des Schadens (Naturalrestitution). Diese kann in den Fällen der §§ 249 Abs. 2 und 250 auch dadurch verlangt werden, dass der Schädiger die Aufwendungen für die Herstellung zu tragen hat; solcher Geldersatz ist dennoch am Herstellungsinteresse orientiert und nicht Wertausgleich i.S.d. § 251.
Besonderheiten bestehen hinsichtlich der Geldforderung nach § 249 Abs. 2 bei Kfz-Schäden. Hier ist unter ganz engen Voraussetzungen statt der Durchführung einer zur Herstellung erforderlichen Reparatur ggf. die Anschaffung eines Neuwagens zulässig (sog. Schadensregulierung auf Neuwertbasis) wie alternativ auch die Abrechnung erforderlicher Reparaturkosten, ohne dass selbige durchgeführt würde (Abrechnung auf Netto-Reparaturkosten- oder Gutachtenbasis; exklusive der Umsatzsteuer). Ersteres schützt eine besondere Neuwagenaffinität, die zweite Möglichkeit ist Ausfluss der freien Vermögensdisposition des Geschädigten, der sein Fahrzeug nur in geringerem Umfang oder geringerer Qualität wieder herstellen lassen will (und den Unfall wirtschaftlich wie eine Art Teilveräußerung betrachtet; jedenfalls soweit das zugrunde gelegte Gutachten nicht, aus welchen Gründen auch immer, schlicht überhöht ist).
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Hinsichtlich der Reparaturkosten (gleich ob die Reparatur durchgeführt wird oder nur als Abrechnungsbasis dient) ist das Wirtschaftlichkeitsgebot als Ausfluss der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 a.E. zu berücksichtigen. Liegt ein Reparaturaufwand über 130 % der Wiederbeschaffungskosten (sog. wirtschaftlicher Totalschaden), kann der Geschädigte nur diese ersetzt verlangen. Einen Reparaturaufwand zwischen 100 % und 130 % der Wiederbeschaffungskosten kann der Geschädigte ersetzt verlangen, jedoch nicht auf Gutachtenbasis. Ergänzend zu den Reparaturkosten verbleibt jedenfalls bei Pkw ein über § 251 ersatzfähiger sog. merkantiler Minderwert eines reparierten Unfallwagens (der den Charakter einer von der Rechtsprechung beförderten Begehrensneurose hat).
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Gutachterkosten zur Schadensfeststellung sind nach § 249 Abs. 2 zu ersetzen. Solche sind auch neben (vertraglichem) Schadensersatz statt der Leistung erstattungsfähig und fallen nicht unter die Inkompatibilität nach § 284.
2. Wertausgleich durch Geldersatz
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Reine Geldentschädigung ist nach §§ 251–253 nur eingeschränkt zu fordern. Im Wesentlichen geht es um den Ersatz von Nutzungswerten, soweit diese unabhängig von der Wiederherstellung der tatsächlichen Substanz eines verletzten Gutes eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben (sog. Kommerzialisierung).
a) Fehlgeschlagene (frustrierte) Aufwendungen
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Grundsätzlich nicht zum Schadensumfang gehören Investitionen, die für den Geschädigten aufgrund der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung des Schädigers nutzlos geworden sind (ein Urlaub kann infolge einer Körperverletzung nicht angetreten werden und verfällt); anders nur, wenn der Schädiger gerade im Hinblick auf solche Aufwendungen besondere Pflichten übernommen hatte (im letzten Beispiel also etwa bei einer vom Reiseveranstalter zu verantwortenden Körperverletzung) oder bestimmte erkaufte Nutzungen oder Nutzungsmöglichkeiten einen allgemein anerkannten finanziellen Wert verkörpern (sog. Kommerzialisierung).[104]
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Anerkannt ist dies etwa für den Nutzungsausfall von Kraftfahrzeugen während der Reparaturdauer, etwa auch durch Anmietung eines Ersatzwagens (problemlos nur nach dem „Normaltarif“, nicht ohne Weiteres nach einem teureren „Unfallersatztarif“, vgl. § 251 Abs. 2 S. 1). Beispielhaft ist auch der rein emotional zu begründende sog. merkantile Minderwert technisch vollständig reparierter Pkw zu nennen.
Kommerzialisierung gilt etwa auch für infolge einer Schädigung vertanen Urlaub von Arbeitnehmern (nicht z.B. von Studenten), sofern der Erholungswert schädigungsbedingt verloren ist (z.B. durch Krankenhausaufenthalt statt Badeurlaub, nicht aber bei erzwungener Änderung des Reiseziels). Bei schädigungsbedingtem Ausfall von Gewerbetreibenden und Selbstständigen sind stets die Kosten eines tatsächlich beschäftigten Vertreters ersatzfähig.
Andere immaterielle, also nicht konkret bezifferbare Schäden können jedenfalls bei deliktischem Schadensersatz nur über die Bemessung eines Schmerzensgeldes (vgl. § 253 Abs. 2) berücksichtigt werden. Besonderheiten gelten für den Ersatz vertanen Urlaubs im Zusammenhang mit einem Reisevertrag (vgl. § 651f). Grundsätzlich sind jedoch fehlgeschlagene (frustrierte) Aufwendungen des Geschädigten, die für ihn infolge des schädigenden Ereignisses nutzlos wurden, nicht ersatzfähig. Besondere Schwierigkeiten bestehen unter dem Stichwort „Kind als Schaden?“, etwa im Hinblick auf den Unterhaltsschaden bei fehlgeschlagener Sterilisation, für den nach der Rechtsprechung Geldentschädigung gefordert werden kann.
b) Entgangener Gewinn
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Ersatzfähig ist auch entgangener Gewinn (vgl. § 252). An sich ist dies selbstverständlich, so dass die Bedeutung dieser Vorschrift in der Beweiserleichterung nach S. 2 liegt; ist dargetan, dass überhaupt ein Gewinn entgangen ist, kann dessen Höhe jedenfalls in unternehmerischem Zusammenhang abstrakt danach berechnet werden, was „wahrscheinlich“ verdient worden wäre ohne das Schadensereignis. Im Deliktsrecht finden sich hierzu ergänzende Vorschriften in den §§ 842, 843.
c) Schmerzensgeld
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Schmerzensgeld kann nach § 253 Abs. 2 in den dort genannten Fällen beansprucht werden. Es dient zuerst dem Ausgleich für erlittene Schmerzen, indem es den „Kauf“ von Lebensqualität ermöglichen soll, in besonders schwerwiegenden Fällen kommt auch eine Genugtuungsfunktion in Betracht. Zu berücksichtigen sind bei seiner Bemessung in erster Linie Art, Schwere und Dauer der Verletzungen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schädigers so wie das Ausmaß seiner Schuld.
§ 3 Ausgleichsordnung › F. Allgemeines Schadensrecht › IV. Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch
IV. Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch
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Deliktischer wie vertraglicher Schadensersatz dient zumeist der Beseitigung von Schadensfolgen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine etwa erkennbar drohende Gefahr hingenommen und der Schadenseintritt abgewartet werden müsste. Im vertraglichen Schuldrecht ergibt sich das hinsichtlich der Leistungspflichten schon daraus, dass dort die Erfüllungsklage möglich ist. Auch nach §§ 12, 862 und 1004 stehen den Betroffenen vorbeugende Klagen zum Schutz von Eigentum, Besitz und Namensrecht zu. Kraft Gewohnheitsrechts besteht ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch darüber hinaus generell bei allen Eingriffen in deliktisch geschützte Rechtsgüter und Rechte, insb. also in den Fällen von § 823 Abs. 1, 2.
Voraussetzung ist, dass ein rechtswidriger Eingriff droht. Solches Drohen kann zumeist aus bereits vorausgegangener Schädigung abgeleitet werden (sofern keine besonderen Umstände die konkrete Wiederholung gänzlich unwahrscheinlich werden lassen), es genügt jedoch auch eine konkrete Erstbegehungsgefahr.[105] Verschulden des Störers ist naturgemäß (mangels Tat) nicht erforderlich.
Häufiger Anwendungsfall sind etwa wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklagen, insb. nach § 8 UWG. Die Wiederholungsgefahr kann (nur) durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung