Comanchen Mond Band 2. G. D. Brademann

Comanchen Mond Band 2 - G. D. Brademann


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auf den Abend zuging.

      Nach einer Seite hin war die Laube offen. Ein leichtes Geflecht, womit man sie schließen konnte, lehnte gegen einen Pekannussbaum. Storm-Rider konnte die mit langen hellen Haaren besetzten Beine von Light-Clouds rotbraunem Hengst dort draußen erkennen. Noch immer lauschend, schüttelte er seine Haare zurück in den Nacken. Irgendetwas beunruhigte ihn weiter. Er wechselte einen Blick mit Light-Cloud, erhob sich und nickte zu Dark-Night hinüber; dann zögerte er kurz. Der immer noch geschwächte Light-Cloud hatte ihn vorhin zu einem längeren Jagdausflug überreden wollen, doch er hatte abgelehnt. „Also gut“, meinte er jetzt, seine Entscheidung überdenkend. „Dann lass uns also bei Sonnenaufgang gemeinsam auf die Jagd gehen, wenn du unbedingt darauf bestehst.“

      Ein breites Grinsen zeigte sich auf dem schmal gewordenen Gesicht des Freundes ab. „So ist es, Storm-Rider. Deine Befürchtungen, ich würde es nicht lange durchhalten, mit dir auf die Jagd zu gehen, sind wie die Scheu eines Mädchens vor dem ersten Liebhaber. Beide verflüchtigen sich. Ich war schon einige Male allein auf der Jagd, habe zwar nur Kleingetier erlegt, doch mit deiner Hilfe geht es jetzt auf größere Beute.“

      Sie hatten vor, Antilopen zu jagen. Das würde mindesten einen Tag lang dauern. Light-Cloud wollte sich endlich wieder als vollwertiger Krieger fühlen, was Storm-Rider durchaus nachvollziehen konnte. Jetzt erhob er sich, kaum auf die Worte des Freundes hörend, der schon bei der morgigen Jagd war; so sehr beschäftigte ihn das ungute Gefühl, das ihn wie eine Ahnung von etwas Gefahrvollem beschlich.

      Die Abendsonne warf lange Schatten, während er dem Flusslauf auf einem kleinen Wall entlang folgte. Das nächste Tipi stand mehr als dreißig Pferdelängen entfernt hinter einer Biegung. Etwas zwang ihn, seinen Blick hinüber auf die andere Seite zu richten. Er musste nur die vor ihm liegend Böschung hinunterreiten, um an das Ufer zu kommen. Das Gefühl der Alarmbereitschaft ließ ihn nicht los, und er sprang ab. Baumgruppen, Weiden und Erlen, eine trockene, hoch aufgeschüttete Flussterrasse, durch die im Frühling noch der Colorado geflossen war, betrachtend, stand er aufmerksam neben seinem Lieblingspferd. Den Canyon dort drüben im Südwesten, mit der Pferdeherde, konnte man von hier aus nur erahnen. Bis zum westlichen Horizont breitete sich weites Grasland aus. Grelle letzte Sonnenstrahlen malten die Umrisse niedrig stehender weißgrauer Wolken nach. Unter ihnen entstand ein rotgoldener Streifen, vermischte sich mit zarten zinnoberroten Farben und zog sich bis zum Horizont hin. Gleißendes Licht blendete seine Augen. Er kniff die ledrigen Lider zusammen, um besser sehen zu können. Sein Schimmelhengst lauschte, die Ohren aufstellend, in den Wind.

      Doch da war nichts. Mit seinen Gedanken wieder ganz woanders, fasste er nach dem Kopf des Tiers, spürte die feuchten Nüstern; dann blickte er hoch. Unwillig schnaubend schüttelte der Hengst seine prächtige weiße Mähne. Irgendetwas beschäftigte auch ihn, machte ihn wachsam. Seine Nervosität ging sofort auf Storm-Rider über – beide erstarrten, jetzt völlig regungslos, als wären sie eins.

      Auf einmal witterte Summer-Wind und bleckte die Zähne. Storm-Rider blickte wie er in die Richtung über den vor ihnen liegenden Fluss. Dann hörten sie heranpreschende Pferde.

      Etwa 200 Pferdelängen den Fluss hinab, durch eine seichte Furt des Colorado hindurch, sprengte eines mit einem Reiter. Millionen aufsprühende Wassertropfen hüllten es ein, während es das Wasser durchpflügte. Hinter ihm folgten zwei weitere, verschwanden an einer tiefen Stelle, tauchten prustend wieder auf und folgten dem ersten Pferd diesseits ans Ufer. Die niedrig stehende Sonne umspielte die Gestalt auf dem Pferderücken, seine Silhouette zeichnete sich scharf gegen das Licht ab. Storm-Rider glaubte zu träumen. Soeben drehte der Reiter zum Ufer hin ab, kam die niedrige Böschung herauf und blieb dort oben stehen, wartete auf die beiden Pferde, den Kopf ihnen zugewandt. Summer-Rain!

      Storm-Rider flüsterte unwillkürlich ihren Namen, hauchte ihn in den Wind – erstaunt und freudig überrascht zugleich, ein Kribbeln im Nacken. Summer-Rain war endlich wieder zurück.

      Müde beugte sie sich hinunter auf ihren Mustang, tätschelte die Flanke des erschöpften Pferdes; dann blickte sie hoch. Unter ihrem bis zu den Oberschenkeln geschlitztem, erdfarbenen Hirschlederkleid leuchteten dunkle Leggins hervor. Ihre Füße steckten in hohen Lederstiefeln. In den dunklen Haaren flatterten zwei rote Bänder. Über dem Sattel lag ein staubfarbenes Fell. Neben ihrem rechten Knie ragte ein Gewehrfutteral hervor. Auf dieser Seite des Pferdes befand sich auch ihr Köcher mit dem ausgehakten Bogen und den Pfeilen. Über der Kruppe des einen Pferdes hingen zwei prall gefüllte Satteltaschen, das andere hatte Decken übergeschnallt. Soeben kamen sie aus dem Wasser. Die rotbraune Stute, die sie ritt, schnaubte unwillig, senkte den Kopf, knabberte an einigen gelblich verfärbten Halmen, dann hob sie sichernd den Kopf.

      Summer-Rain musste ihn jetzt bemerkt haben. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich jäh. Aus dieser Entfernung sah er nicht, wie sie errötete und sich ihre Finger nervös um den Zügel krampften. Sie bemerkte nicht einmal, dass ihre Stute unruhig wurde.

      Storm-Rider konnte nicht mehr denken, schwang sich einfach nur auf sein liebstes Kriegspony Summer-Wind und ritt ihr entgegen. Sie rührte sich nicht, sondern verharrte auf ihrem Pferd. Dann, als erwachte sie aus einem Traum, blickte sie zurück ans andere Ufer – dorthin, woher sie eben gekommen war. Und sie bemerkte die Unruhe ihrer Stute. Jetzt wirkte auch sie beunruhigt – sehr beunruhigt. Der junge Krieger glitt vom Rücken seines Schimmelhengstes und kam ihr in dem für ihn typischen O-beinigen Gang die wenigen Schritte, die ihn noch von ihr trennten, entgegen.

      Summer-Rain saß auf ihrem Pferd, nervös und ratlos. Sie wollte sich abwenden, ihn ignorieren, aber sie konnte es nicht. Das Herz tat ihr weh, schlug ihr bis zum Hals; sie zwang sich, tief durchzuatmen. Ihm musste es ähnlich ergehen. Sein Auftreten war unsicher – er blinzelte, hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Da war er auch schon neben ihr. Im nächsten Moment wollte er sie berühren, sie von ihrem Pferd zu sich herunterziehen – alles auf einmal. Dann geschah etwas Unglaubliches.

      Noch bevor er tun konnte, wozu es ihn drängte, zerriss ein ohrenbetäubendes Geräusch die Stille.

      Drüben, auf der anderen Seite des Flusses, den sie gerade überquert hatte, flog zischend etwas durch die Bäume, zersplitterte Äste und riss sie mit sich, als dieses Etwas in den Boden krachte.

      Im nächsten Moment schlug er mit der Hand leicht auf die Flanke ihrer Stute. „Fort, wir müssen von hier fort“, schrie er in das Geräusch hinein.

      Summer-Rain preschte den Abhang hinunter, er, bereits wieder auf Summer-Wind, holte sie ein. Die beiden anderen Pferde liefen hinter ihnen her. Da zerriss ein Trompetensignal die Luft, die Tonleiter hoch und runter. Wieder ertönte zuerst dieses zischende Geräusch, dann explodierte der Boden drüben erneut, näher als der erste Einschlag. Eine Fontäne aus Gras und Erde flog klatschend ins Wasser. Vögel stoben davon, kreischten ihre Angst hinauf in den Äther. Die Rotbraune mit Summer-Rain drängte sich nahe an Summer-Wind, während Storm-Rider die Mustangs stoppte. Sein Knie berührte das ihre, so nahe beieinander hielten sie an.

      „Reite zu den Tipis“, rief und deutete er. „Das Lager muss abgebrochen werden – sofort. Sag allen, die dir begegnen, sie sollen durch den Bogen neben dem Canyon in den Sonnenuntergang flüchten. Ich kümmere mich um die Krieger. Reite, Summer-Rain, reite!“

      Sie starrte ihn einen Herzschlag lang wie versteinert an, als redete er eine fremde Sprache. Der nächste ließ sie nach der Lederhülle neben ihrem Steigbügel greifen, in dem das Geschenk von John Black steckte. Ohne zu zögern zog sie die Winchester heraus und drückte sie ihm wortlos zusammen mit der Munitionstasche gegen die nackte Brust. In ihrem Kopf herrschte völlige Leere. Ihr Herz pochte wie wild. Seine Augen bohrten sich in die ihren – zuerst ungläubig, dann mit einem wissenden Erkennen. Er wollte etwas sagen, aber er konnte nicht, brauchte es nicht. Ihre Finger krallten sich in die leere Hülle mit den Zeichen der Cheyenne, als suchten sie dort nach einem Halt. Er legte seine freie Hand darauf. Der Blick von ihr aus dunklen, blauen Augen zu ihm hoch hätte ihn beinahe aufschreien lassen. Mit ihrem nächsten Atemzug lösten sie sich voneinander.

      Wummm! Noch ein Einschlag, diesmal auf ihrer Seite – der Zauber war vorüber.

      „Reite, Summer-Rain, reite!“ Er warf ihr einen letzten Blick zu.

      Die Trompete schmetterte


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