Comanchen Mond Band 2. G. D. Brademann
des Llano Estacado hatte sich bisher nur Mackenzie mit seinen eingeschworenen Männern gewagt. Die Soldaten folgten dem jetzt nicht mehr so schlammigen Flusslauf. Smith hatte vor, zunächst westwärts zu reiten, dann nach Norden und zurück ostwärts zum Colorado River. Die verdammten Comanchen würden schon irgendwo dort draußen sein. Er würde siegreich zurück nach Fort Concho kommen – davon war er überzeugt.
Doch schon nach einem Tag änderte er seinen Plan. Er war sich nicht über die Strapazen klargewesen, die ein Ritt in diesem Klima mit sich brachte. Schon jetzt hatte er die Nase voll. Das Klima hier entsprach nicht seinen Vorstellungen. Nicht nur die Trockenheit machte ihm zu schaffen – auch wollte er nicht zugeben, wie recht Mackenzie wegen der mitgeführten Artillerie hatte. Jetzt fragte er sich, wie dieser in seinen Augen lächerlich wirkende Mann und seine Männer dieses Klima nur aushalten konnten. Die Sonne stand gleißend hell am Himmel, und sie mussten die Pferde bis weit hinein in den Concho führen, damit sie an besseres Wasser herankamen. Nachdem sie sie getränkt und ihre eigenen Wasservorräte aufgefüllt hatten, ritten sie weiter. Am Abend rasteten sie mitten in einem weitläufigen Canyon. Der Himmel war voller Sterne, und es herrschte eine unheimliche Stille. Die erfahrenen Soldaten unter ihnen meinten, all die Tiere, die es sonst hier im Überfluss geben sollte, würden sich vor ihnen verkriechen, weil sie wie eine Elefantenherde durch die Gegend trampelten. Sie spielten dabei vor allem auf den Trupp mit den Wagen und den Geschützen an.
Am nächsten Morgen überquerten sie den Concho, der irgendwo weiter westlich entspringen musste. Smith gab den Befehl, nach Norden zu reiten. Er hatte sich entschlossen, nicht weiter in dieses unzugängliche Gebiet vorzudringen. Von einer Landkarte, die in Fort Concho hing, wusste er in etwa, wo der Colorado River entlangführte. Sie mussten erst nach Norden, um dann nach Osten abzubiegen. Er wollte auf keinen Fall die gleiche Strecke wie auf dem Herweg nehmen. Wenigstens konnte er so behaupten, auf Comanchenjagd gewesen zu sein. Nach einem weiteren Tag in diesem fast unerträglichen Klima und mit dem wenigen Wasser, das sie inzwischen nur noch hatten, ließ Smith am Abend doppelte Rationen ausgeben. Damit wollte er die Moral der Truppe verbessern.
Am nächsten Tag zogen sie weiter. Keine Spur von Indianern – nichts. Smith war am Verzweifeln. Nun war er schon so weit gekommen und immer noch ohne Resultat. Doch er wollte das Risiko nicht eingehen, noch weiter nach Norden zu reiten, tiefer in die Llanos hinein. Also ließ er die Männer bereits am Nachmittag dieses Tages Rast machen. Am nächsten Tag ritten sie – in der Hoffnung, irgendwann auf den Colorado zu stoßen – nach Osten. Noch einen weiteren Tag ins Ungewisse, dann schlugen sie ihr Lager hinter einem flachen Hügel auf. Die Pferde waren unruhig; das lag wahrscheinlich daran, dass sie Wasser witterten. Konnte der Colorado bereits so nahe sein?
Oberstleutnant Smith hatte nichts dagegen, als die Whiskeyflaschen von Mann zu Mann wanderten. Die Stimmung war so schon schlecht genug. Ihm selber machte der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht zu schaffen. Nichts konnte die Moral der Truppe mehr erschüttern, als wenn es an ihrem Wohlergehen mangelte; das war seine feste Überzeugung. Sie hatten nur ihre Rationen dabei und konnten sich keine warmen Mahlzeiten zubereiten – deshalb hatte er auch nichts gegen Lagerfeuer, an denen sie wenigstens Kaffee kochen konnten. Doch die wenigsten machten Feuer an – zu groß war ihre Angst vor den Comanchen. Sie mussten sich die missbilligenden Blicke ihrer Kameraden gefallen lassen. Der nächste Tag brachte eine Veränderung des Geländes. Bald ritten sie an einer Anzahl kleiner Canyons vorüber.
Smith hatte die Hoffnung, auf ein Indianerlager zu stoßen, noch immer nicht aufgegeben. Die Vorstellung, die er davon hatte, entsprang lediglich seiner Phantasie oder einem Bericht, den er in seinem Büro gelesen hatte. Auch Hörensagen von anderen Offizieren, die mit ihren Erfolgen prahlten, gehörte dazu. In diesen Berichten spielte es für ihn keine Rolle, ob es sich um Sioux, Osage oder sonstwelche Indianer handelte; Indianer waren Indianer.
Manchmal – selten – hatte ihn die Kaltblütigkeit erschreckt, mit der diese Offiziere von ihren Schreckenstaten erzählten. Zwar war er nicht gänzlich unbedarft, was Indianer betraf, denn im Bürgerkrieg hatte er gesehen, mit welcher Todesverachtung ein Trupp Cherokees auf Seiten der Rebellen gekämpft hatte. Doch hier ging es schließlich um primitive Wilde – raubende, mordende Barbaren.
Die Pawnee-Scouts, die er eigentlich ebenfalls als Indianer ansah und auch wieder nicht, nahmen in seinen Vorstellungen eine Sonderstellung ein. Sie mussten nun den ganzen Tag über vorausreiten und ständig Meldung machen. So weit hinein in den südlichen Llano Estacado war wahrscheinlich nicht einmal Mackenzie gekommen, machten sich die Männer klar. Hier war eindeutig Comanchenland. Und sie konnten jeden Moment auf sie stoßen. Hatte Smith das nicht gewollt?
Langsam wuchs die Spannung unter den Soldaten. Einige der neuen, völlig unerfahrenen Freiwilligen – sogenannten Zeitsoldaten, die sich wegen des Soldes zur Armee gemeldet hatten – sahen sich nach allen Richtungen um. Unter ihnen herrschte eine seltsame Stimmung. Smith hatte dazu nicht unwesentlich beigetragen. Immer wieder gab er seine Überzeugung kund, dass sie hier bald auf Comanchen stoßen würden. Er, der davon nur wenig Ahnung hatte, spielte sich jetzt als Indianerkenner auf. Am Schlimmsten empfanden viele der Soldaten die Stille, die über der Landschaft lag. Laut zu singen trauten sie sich schon seit einiger Zeit nicht mehr. So weit war keiner von ihnen jemals gekommen, und die Freiwilligen kannten nicht mal den besiedelten Westen. Auch der Zusammenhalt untereinander hatte sich verändert. Die meisten von ihnen fanden schon gleich zu Beginn dieses Feldzuges heraus, mit was für einer Art Mensch sie es bei Oberstleutnant Smith zu tun hatten. Er war nicht nach ihrem Geschmack. Großspurig, angeberisch, völlig von seiner Meinung überzeugt, ließ er sich von niemandem etwas sagen. Das hatte auch der Adjutant, der aus Fort Concho stammte, zu spüren bekommen. Mackenzie dagegen verlangte nie etwas von seinen Leuten, was er nicht auch selbst tun würde.
Als sie am nächsten Tag weiterzogen, bewegte sich die Kavallerie inzwischen nicht viel schneller als die Artillerie. Schwer beladen rumpelten die Wagen und die Geschütze hinter ihnen her. Die vor die beiden Haubitzen gespannten Pferde mussten sich oft in dem unwegsamen Gelände, durch das sie jetzt kamen, gewaltig in die Gurte legen. Einige der Männer halfen schieben. Mackenzie hätte sich diesen ganzen unnützen Ballast erspart. Hier ging es in die Plains, auf die Suche nach Indianern, sagten sich die alten Hasen, die sich damit auskannten. Wenn sie mit einem genauen Ziel vor Augen losgezogen wären, könnte man das ja noch verstehen. Hier ging es nicht auf ein Indianerlager zu – hier mussten sie erst einmal eins suchen. In einem unübersichtlichen Gelände nach der Nadel im Heuhaufen. Und das mit der Belastung einer Artillerie im Schlepp.
Was soll´s, sagte sich Smith. Wir haben es jedenfalls versucht. Hoffentlich würden sie gegen Abend am Colorado sein. Sie waren bestimmt weiter westlich gewesen, als sich selbst Mackenzie bisher gewagt hatte, und das war doch schon mal was. Das mussten sogar die erfahrenen Männer mit einem mulmigen Gefühl im Bauch zugeben. Sei‘s drum – Smith brauchte den Erfolg. Er musste auf ein Comanchenlager treffen – er musste einfach. Vielleicht schon hinter dem nächsten Canyon, an irgendeinem Bach, der zum Colorado floss und aus den Bergen kam. Oder direkt am Colorado oder, oder, oder. Immer musste man hier darauf gefasst sein, Comanchen zu begegnen. Die meisten der Männer wollten endlich etwas zu tun haben. Dem Rest wäre es lieber gewesen, dass es nicht so war. Dieser ganze trostlose Marsch hinein ins Ungewisse legte ihre Nerven inzwischen blank. Die Moral der Truppe sank auf den Nullpunkt. Die Zeitsoldaten waren das Klima nicht gewohnt – schon gar nicht die Entbehrungen, die ein solcher Ritt mit sich brachte. Sie murrten als Erste. Heimlich zwar, doch Smith entgingen die Blicke nicht, mit denen sie ihn maßen. Wenn dann noch eines der Pferde verrückt spielte und sie es aus Mangel an Ausbildung nicht gleich wieder in ihre Gewalt bekamen, war der Ärger vorprogrammiert.
Wenigstens die Artillerie, die einen eigenen Tross mit sich führte, funktionierte reibungslos. Deren Captain hatte seine Männer fest im Griff. Sie waren eine eingeschworene Truppe und standen füreinander ein. Sehr zu seinem Leidwesen musste Smith gleich zu Beginn ihrer Exkursion begreifen, dass er sich dort nicht einzumischen hatte – wenigstens, was ihren Umgang miteinander oder mit ihren Geschützen betraf. Diese Männer ignorierten ihn vollkommen, ja, blickten sogar geringschätzig auf ihn herab, wenn er mit seinen blankgeputzten Stiefeln ihre Reihen abschritt. Die tägliche Routine machte sich in Langeweile bemerkbar, und das war nicht gut, was Smith durchaus klar war. ‚Ich muss mir was einfallen lassen‘, dachte er voller Unbehagen.