Europarecht. Bernhard Kempen

Europarecht - Bernhard  Kempen


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nicht zu einem Ortswechsel auf unbestimmte Dauer (EuGH, Urt. v. 5.10.1988, 196/87 – Steymann –, Rn. 17). Die dritte Fallgruppe bilden die sog. Korrespondenzdienstleistungen. Bei diesen überschreitet nur die Dienstleistung die Grenze, während der Erbringer und der Empfänger der Dienstleistung in ihren Heimatstaaten verbleiben. Typische Anwendungsbeispiele sind die Dienstleistungen von Banken und Versicherungen sowie Rundfunk und Internet (EuGH, Urt. v. 30.4.1974, 155/73 – Sacchi –, Rn. 6; Urt. v. 24.10.1978, 15/78 – Koestler –, Rn. 3).

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      Damit diese Rechte wirksam ausgeübt werden können, stehen dem Dienstleistungserbringer und dem Dienstleistungsempfänger einige Begleitrechte zur Verfügung, wie insbesondere das Recht zur vorübergehenden Einreise und zum vorübergehenden Aufenthalt zur Erbringung bzw. zum Empfang der Dienstleistung. Dieses Recht erstreckt sich auch auf die Angestellten des Leistungserbringers (EuGH, Urt. v. 9.8.1994, C-43/93 – Vander Elst –, Rn. 26). Da die Dienstleistungsfreiheit zudem nicht die Existenz eines bestimmten Leistungsempfängers voraussetzt, sind Tätigkeiten im Vorfeld der Leistungserbringung, wie z.B. die Werbung und Kontaktaufnahme zu potentiellen Kunden, ebenfalls vom Gewährleistungsumfang erfasst (EuGH, Urt. v. 10.5.1995, C-384/93 – Alpine Investments –, Rn. 28). Hierzu zählt auch das Recht der Dienstleistungserbringer, Immobilien zu erwerben oder zu nutzen, soweit dies der Leistungserbringung dient (EuGH, Urt. v. 30.5.1989, C-305/87 – Kommission/Griechenland –, Rn. 24 ff.).

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      Die Gewährleistungen der Dienstleistungsfreiheit setzen wie alle Grundfreiheiten einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus (→ Grundfreiheiten: Allgemeine Lehren). Hinsichtlich des Vorliegens der grenzüberschreitenden Erbringung einer Dienstleistung ist zu unterscheiden zwischen der aktiven Dienstleistungsfreiheit, der passiven Dienstleistungsfreiheit und der Korrespondenzdienstleistung (s. o. Rn. 545). Für Tätigkeiten, die lediglich Bezüge zum nationalen Markt des Heimatstaates des Leistungserbringers aufweisen und nicht über die Grenzen hinausweisen, ist die Dienstleistungsfreiheit dagegen nicht einschlägig (EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-97/98 – Jägerskiöld –, Rn. 42).

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      Wie im Bereich der Niederlassungsfreiheit sind gem. Art. 62 i.V.m. Art. 51 UAbs. 1 AEUV Tätigkeiten vom Anwendungsbereich ausgenommen, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind. Die Vorschrift ist eng auszulegen und erfasst nur Tätigkeiten, bei denen der Leistungserbringer über eigene Vollzugs-, Verbots- oder Zwangsbefugnisse gegenüber anderen verfügt. Dagegen fallen Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten für die Ausübung öffentlicher Gewalt ebenso wie Beiträge zur Erfüllung von öffentlichen Aufgaben, die nicht unmittelbar mit Beurteilungs- oder Entscheidungsbefugnissen einhergehen, nicht unter die Bereichsausnahme (EuGH, Urt. v. 17.3.2011, C-372/09 – Penarroja Fa –, Rn. 42).

      DDienstleistungsfreiheit (Michael Rafii) › IV. Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit

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      Gem. Art. 56 UAbs. 1 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen verboten. Fällt eine Maßnahme der Mitgliedstaaten oder der anderen Verpflichtungsadressaten in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit, ist daher zu prüfen, ob sie eine Beeinträchtigung des Gewährleistungsinhalts darstellt. Wie bei allen Grundfreiheiten (→ Grundfreiheiten: Allgemeine Lehren) können sich Beeinträchtigungen zum einen aus unmittelbar oder mittelbar diskriminierenden Maßnahmen ergeben (Gleichheitsrecht) und zum anderen aus beschränkenden Maßnahmen (Freiheitsrecht).

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      Gem. Art. 57 UAbs. 3 AEUV hat der Dienstleistungserbringer das Recht, seine Dienstleistungen nach denselben Vorgaben erbringen zu dürfen, die für inländische Staatsangehörige bestehen. Damit sind Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verboten. Das Diskriminierungsverbot umfasst sowohl unmittelbare, direkt an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Ungleichbehandlungen (auch direkte oder offene Diskriminierung genannt) als auch mittelbare Diskriminierungen, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (auch indirekte versteckte oder verschleierte Diskriminierung genannt; EuGH, Urt. v. 16.12.2010, C-137/09 – Josemans –, Rn. 58). Diese Differenzierung ist wegen der unterschiedlichen Anforderungen, die an die Rechtfertigung direkt oder indirekt diskriminierender Maßnahmen gestellt werden, von Bedeutung.

      551

      Eine unmittelbare Diskriminierung bilden etwa nationale Regelungen, die den Zugang zum Beruf des Fremdenführers Staatsangehörigen des Aufnahmestaates vorbehalten oder nach denen lediglich ausländische Studenten in dem Mitgliedstaat Studiengebühren zahlen müssen (EuGH, Urt. v. 22.3.1994, C-375/92 – Kommission/Spanien –, Rn. 10; Urt. v. 13.2.1985, C-293/83 – Gravier –, Rn. 26). Die Forderung nach einem Entgelt lediglich von ausländischen Besuchern staatlicher Museen stellt eine direkte Diskriminierung i.R.d. passiven Dienstleistungsfreiheit dar (EuGH, Urt. v. 15.3.1994, C-45/93 – Kommission/Spanien –, Rn. 10).

      552

      

      Formen mittelbarer Diskriminierung sind insbesondere Maßnahmen, die eine Unterscheidung aufgrund des Kriteriums des Wohnsitzes treffen, da sich dieses Kriterium regelmäßig zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt. Dies traf z.B. auf eine niederländische Regelung zu, die nicht in den Niederlanden ansässigen Personen den Zutritt zu Coffeeshops untersagte (EuGH, Urt. v. 16.12.2010, C-137/09 – Josemans –, Rn. 59). Eine mittelbare Diskriminierung stellte weiterhin eine italienische Regelung dar, wonach Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen einen Treueeid auf den italienischen Staat und das Staatsoberhaupt in italienischer Sprache schwören mussten (EuGH, Urt. v. 13.12.2007, C-465/05 – Kommission/Italien –, Rn. 48).

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      In der Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass die Dienstleistungsfreiheit über ein bloßes Diskriminierungsverbot hinaus „die Aufhebung aller Beschränkungen, selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistende wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten, verlangt, wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen“ (EuGH, Urt. v. 25.7.1991, C-76/90 – Säger –, Rn. 12; Urt. v. 12.12.1996, C-3/95 – Broede –, Rn. 25). Die Beeinträchtigung kann sowohl vom Aufnahme- als auch vom Heimatstaat ausgehen (EuGH, Urt. v. 10.5.1995, C-384/93 – Alpine Investments –, Rn. 30).

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      Wiederholt wurden vom EuGH Eintragungs- oder Genehmigungserfordernisse vor der Ausübung der Tätigkeit als Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit angesehen. In diesem Zusammenhang hat der EuGH etwa die sich aus der deutschen Handwerksordnung ergebende Pflicht beanstandet, wonach sich ein Unternehmen vor Ausübung einer handwerklichen Tätigkeit in die Handwerksrolle eintragen und damit Pflichtmitglied in der Handwerkskammer werden musste. Das Eintragungsverfahren würde bei Unternehmen, die bereits in ihrem Heimatstaat die erforderlichen Voraussetzungen nachgewiesen hätten, die Leistungserbringung unzulässig erschweren


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