Perfect Imperfections. Cardeno C.

Perfect Imperfections - Cardeno C.


Скачать книгу

      »Nein, nein.« Jeremy hielt beide Hände protestierend in die Höhe. »Ich meine es ernst. Du nanntest mich …« Er seufzte, nahm seine Kappe ab und rieb sich damit über die Stirn. »Vergiss es.«

      »Lila, hm?«, fragte Reg und betrachtete Jeremys Haare. Er schaltete das Licht aus, drückte dann die Tür auf und hielt sie mit dem ausgestreckten Arm fest, sodass Jeremy vorbeikonnte. »Sieht gut aus. Du stehst auf so Zeug, oder? Haare färben und so? Ich erinnere mich an ein Bild, auf dem es noch grün war.«

      Jeremy stand in der kühlen Nachtluft und sah dabei zu, wie Reg abschloss. »Du weißt also doch, wer ich bin?«

      »Mann, ich lebe nicht hinter dem Mond. Natürlich weiß ich, wer du bist.« Er drehte sich um, ging weiter und schob den Schlüsselring über seinen Finger. »Zuerst habe ich es nicht begriffen, weil es dunkel war, aber wir haben uns unterhalten. Wie lange? Sechs Stunden am Stück?« Er schüttelte den Kopf. »Es ist nicht so, dass ich dein Gesicht nicht sehen kann.«

      Jeremy, der ein paar Schritte hinter ihm zurückblieb, verarbeitete nach und nach diesen Kommentar. Die Tatsache, dass Reg ihn erkannt hatte, war keine Überraschung. Tatsächlich wäre das Gegenteil schwer zu glauben gewesen. Aber Reg benahm sich nicht wie die meisten, oder eher alle, wenn sie den Jeremy Jameson trafen. »Warum flippst du nicht aus?«

      »Alter.« Reg schüttelte den Kopf und lachte. »Du bist wirklich total eingebildet.«

      »Nein, bin ich nicht.« Jeremy eilte voran, um Reg einzuholen. »Es ist nur so, dass Leute normalerweise anders drauf sind, wenn sie mich treffen.«

      »Oh.« Reg hielt kurz inne. »Weil du berühmt bist?«

      Berühmt. Reich. Mächtig. Attraktiv. Und, wie er gern annahm, extrem talentiert. »Ja.«

      »Jepp.« Reg nickte, als würde er verstehen, was jedoch keinen Sinn machte, weil ein Barkeeper aus der Pampa nicht im Geringsten nachvollziehen konnte, wie es war, ein Ausnahmekünstler mit mehreren gewonnenen Platin-Schallplatten und Grammys zu sein. »Menschen sind komisch.«

      Na ja, das war etwas, worauf sie beide sich einigen konnten. »Also, ähm, wohnst du in der Nähe?«, fragte Jeremy, während sie den Parkplatz hinter sich zurückließen.

      »Mhm. Ich wohne gleich da drüben.« Reg zeigte auf ein winziges Haus. »Ich wohne auf der rechten Seite und mein Vermieter und seine Frau wohnen auf der linken.«

      Zuerst machte die Beschreibung keinen Sinn, aber als sie näher kamen, erkannte Jeremy zwei Haustüren und dass das kleine Haus eigentlich ein Doppelhaus war.

      »Warum bist du nach dem College wieder hierhergezogen?«, fragte Jeremy in der Hoffnung, dass die Frage nicht wie eine Verurteilung klang, denn er wollte wirklich verstehen, warum jemand, der so charismatisch und sympathisch war wie Reg, beschlossen hatte, sich in einer Stadt mitten im Nirgendwo niederzulassen. »Ich meine, ich weiß, dass du gesagt hast, deine Mutter und dein Bruder seien noch hier, aber Phoenix ist nicht weit weg, oder? Man könnte dort leben und sie jederzeit besuchen.«

      »Ja. Aber es ist teurer, dort zu leben, und ich wollte mir was ansparen, also bin ich nach Hause gekommen.« Er schloss seine Tür auf und trat beiseite, um Jeremy zuerst ins Haus zu lassen.

      Das Innere sah aus wie das Äußere: alt, heruntergewohnt und nicht weiter erwähnenswert. Reg hatte ihm gesagt, er hätte seinen Abschluss in Buchhaltung gemacht. Das musste mehr einbringen als alles, was er als Barkeeper in dieser Absteige verdiente.

      »Aber du könntest doch in deinem Metier wahrscheinlich einen Job finden, wenn du in einer größeren Stadt leben würdest. Dann würdest du mehr verdienen und könntest mehr sparen.«

      »Das habe ich versucht.« Reg folgte ihm nach drinnen und trat die Tür zu. »Ich habe nach dem Abschluss in einer der großen Buchhaltungsfirmen gearbeitet.« Er ging zum Kühlschrank, der in die Ecke des Raumes eingeklemmt war, das als Küche diente. »Ich habe dort keine zwei Jahre überstanden.«

      »Warum nicht? Du scheinst ziemlich klug zu sein.«

      »Summa cum laude«, erwiderte Reg, als er ein paar Bier hervorkramte.

      »Wie bitte?«

      »Vergiss es.« Kichernd schlug Reg die Bierkappen ab, indem er sie an der Seite der Theke runterhaute, ging dann zu Jeremy und hielt ihm eine Flasche hin. »Ich habe die Buchhaltung verlassen, weil ich kein Morgenmensch bin. Und mich den ganzen Tag in einem Büro einzukerkern, hat mich umgebracht.« Er hielt die Flasche an seine Lippen und nahm einen langen Schluck. »Also kehrte ich zurück nach Hause, mit dem Schwanz zwischen den Beinen, bekam einen Job in der Bar und fing an, zu sparen, damit ich irgendwo Backpacken kann. Das war vor anderthalb Jahren. Ich denke, in ein paar Jahren werde ich genug beisammen haben, um für eine Weile abzuhauen und zu wandern.« Er ließ sich auf seine Couch fallen und die Federn quietschten.

      »Wo willst du hin?« Jeremy ließ seinen Blick durch den Raum wandern und ging auf einen braun karierten Sessel gegenüber der Couch zu.

      »Ich weiß noch nicht«, antwortete Reg mit einem Schulterzucken. »Alaska vielleicht. Ich habe gehört, es sei cool da, es gebe viele tolle Wanderwege. Ich habe genug Zeit, um es herauszufinden.«

      Jeremy sank auf den Sessel und nahm einen Schluck von seinem Bier. »Das klingt gut.«

      »Ja. Das Bier dort ist auch genial. Ich habe welches im Kühlschrank, wenn du bereit für eine weitere Flasche bist.«

      Er sah sich das Etikett an. »Four Peaks? Noch nie gehört.«

      »Die sind regional, außerhalb von Tempe.« Reg fuhr mit dem Daumen über den langen Flaschenhals. »Was ist mit dir?«

      »Was soll mit mir sein?«

      »Gefällt dir, was du machst?«

      »Vieles davon«, erwiderte Jeremy aufrichtig, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. »Der Teil mit der Musik, den liebe ich.«

      »Du bist Musiker«, sagte Reg. »Ist nicht alles Teil der Musik?«

      »Nee.« Jeremy schüttelte den Kopf. »Ich meine, die Musik kommt an erster Stelle, ja. Aber es gibt auch den ganzen Publicity-Kram. Interviews, Events, Fotografen überall.« Er nahm einen tiefen Atemzug und ließ ihn langsam entweichen. »Es ist echt scheiße.«

      »Kein Menschenfreund, was?«, fragte Reg und sein halbes Grinsen fing an, vertraut auszusehen.

      Es gab nichts zu leugnen. »Ich bin wirklich, wirklich kein Menschenfreund.«

      »Ich habe einen Witz gemacht, Mann.« Reg ließ seinen Kopf gegen die Rückseite der Couch fallen. »Du bist total cool.«

      »Cool, ja«, stimmte Jeremy zu. Er hielt den Flaschenhals zwischen Zeigefinger und Daumen, schwang die Flasche von einer Seite zur anderen und beobachtete die restliche Flüssigkeit. »Aber normalerweise pissen mich die Leute an, was wahrscheinlich eine gute Sache ist, denn dann werde ich nicht wütend, wenn sie abhauen.« Whoa. Das war bitterer und ehrlicher geworden, als er beabsichtigt hatte.

      »Was meinst du damit?«

      »Nichts.«

      Reg bohrte nicht weiter nach. Gelassen wirkend, nahm er noch einen Schluck Bier.

      Plötzlich war Jeremy danach, sich ihm anzuvertrauen. Es lag wahrscheinlich am ganzen Alkohol, der späten Stunde und der Tatsache, dass Reg eine dieser Barkeeperpersönlichkeiten hatte, die die Menschen dazu brachte, sich ihm zu öffnen. »Was ich meine, ist, dass ich nie lange an einem Ort bin. Ich soll bei allen möglichen Veranstaltungen auftauchen und ich muss mich mit Fotografen, Journalisten und Fernsehleuten treffen. Frauen genießen das für eine Weile, besonders wenn sie auffallen wollen, richtig? Ich meine, wenn sie bei mir sind, denken sie, ihre Bilder werden irgendwo auftauchen und dann werden sie berühmt. Aber dann fällt ihnen auf, dass es nicht wirklich so cool ist. Meistens müssen sie herumstehen und darauf warten, dass ich das erledige, was ich eben tue, und wenn sie nicht bereits berühmt sind, werden sie von den Leuten ignoriert. Oder wenn sie fotografiert werden, dann, wenn sie nicht damit rechnen, und jemand erwischt


Скачать книгу