BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil. Harm Peter Westermann

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Sie mit dem Verkäufer stillschweigend auch eine Vereinbarung über den Erfüllungsort getroffen – der soll nämlich im Kiosk liegen.[24]

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      Der Leistungsort kann sich gem. § 269 Abs. 1 auch aus den Umständen des Einzelfalls, insbesondere aus der „Natur des Schuldverhältnisses“ ergeben. Dabei kommt es auch auf die Verkehrssitte und möglicherweise vorhandene Handelsbräuche an. Beispielsweise ergibt sich bei einem Heizöl-Kauf auch ohne ausdrückliche Abrede aus der Natur des Schuldverhältnisses, dass der Leistungsort beim Käufer ist (nicht etwa beim Verkäufer, wozu ja die Zweifelsregel des § 269 Abs. 1 iVm § 269 Abs. 2 führen würde).

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      Hilfsweise – also nur, wenn sich weder aus der Parteivereinbarung, noch aus den Umständen etwas anderes ergibt – ist der Ort Leistungsort, an dem der Schuldner seinen Wohnsitz (vgl § 7) hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses. Wenn die Schuld im Gewerbebetrieb eines Schuldners entstanden ist, tritt der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hatte. Im Zweifel liegt also eine „Holschuld“ vor, weil der Gläubiger die Leistung beim Schuldner „einholen“ muss.

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      B. Rückzahlung in Detmold kann A nur verlangen, wenn Detmold Leistungsort für die Rückzahlung des Kaufpreises ist. Der Leistungsort bestimmt sich vorrangig durch Parteivereinbarungen oder anhand der sonstigen Umstände.

      I. Eine Parteivereinbarung haben B und A nicht getroffen.

      Ergebnis: B kann von A Rückzahlung des Kaufpreises in Detmold verlangen, freilich nur Zug-um-Zug gegen Rückübereignung des Autos.

      Teil II Der Inhalt von Schuldverhältnissen§ 6 Modalitäten der Leistungserbringung › III. Leistung durch Dritte

      Fall 27:

      A schuldet B 1.000 Euro aus einem Kaufvertrag und befindet sich mit der Zahlung in Verzug. B freut sich darüber, weil er sich keine bessere „Geldanlagemöglichkeit“ als einen Schuldner in Verzug vorstellen kann. D, der Bruder des A, will die Schuld des A samt Zinsen bezahlen, weil er es hasst, wenn seine Familienmitglieder Schulden haben. Die Mutter des A informiert ihn von den Plänen des D. A will sich keinesfalls von D „aushalten“ lassen. Er ruft deshalb B an und verbietet ihm, das Geld des D anzunehmen. B kommt der „Bitte“ des A nach und lehnt die Annahme der Zahlung D gegenüber ab. Im Nachgang kommen ihm aber Zweifel, ob dies so clever war. Er fürchtet, dass er von A jetzt keine Verzugszinsen mehr verlangen kann. Zu Recht? Lösung Rn 318 und 329

      Fall 28:

      D spielt einen Golfball über eine Baumgruppe, da er denkt, dahinter befinde sich das Grün. Er war unachtsam und hat sich am Abschlag nicht hinreichend über die Spielbahn informiert. Tatsächlich befindet sich hinter der Baumgruppe ein Parkplatz, was D auch leicht hätte erkennen können. Als D seinen Ball sucht, fällt ihm auf, dass die Heckscheibe eines VW Polo zerbrochen ist. Er eilt direkt ins Clubhaus und findet dort G, den Besitzer des Polos. D ersetzt G den Schaden in Geld. Erst später stellt sich heraus, dass nicht D, sondern S den Schaden verursacht hat: Auch S hatte kurz zuvor aus Unachtsamkeit von einer anderen Bahn aus einen Ball auf den Parkplatz gespielt. Hat D Ansprüche gegen G oder S?

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      Regelmäßig wird der Schuldner selbst die geschuldete Leistung erbringen. Das ist aber nicht immer so: Gelegentlich – wie Fall 27 illustriert – schalten sich auch Dritte ein, um die Leistung zu erbringen. Aus Sicht des Gläubigers scheint das auf den ersten Blick unproblematisch zu sein: In vielen Fällen kommt es nicht auf die persönliche Leistung an, so dass es dem Gläubiger egal sein kann, wer sie erbringt. § 267 lässt die Leistungserbringung durch Dritte daher grundsätzlich zu, wenn die Leistung nicht höchstpersönlich zu erbringen ist. Auch verpflichtet die Norm den Gläubiger grundsätzlich zur Annahme der Leistung. Fragen der Rückabwicklung, also insbesondere ob der Dritte einen Regressanspruch gegen den Schuldner hat, lässt § 267 offen.

2. Voraussetzungen des § 267

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      Die Leistungsberechtigung des Dritten setzt gem. § 267 Abs. 1 S. 1 voraus, dass der Schuldner nicht in Person zu leisten hat (keine höchstpersönliche Leistungspflicht). Mit dieser tatbestandlichen Beschränkung will das Gesetz den Gläubiger davor schützen, dass die Leistung durch eine andere Person bewirkt wird, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat, dass die Leistung gerade durch den Schuldner selbst erfolgt. Dafür kommt es entscheidend auf die Art des Schuldverhältnisses und die Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände an. Unterlassungsansprüche (etwa auf Unterlassung ehrverletzender Aussagen) kann nur der Unterlassungsschuldner selbst erfüllen. Wenn es auf die individuellen Fähigkeiten ankommt, liegt ebenfalls eine höchstpersönliche Leistungspflicht nahe. Wenn beispielsweise Domkapellmeisterin D die Sopranistin S für einen Kantatengottesdienst als Solistin engagiert, kommt es D gerade darauf an, dass S singt und nicht irgendeine andere Sopranistin.

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      Oft ergibt sich auch aus dem Gesetz, dass bestimmte Schuldverhältnisse regelmäßig höchstpersönliche Leistungspflichten begründen: So darf etwa bei einem Auftrag der Beauftragte die Ausführung grundsätzlich niemand anderem übertragen (§ 664 Abs. 1 S. 1). Auch hier liegt also grundsätzlich eine höchstpersönliche Leistungspflicht vor; anders ist es freilich, wenn die Übertragung gestattet ist (vgl § 664 Abs. 1 S. 2).

      Ebenso wie beim Auftrag liegt es wegen der Verweisung des § 713 in das Auftragsrecht für die Gesellschafterpflichten


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