Europarecht. Bernhard Kempen
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Europol arbeitet eng mit den Mitgliedstaaten zusammen, was sich bereits aus den Normen zu Aufgaben und Befugnissen ergibt. Zentral ist dabei der Datenaustausch über gemeinsame Informationssysteme, auf welche die Mitgliedstaaten nach dem „Treffer-/Kein-Treffer-Verfahren“ Zugriff haben. Neben Verpflichtungen zum Datenaustausch wird es Europol darüber hinaus ermöglicht, die Mitgliedstaaten auf deren Wunsch hin operativ zu unterstützen. Europol spielt dabei jedoch keine leitende, sondern lediglich eine assistierende Rolle; die Durchführung konkreter Maßnahmen verbleibt im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. In Deutschland ist gemäß dem Europol-Gesetz das Bundeskriminalamt (BKA) die intern zuständige Stelle für die Zusammenarbeit mit Europol.
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Eine besondere Form der mitgliedstaatlichen Kooperation sind die in Art. 5 Europol-VO näher geregelten gemeinsamen Ermittlungsgruppen. Diese gründen sich auf gesonderte Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und Europol; auch hier kommt Europol eher die Rolle eines „Dienstleisters“ als diejenige einer Einsatzstelle zu.
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Daneben kann Europol auch von Amts wegen im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten tätig werden. Zum einen kann sie einzelne Mitgliedstaaten auf Grundlage eigener Erkenntnisse dazu ersuchen, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten, Art. 6 Europol-VO. Jedoch liegt auch hier die letztliche Entscheidungskompetenz ausschließlich bei dem ersuchten Mitgliedstaat selbst. Zum anderen hat sie gem. Art. 22 Europol-VO die Pflicht, die Mitgliedstaaten über sie betreffende Informationen zu unterrichten.
b) Andere Einrichtungen der EU
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Europol ist überdies dazu ermächtigt, Kooperationen mit anderen Einrichtungen der EU einzugehen, Art. 23 Abs. 1 Europol-VO. Unabhängig davon ist die Datenübermittlung an Stellen der EU aber stets i.R.d. allgemeinen Vorgaben möglich, Art. 24 Europol-VO.
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Daneben statuiert Art. 21 Europol-VO eine besondere Form der Pflichtkooperation mit anderen Einrichtungen der EU. Denn i.R.d. mit den Mitgliedstaaten bestehenden Informationssysteme müssen auch → Eurojust und das Amt für Betrugsbekämpfung OLAF indirekten Zugriff auf die Datenbestände erhalten. Eine besondere Kooperationspflicht statuiert außerdem neuerdings Art. 102 EUStA-VO (s. o. Rn. 788) im Hinblick auf die wohl im Jahr 2020 oder 2021 ihre Tätigkeit aufnehmende Europäische Staatsanwaltschaft. Auf dieser Grundlage sollen Europol und EUStA „eine Arbeitsvereinbarung, in der die Modalitäten ihrer Zusammenarbeit festgelegt werden“, schließen (Art. 102 Abs. 1 S. 2).
c) Internationale Kooperationen
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Bereits auf Grundlage des Europol-Beschl. konnte Europol internationale Übereinkommen mit Drittstaaten und internationalen Organisationen schließen; heute geschieht dies auf Grundlage von Art. 25 Abs. 1 Europol-VO, der Europol damit eine partielle Völkerrechtsfähigkeit verleiht. Die bereits zuvor geschlossenen Abkommen gelten auch nach der Europol-VO weiter. Inzwischen hat Europol mit zahlreichen Staaten und einigen internationalen Organisationen einerseits sog. operative Vereinbarungen und andererseits sog. strategische Vereinbarungen geschlossen, etwa mit Interpol. Aktuelle Listen der Staaten und Organisationen nebst den zugehörigen Übereinkommen finden sich auf der Internet-Präsenz von Interpol unter https://www.europol.europa.eu/partners-agreements (letzter Abruf Juli 2018).
E › Europol (Björn Schiffbauer) › IV. Organisation
1. Einordnung im System der EU
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Als Agentur der EU ist Europol mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet (vgl. auch Art. 62 Europol-VO) und von den EU-Institutionen rechtlich getrennt. Europol gehört aber zum acquis communautaire, da ihr Bestand auf Art. 88 AEUV zurückgeht. Sie gehört zum RFSR und ist dabei im Bereich der PZ angesiedelt. Überdies ist Europol nicht nur über ihr Personal, sondern auch über die Finanzierung sowie die parlamentarische Kontrolle fest mit der EU verwoben.
a) Verwaltungs- und Leitungsstruktur
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Europol verfügt über eine Verwaltungs- und Leitungsstruktur (Art. 9 ff. Europol-VO), die sich im Verwaltungsrat und im Exekutivdirektor widerspiegelt. Seit Geltung der Europol-VO werden diese nicht mehr als Organe bezeichnet, erfüllen aber weiterhin vergleichbare Aufgaben. Daneben kann der Verwaltungsrat weitere beratende Gremien einsetzen.
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Der Verwaltungsrat (Art. 10 ff. Europol-VO) setzt sich zusammen aus einem Vertreter pro EU-Mitgliedstaat sowie einem Vertreter der → Europäischen Kommission. Mit seinen Beschlüssen, die mit einfacher Mehrheit ergehen, setzt er verbindliches Innenrecht von Europol. Ihm sind eine Reihe innerorganisatorischer Zuständigkeiten zugewiesen, darunter die Planung des Arbeitsprogramms von Europol, strategische Planungen, Datenschutz, Personalangelegenheiten und Haushaltsangelegenheiten.
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Der Exekutivdirektor (Art. 16 und 54 Europol-VO) leitet Europol und vertritt sie gesetzlich. Er wird vom Rat aus einer Auswahlliste für eine Amtszeit von vier Jahren ernannt, die einmalig um weitere vier Jahre verlängert werden kann. Seine Tätigkeiten übt er unabhängig aus. Insbesondere ist er keinen Weisungen von Organen der EU oder der Mitgliedstaaten unterworfen; ihn trifft lediglich eine Rechenschaftspflicht. Seit 1.5.2018 ist die Belgierin Catherine De Bolle Exekutivdirektorin von Europol. Ihre Vorgänger waren (bis 2009 unter der Bezeichnung „Direktor“) der Waliser Bob Wainwright (2009 bis 2018) sowie die Deutschen Max-Peter Ratzel (2004 bis 2008) und Jürgen Storbeck (1992 bis 2004).
b) Personalstruktur und Aufgabenverteilung
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Europol beschäftigte nach letzter Erhebung (im Dezember 2017) genau 1203 Bedienstete mit 46 verschiedenen Nationalitäten und kann auf 220 Verbindungsbeamte („European Liaison Officers“ – ELOS) der EU-Mitgliedstaaten zurückgreifen. Die Beamten stammen weit überwiegend aus den Mitgliedstaaten der EU. Am stärksten vertreten sind die Niederlande (100) knapp gefolgt von Spanien (97); prominent vertreten sind außerdem Italien (67), Rumänien (62), Griechenland (56) und Deutschland (53). Daneben werden außerdem knapp 80 Bedienstete aus Drittstaaten und anderen Organisationen einbezogen, so sind z.B. auch Australien, Kanada oder die Schweiz sowie Interpol und US-amerikanische Behörden (FBI, DEA, Einwanderung/Zoll und einige mehr) repräsentiert.
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Der Exekutivdirektor von Europol unterstehen drei Abteilungen: Abteilung O („Operations“), Abteilung G („Governance“) und Abteilung C („Capabilities“), die jeweils von einem stellvertretenden Exekutivdirektor geleitet werden. Die Tätigkeitsbereiche der Abteilungen lassen sich grob abgrenzen zwischen operativen Tätigkeiten mit Außenwirkung, also konkrete Maßnahmen i.R.d. Europol zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse (Abteilung O), Unternehmensangelegenheiten und interne Tätigkeiten wie Eigensicherung und Beschaffung (Abteilung G) sowie Verwaltung und Technik, insbesondere Informations- und Kommunikationstechnologie (Abteilung C).
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Neben den Abteilungen existieren bei Europol nationale Verbindungsbüros,