Die Sterne in uns. Jan Corvin Schneyder

Die Sterne in uns - Jan Corvin Schneyder


Скачать книгу
mich unterwegs jemand angreifen, wäre ich schon in Bewegung, in Action. Das Rennen machte mich mutiger und stärker, fühlte sich gesünder an als all das Abwarten zuvor. Es war dunkel, aber Notleuchten von der Größe kleiner Schaltknöpfe leuchteten mal hier, mal dort. Ich registrierte alle Farben und jede Bewegung viel intensiver als je zuvor. Vor jedem Quäntchen Licht hätte sich eine Kontur abzeichnen können, eine verräterische Bewegung.

      Aber alles blieb menschenleer.

      Bis auf meinen Atem und meine Schritte hörte ich im ganzen Gebäude nichts.

      Es roch nach meinem Schweiß und einem Hauch von Rauch.

      Ich trat die Tür zu meinem Büro, wie ich den Kontrollraum zu nennen pflegte, auf.

      Die Screens der Terminals im Stand-by-Modus warfen grau-blaues Licht auf den Boden. Es genügte, um den Raum sofort zu überblicken, als ich eintrat.

      Niemand war drin. Nur das zählte jetzt.

      Ich schmiss die Tür wieder zu und verriegelte sie dreifach. Mehr Verriegelungsstufen gab es auch nicht.

      Der Raum hatte ein eigenes Lebenserhaltungssystem und einen zweiten Ausgang. Auch den verriegelte ich dreifach.

      Ich schaute nicht mal nach, ob im Raum dahinter jemand oder etwas war.

      Viel zu gruselig! Ähm, völlig unnötig.

      Mir reichten diese paar Quadratmeter momentan völlig aus.

      Ein Held sein. A hero to be.

      Tolle Songs gibt´s dazu, sicher auch viel Heldenmut – hatte ich schon gesehen und vielleicht ansatzweise auch selbst gezeigt – aber letztlich pissen sich in Kriegen doch alle in die Hose und beten, dass es vorbei geht. Gewalt und Kriege verherrlichen hinterher vor allem jene, die nicht mal an einem realen Konflikt geschnuppert haben.

      Ich hätte das Gebäude nun im Dunkeln abgehen können, mit der Waffe in der Hand.

      Der übliche Horrorfilm-Plot.

      Türen vorsichtig öffnen.

      Irgendwann würde ich die Toilettenbereiche prüfen. Ich würde mich hinknien, um unten durch sehen zu können, und dann stünde der Mörder auf der Schüssel. Oder so ähnlich.

      Kann mal einer vorspulen? Das ist so langweilig! Ich würde aber wahrscheinlich dabei sterben. Langweilig sterben. Ich kann im Weltraum, im Krieg auf einem Schiff, gerne irgendeine sich schnell ausbreitende Katastrophe verhindern, oder schneller schießen als man zielen kann – mit den Bordwaffen – oder Leute umtreten, Torpedos rasend schnell umprogrammieren und so weiter. So ein Zeug eben. Kriegszeug. Aber das hier? Das ist kein Krieg. Das ist Scheiße.

      Ich dachte an das, was draußen war.

      Irland und seine verschlafene, wild-romantische Westküste. Ich war doch hier, damit ich meine Ruhe hatte. Das Command war erst mal ein wenig traurig gewesen, dass ich nicht mehr auf einem Schiff dienen wollte, aber danach dachten sie sich, ich würde bestimmt wenigstens gern Tokyo übernehmen.

      Tokyo!

      Von dort wurde die halbe Erde kontrolliert, wenn es um Verteidigungstechnologien ging. Und wie viele Menschen da rumrannten!

      Äh, und ich dann so: Nöööö!

      Ich hatte mir vorher schon angesehen, wo Teams und Standorte etabliert werden. Nichts war randständiger als das hier, als County Mayo und Co.

      Ich wollte diesen Standort, da hier nichts explodierte, niemand starb und keine politischen Intrigen durch die Tür kamen.

       Fuck! Pech muss man haben!

      Und jetzt saß ich im dunklen, abgeriegelten Kontrollraum.

       Wie in einem Panic Room!

      Einige Gefühle in mir warben dafür, schnell wieder hier herauszukommen, aber ich würde auf keinen Fall rausgehen. Irre Mörder warteten doch nur darauf.

      Aber Kommunikation, fand ich, musste schon sein. Ich konnte ja nicht ewig hier bleiben. Das Licht hatte ich selbst ausgemacht, also musste jetzt gezwungenermaßen aufs Tageslicht gewartet werden. Wobei, wie viele Morde passieren bei Tag, wie viele bei Nacht?

      Warum habe ich eigentlich Angst? Habe ich denn Angst? Kein Freund oder Kind wartet auf mich in meinem spartanischen Zuhause. Bislang ist das so, und das meiste davon ist selbst gewählt. Ich will nicht klagen, aber wovor habe ich Angst? Was würde ich, was würde das Universum schon verlieren? Keinen Stern.

      Ich lag in meinem Kommandosessel und sehnte mich nach Getränken, die mir die Situation erleichtert hätten. Es gab keine. Aber die galoppierende Gedankenlawine war jetzt ohnehin nicht mehr aufzuhalten.

      Aber ich hab es mir doch eigentlich ganz hübsch gemacht. Nein, hab ich nicht! Wem will ich das erzählen? Weil Frauen sich immer alles hübsch machen müssen? Wieso eigentlich? Ich schmeiße gern meine verschwitzten Stiefel neben die Tür und lasse sie dort verrecken.

      Aber schön, stylish und kuschelig mag ich´s ja auch. Ich weiß nicht, wie viele von uns Frauen zerrissen sind zwischen Gestaltungswillen und Ästhetik auf der einen, aber auch Coolness und Rotzigkeit auf der anderen Seite. Ich glaub, das sind ganz, ganz viele von uns.

      Ich bin aber noch mal ein ganzes Stück weniger Durchschnitt. Wahrscheinlich eher halb Mann, halb Frau. Irgendwie. Mit einem leichten Tick zur Frau. Ich muss mich aber eh nicht entscheiden. Nicht dafür.

      Alles im Kontrollraum fiel plötzlich aus.

      Wirklich alles, das in irgendeiner Weise die noch verbliebene Energie beanspruchte, war nun offline.

      Es war stockfinster, und nichts regte sich.

      Die Minuten verstrichen.

      Ich lauschte auf das Nichts und bewegte mich nicht.

      Ich war nicht sicher, ob die weitere Abschaltung eine Folge meiner vorherigen Abschaltungsstufen oder ein externer Eingriff war.

      Die Türverriegelung war nicht nur elektronisch, sondern auch mechanisch und magnetisch. Das war Standard bei Kontrollräumen der ST, vom Raumschiff bis zur Kleinstation in Irland.

      Meine Position war nicht unsicherer als vorher, aber diese Schwärze war neu.

      Der Raum hatte keine Fenster.

      Es war eine allumfassende Dunkelheit.

       Schwarz wie die Nacht in Afrika. Mann, wird´s da nachts schwarz! Wunderschön!

      Überhaupt ist die Farbe schwarz wundervoll. Schwarze Menschen sind so fucking schön! Nur steh ich selbst halt nicht drauf. Dafür kann ich ja nichts.

       Ich mag eher japanische Typen. Gut, dass ich nicht nach Tokyo gegangen bin! Manche sind voll knuddelig, aber der Vorteil ist dann irgendwie auch der Nachteil. Ich sehe denen manchmal nicht an, ob sie 16 oder 36 sind. Irgendwie fehlen da Hormone. Mir wahrscheinlich. Und wenn doch mal einer richtig cool und geil und irgendwie in meinem Alter ist, dann stimmt irgendwas anderes nicht. Zu hohe Stimme. Oder spricht nur japanisch. LOGISCH. Aber ich nicht. Oder er ist trotz meiner eigenen Verzwergung nicht größer als ich. Ich mag schon eher größere Typen. SEUFZ. Jaja, Äußerlichkeiten sind egal, ist schon klar. Am Arsch! Sind sie ja dann doch kaum jemandem. Zumindest anfangs. Ist wie Geschmack beim Essen. Lieben soll man jeden Menschen. Find ich zumindest. Aber Sex? Ich esse doch auch nichts, was mir nicht schmeckt. Wenn ich vorher schon weiß, es schmeckt mir nicht, dann schon mal gar nicht. Ok, das weiß man bei Essen selten vorher. Stimmt also auch wieder was nicht bei dieser Überlegung, aber bei Sex? Ich hatte mal fast … nein, falsch. Mich hatte mal fast ein Asiat. Böh, wie das klingt. Rassistisch. Also die letzten, keine Ahnung, dreißig Generationen seiner Familie stammten zumindest dem Äußeren nach aus dem früheren Japan, Korea oder China. Keine Ahnung. Also angeblich war er Japaner. Hat er gesagt. Egal. Der hatte mich soweit. Wir waren irgendwo, und irgendwann plötzlich nackt, und zwar ganz nackt! Dann ging es langsam los… Manche Klischees sind leider wahr. Und ich wollte das dann irgendwie doch gar nicht mehr so sehr.


Скачать книгу