BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil. Harm Peter Westermann

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die der Schuldner weder kannte noch kennen musste. Auch trifft ihn die Obliegenheit, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Letztere wird auch „Schadensminderungspflicht“ genannt. Die Begriffsverwendung ist unglücklich, weil § 254 Abs. 2 S. 1 gerade keine Pflicht umschreibt oder voraussetzt. Die Beachtung der Obliegenheiten aus § 254 Abs. 2 S. 1 liegt im Eigeninteresse des Gläubigers. Verletzt er sie, erhält er in geringem Umfang Schadensersatz (§ 254 Abs. 1 iVm § 254 Abs. 2 S. 2). Der Schuldner hat aber keinen Anspruch gegen den Gläubiger darauf, dass er die Obliegenheiten einhält. Wer beispielsweise einem anderen schuldhaft eine Körperverletzung zugefügt hat, kann vom Geschädigten nicht verlangen, dass er die erforderlichen und zumutbaren Heilbehandlungen durchführen lässt, um die Entstehung größerer Folgekosten zu vermeiden.[53] Er ist aber in seinem Interesse ausreichend über § 254 Abs. 2 S. 1 iVm § 254 Abs. 1 geschützt: Denn seine Schadensersatzpflicht aus § 823 Abs. 1 ist wegen der Obliegenheitsverletzung in ihrem Umfang gemindert. Obliegenheiten können auch vertraglich vereinbart werden. Das spielt in der Praxis vor allem bei Versicherungen eine große Rolle: In Versicherungsverträgen werden häufig zahlreiche Obliegenheiten des Versicherungsnehmers vereinbart. Auf Einhaltung dieser Obliegenheiten haben die Versicherungen dann zwar keinen Anspruch. Aber ihre Einhaltung liegt wiederum im Eigeninteresse des Versicherungsnehmers: Verletzt er sie, kann es im Schadensfall zum Verlust oder zur Kürzung des Leistungsanspruchs kommen (vgl § 28 Abs. 2 S. 1 VVG).

      Teil I Grundlagen§ 3 Schuldrechtliche Pflichten – Einteilung und Abgrenzungen › VI. Lösung Fall 7

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      A. A könnte gegen B einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrrads aus § 433 Abs. 1 S. 1 haben.

      I. Durch den Abschluss des Kaufvertrags ist zunächst die Primärleistungspflicht der B entstanden, das Fahrrad zu übergeben und zu übereignen (§ 433 Abs. 1 S. 1).

      Ergebnis: A hat keinen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrrads aus § 433 Abs. 1 S. 1.

      B. A könnte einen Schadensersatzanspruch aus §§ 275 Abs. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 in Höhe von 300 Euro gegen B haben.

      I. Ein Schuldverhältnis liegt in Form des Kaufvertrags vor.

      III. B muss die Unmöglichkeit auch zu vertreten haben iSd § 280 Abs. 1 S. 2. Der Schuldner hat grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, § 276 Abs. 1. Indem sie ihr Fahrrad nicht abschloss, ließ B die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht und handelte mithin fahrlässig gem. § 276 Abs. 2. B hat die Pflichtverletzung somit zu vertreten.

      IV. Gem. § 251 Abs. 1 hat B Schadensersatz iHd Wertes des Fahrrades (300 Euro) zu leisten.

      Ergebnis: A hat gegen B daher einen Schadensersatzanspruch aus §§ 275 Abs. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 in Höhe von 300 Euro.

      Anmerkungen

       [1]

      S. dazu näher unten Rn 118.

       [2]

      Näher Unberath, Die Vertragsverletzung (2007), S. 175 ff.

       [3]

      Zum Folgenden näher Unberath, Die Vertragsverletzung (2007), S. 263 ff.

       [4]

      BGH NJW-RR 2018, 1103.

       [5]

      Wolf/Neuner, BGB AT11, § 38 Rn 2; Weiler, Schuldrecht Allgemeiner Teil4, S. 75.

       [6]

      Näher dazu unten Rn 237 ff.

       [7]

      Zu § 612 siehe Medicus/Lorenz, SR BT18, § 31 Rn 22 ff; zu § 632 siehe Medicus/Lorenz, SR BT21, § 35 Rn 8 ff.

       [8]

      Jauernig/Mansel, BGB17, § 241 Rn 9.

       [9]

      BGH NJW 2018, 1746 (1747). Zur Abgrenzung der Nebenleistungspflichten von den Schutzpflichten (iSd § 241 Abs. 2) unten Rn 112 ff.

       [10]

      Vgl §§ 275 Abs. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 bei Ausschluss der Leistungspflicht nach Vertragsschluss, §§ 275 Abs. 4, 311a Abs. 2 bei Ausschluss der Leistungspflicht bei Vertragsschluss.

       [11]

      BGH NJW-RR 1989, 801 (Unbefristetes Wettbewerbsverbot bei Verkauf einer Gebäudereinigungsfirma).

       [12]

      Vgl BAG, 3 AZR 442/68, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr 7.

       [13]

      Vgl BGH NJW 1979, 1404: Vermietung innerhalb eines Einkaufszentrums.

       [14]


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