Zeig mal: Gesten. Sabine Handschuck

Zeig mal: Gesten - Sabine Handschuck


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sagt man doch die Wahrheit.

      Friedrich Nietzsche

      Einleitung

      Wenn Sie dieses Buch mit gerunzelter Stirn betrachten und mit spitzen Fingern anfassen, spricht vieles dafür, dass Sie mit einiger Skepsis dem Thema begegnen. Erhellt dagegen ein Lächeln Ihr Gesicht und Sie fangen an herumzublättern, lässt das auf Interesse schließen.

      Körpersprache ist eine faszinierende Form der Kommunikation, die so alt ist wie die Menschheit selbst. Durch Mimik, Blicke, Haltungen des Körpers oder einzelner Körperteile ebenso wie durch paralinguistische Signale, dem Sprachrhythmus, der Intonation oder der Lautstärke werden Emotionen vermittelt, Einstellungen und Haltungen verdeutlicht und Beziehungen zum Gegenüber ausgedrückt. Insbesondere aber werden die Hände als Instrumente der Verständigung eingesetzt.

      Gerade in der interkulturellen Kommunikation sind Gesten und Handzeichen oft ein wichtiges Hilfsmittel, sich zu verständigen – oder auch, sich gründlich misszuverstehen. Teilen die Beteiligten keine gemeinsame Sprache, wird oft „mit Händen und Füßen“ gesprochen. In der Regel gelingt das sehr gut, es kann aber auch zu Verwirrung führen.

      Im ersten Teil wird in Kapitel 1 der Begriff „Gestik“ erläutert und es werden verschieden Möglichkeiten vorgestellt, verbale und nonverbale Kommunikation miteinander zu kombinieren.

      Kapitel 2 geht der Frage nach, ob Gesten allgemeinverständlich sind. Dass dies nicht immer der Fall sein muss, wird anhand von Beispielen in der interkulturellen Kommunikation ausgeführt, die ganz alltäglich sind: Grundlagen der ersten Verständigung wie die Begrüßungen in Kapitel 3 zeigen auf, dass Menschen ganz unterschiedliche Wege gefunden haben, sich mitzuteilen.

      Pressefotos, Werbung, Wahlplakate, Kunstwerke, aber auch Schilder und oder Emoticons vermitteln durch abgebildete Gestik ihre Botschaften. Manche werden international verstanden, andere nicht. Manche lassen sich nur aus der jeweiligen kulturhistorischen Perspektive erklären und werden seit Jahrhunderten als Bedeutungsträger eingesetzt, andere sind gerade in Mode und auf dem Handy verfügbar. Kapitel 1.4 „Gesten der Macht“ stellt eine Auswahl von Gesten aus der Politik vor. Weitere Beispiele dazu sind in den jeweiligen Beschreibungen der Gesten im zweiten Teil zu finden.

      Die Verständigung mit den Händen hat zu einer eigenen Sprache geführt, der Gebärdensprache. Die Gebärdensprache gehört nicht zur nonverbalen Kommunikation, obwohl sie ohne Worte auskommt. Es ist eine klare Trennlinie zwischen Gebärdensprache und Geste zu ziehen. Da aber die Begegnung zwischen Gehörlosen und Hörenden immer auch eine interkulturelle Situation ist, geben die Kapitel „Gebärden und Gebärdensprache“ und „Gehörlosenbewegung und Gehörlosenkultur“ einen Einblick in eine ganz eigene Kultur.

      In alle Kapiteln fließen sprichwörtliche Redewendungen ein. Viele von ihnen, obwohl verbal geäußert, befassen sich mit gestischen Botschaften und lassen die Handzeichen vor dem inneren Auge entstehen: die in den Schoß gelegten Hände, die Faust, die man jemandem zeigt, oder der Daumen, der gedrückt wird.

      Der zweite Teil stellt einen kleinen Ausschnitt von Gesten vor, die mit den Fingern, der Hand oder mit beiden Händen ausgeführt werden. 32 Gesten und Handzeichen sind durch Fotografien ganz unterschiedlicher Hände dargestellt; die dazugehörigen Beschreibungen vermitteln mögliche Interpretationen.

      16 Aktivitäten, Spiele und Übungen sind Inhalt des dritten Teils und für Pädagogen oder interkulturelle Weiterbildnerinnen und Trainer gedacht, die sich mit interkultureller Kommunikation befassen. Sie sollen Anregungen bieten, das Thema zu vertiefen. Ergänzt werden sie durch 32 Bildkarten mit den Fotografien von Albert Kapfhammer. Diese Fotokarten sind nummeriert; die Nummer ist identisch mit der Kapitelnummerierung, in der die Gesten beschrieben werden.

      Die Bildkarten können in Schulklassen, in der Jugendarbeit oder bei Seminaren zur Einführung in die interkulturelle Kommunikation eingesetzt werden.

      Die Arbeit an diesem Buch hat uns beiden sehr viel Freude gemacht. Aber ohne die vielen Gespräche, die Sabine Handschuck mit Bekannten und Freunden aus ganz unterschiedlichen Ländern führte, wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen dafür bedanken. Durch ihre kritische Nachfrage und ihre zahlreichen guten Vorschläge hat uns Herrad Meese als Lektorin unterstützt. Danke für die gute Zusammenarbeit! Unser namentlicher Dank am Ende des Buches geht an die Personen, die ihre Hände als Fotomodelle zur Verfügung gestellt haben. Wir erinnern uns sehr gerne an das unterhaltsame Fotoshooting.

       Sabine Handschuck und Albert Kapfhammer

      Zeig mal: Gesten

      Hände in der nonverbalen Kommunikation

      Teil I: Aspekte interkultureller Kommunikation durch Gesten

      Suche nicht die großen Worte, eine kleine Geste genügt.

      Phil Bosmans

      1. WAS SIND GESTEN?

      Unter Gesten werden in diesem Buch Zeichen verstanden, die mit der Hand oder den Händen ausgeführt werden und die eine bewusste Form der Kommunikation darstellen. Das ist eine willkürliche Eingrenzung des großen Themas „nonverbale Kommunikation“, da auch Bewegungen mit Kopf, Schulter, Armen usw. Gesten sind, auf die aber nur ganz am Rande eingegangen wird. Gestik wird zum Teil auch unbewusst ausgeführt, also nicht mit der Absicht einer Mitteilung. „Etwa 90 Prozent aller Gesten eines erwachsenen Sprechers werden redebegleitend produziert“ (Weidinger 2011: 9). Sie haben überwiegend keinen expliziten Mitteilungscharakter.

      Werden Gesten bewusst eingesetzt, sind sie mit einer Kommunikationsabsicht verbunden und werden als konventionelle Gesten bezeichnet. Kinder lernen deiktische Gesten als erstes – diese Hinweisgesten beziehen sich auf Personen, Gegenstände, Orte und Zeiten. Deutet ein kleines Kind auf ein Spielzeug, kann das bedeuten: „Das will ich haben!“ Deutet es auf sich selbst, heißt das „ich“.

      Viele Menschen erwarten den sogenannten Fingerzeig bei einer Hinweisgeste. Mit einem Fingerzeig auf die Tür kann ein Kind seinen Wunsch ausdrücken, auf den Spielplatz zu gehen, auch wenn dieses Anliegen noch nicht in Worten gefasst werden kann. Bittet man in Seminaren darum, zu zeigen, wo die Zukunft liegt, wird in der Regel der Fingerzeig nach vorne eingesetzt. Auch das ist eine deiktische Geste.

      Bildhafte Gesten, auch semantische Gesten genannt, übermitteln Informationen durch die bildliche Darstellung. Diese kann einen Gegenstand durch eine Handbewegung formen, so zum Beispiel einen imaginären Ball, der mit den Händen umschlossen die Größe des Balles wiedergibt. Die konkrete Darstellung wird auch als ikonische Geste bezeichnet.

      Es kann aber auch eine Vorstellung, eine Idee gestisch ins Bild gesetzt werden. Semantische Gesten, die abstrakte Konzepte darstellen, werden als metaphorische Gesten bezeichnet. So visualisiert eine Handbewegung zur einen und zur anderen Seite ein Pro und ein Kontra und entspricht der Redewendung „zwei Seiten einer Medaille“.

      Die dritte Kategorie der semantischen Gesten sind Embleme. Embleme können von jedem Mitglied einer Gesellschaft oder gesellschaftlichen Gruppe problemlos gedeutet und auch sprachunabhängig eingesetzt werden. Beispielsweise gehören Bejahungs- oder Verneinungsgesten zur Gruppe der Embleme. Bedeutungen von Emblemen sind kulturspezifisch. So kann ein Nicken je nach Kontext sowohl eine Bejahungsgeste als auch eine Verneinungsgeste sein. Die häufigsten Missverständnisse in der nonverbalen interkulturellen Kommunikation sind auf die Fehlinterpretation von Emblemen zurückzuführen.

      „Ein Gestentyp wird Beat genannt, da die gestischen Bewegungen aussehen, als würden sie den Takt anschlagen“ (Weidinger 2011: 8). Andere Bezeichnungen für diesen Typus sind Taktgesten oder rhythmische Gesten. Sie werden sprachbegleitend eingesetzt und unterstreichen das Gesagte, akzentuieren relevante Aspekte, visualisieren emotionale Beteiligung oder strukturieren die Rede: Beispielsweise kann der drohende Zeigefinger sich während einer Schimpftirade auf und ab bewegen, oder die rhythmisch bewegten Hände in Form einer Handpyramide können dem Gesagten Nachdruck verleihen.

      Die Einteilung in verschiedene Gestenformen bleibt unscharf, da sich durch eine Geste verschiedene Informationen vermitteln lassen. Um welchen Typus von


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