Geschichte Italiens. Wolfgang Altgeld

Geschichte Italiens - Wolfgang Altgeld


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daraufhin 1201 in Neuß, alle Forderungen des Papstes zu erfüllen (insbesondere die Rekuperationen in vollem Umfang anzuerkennen), jedoch erfolgte dieses Versprechen nur insgeheim und ohne fürstliche Zeugen, also in reichsrechtlich anfechtbarer Form.

      Trotz der Unterstützung des Papstes konnte sich Otto in Deutschland nicht gegen Philipp durchsetzen. Deshalb verhandelte Innozenz III. auch mit dem Staufer; eine 1207 erzielte Übereinkunft wurde aber hinfällig, als Philipp 1209 ermordet und Otto allgemein als deutscher König anerkannt wurde. Er erneuerte jetzt zwar das Neußer Versprechen, aber wiederum nicht in rechtlich unanfechtbarer Weise. Im Herbst zog er nach Italien; Innozenz krönte ihn zum Kaiser, obwohl Otto über die Erfüllung seiner Zusagen nicht einmal verhandeln wollte. Auf dem Rückweg nach Deutschland kehrte er in Pisa plötzlich um und zog nach Süden, um das Königreich Sizilien zu erobern und Friedrich II. auch dort zu entthronen. Während Otto im Winter 1211/12 auf die pisanischen Schiffe für die Überfahrt auf die Insel wartete, erhielt er die Nachricht, dass in Deutschland Friedrich II. zum Gegenkönig gegen ihn gewählt worden sei. Daraufhin brach er den Feldzug ab und kehrte überstürzt nach Deutschland zurück.

      [82]Die Jugend Friedrichs II. in Palermo

      Friedrich II. wurde am 26. Dezember 1194 in Jesi in den Marken geboren, während sein Vater Heinrich VI. in Palermo die sizilische Königskrone empfing. Im Dezember 1196 erfolgte seine Wahl zum deutschen König; die vorgesehene Krönung in Aachen kam aber nicht mehr zustande, da Heinrich VI. 1197 starb. Deshalb wurde Friedrich nicht nach Deutschland, sondern nach Sizilien gebracht und 1198 in Palermo zum sizilischen König gekrönt.

      Er stand zunächst unter der Vormundschaft seiner Mutter, der Kaiserin(witwe) Konstanze, die, anders als Heinrich VI., die Lehenshoheit des Papstes anerkannte und die Zugeständnisse König Tankreds erneuerte. Nach dem Tode der Kaiserin Ende 1198 war der Papst formal Friedrichs Vormund und versuchte durch Legaten seine und des Kindes Rechte zu wahren. Die tatsächliche Regierung (in einer immer instabiler werdenden Lage) übte das sogenannte Familiarenkolleg unter der Leitung des Kanzlers Bischof Walter von Palearia aus. Jedoch waren eine ganze Reihe der deutschen Vasallen Heinrichs VI. im Lande geblieben. In einer Art Staatsstreich entmachtete Markward von Anweiler im November 1201 den Kanzler, in ähnlicher Weise gefolgt von Wilhelm Capparone, dann von Diepold von Schweinspeunt, ehe Anfang 1207 wieder die kirchliche Partei unter Walter von Palearia die Oberhand gewann.

      Wie es Friedrich II. in dieser Zeit erging, ist weitgehend unbekannt. Dass er mit den Palermitaner Gassenjungen durch die Straßen der Stadt gezogen sei, ist unwahrscheinlich, bildete er doch ein wichtiges Faustpfand für die jeweiligen Machthaber; schon eher zutreffen dürfte die [83]Nachricht, dass die Lebensmittelversorgung des Hofes häufig von der Hilfsbereitschaft der Bürger abhing. Wo und von wem Friedrich seine später so berühmte Bildung empfing, ist völlig ungewiss. Auf päpstliche Bemühungen ging die 1208 geschlossene Ehe mit Konstanze von Aragón zurück, die, als Witwe König Emmerichs von Ungarn, über erhebliche politische Erfahrung verfügte und auch menschlichen Einfluss auf Friedrich erlangte.

      Als Friedrich nach seiner Volljährigkeit am 26. Dezember 1208 selbst zu regieren begann, sah er sich sofort Aufständen gegenüber. Die schwerste Bedrohung seiner Herrschaft bildete aber der Versuch Kaiser Ottos IV., ihn zu entthronen. In diese Situation fiel die zweite Wahl Friedrichs zum deutschen König im September 1211, die Otto zum Rückzug nach Deutschland veranlasste.

      Königswahl und Kaiserkrönung

      Dass Papst Innozenz III. die erneute Wahl Friedrichs II. zum deutschen König veranlasst hat, muss bezweifelt werden. So willkommen ihm die Tatsache der Wahl gewesen sein musste (und es ist denkbar, dass er zu einer Wahl aufgefordert hat), so unwillkommen war ihm zweifellos die Person, denn in Friedrich erneuerte sich die unio regni ad imperium. Nach der Wahl musste er den Kandidaten allerdings unterstützen, als dieser im April 1212 auf genuesischen Schiffen nach Rom aufbrach, nachdem sein einjähriger Sohn Heinrich vorsichtshalber zum Mitkönig von Sizilien gekrönt worden war. Von Rom aus, wo er dem Papst die weitestgehenden Zusagen machte, fuhr er zunächst [84]nach Genua, durchquerte dann auf dem Landweg die Lombardei, wobei er beinahe den Mailändern in die Hände gefallen wäre (das berühmte »Bad im Lambro«: Er entkam schwimmend seinen Verfolgern). Schließlich überschritt er im Herbst die Alpen und erreichte Konstanz, wo er angeblich wenige Stunden vor Otto IV. eintraf. Nun setzte eine breite (durch erhebliche Geldzahlungen geförderte) Bewegung zugunsten Friedrichs ein, die am 5. Dezember 1212 eine dritte Königswahl und am 9. Dezember die Königskrönung in Mainz ermöglichte. Den Ausschlag gab allerdings 1214 die Niederlage von Ottos Verbündetem König Johann Ohneland von England in der Schlacht von Bouvines gegen Frankreich; ein letzter Versuch der Mailänder, auf dem vierten Laterankonzil zugunsten Ottos zu intervenieren, blieb erfolglos.

      Nun stand auch der Weg nach Aachen offen, wo am 23. Juli 1215 eine erneute, »bessere« Königskrönung erfolgte. Bei dieser Krönung gelobte Friedrich überraschend den Kreuzzug ins Heilige Land. Zuvor hatte er im Juli 1213 durch die Goldbulle von Eger dem Papst in reichsrechtlich verbindlicher Form alle Zusagen Ottos bezüglich des Kirchenstaates erneuert.

      Um die Folgen der erneuten unio regni ad imperium abzufangen, verlangte Innozenz III. von Friedrich den Verzicht auf die sizilische Krone zugunsten seines Sohnes Heinrich nach der Kaiserkrönung. Friedrich gestand dies am 1. Juli 1216 zu, entwertete seine Zusage aber dadurch, dass er Heinrich nach Deutschland holte und im April 1220, noch vor seiner Kaiserkrönung, zum deutschen König wählen ließ. Die Kaiserkrönung selbst folgte am 22. November 1220; der Papst, nunmehr Honorius III., konnte nur noch [85]den Verzicht auf eine Realunion zwischen dem Reich und Sizilien erreichen. Anlässlich der Kaiserkrönung erließ Friedrich ein Gesetz, durch das die Ketzerei mit dem Feuertod bestraft wurde; dieses Gesetz wurde, wie seinerzeit Friedrich Barbarossas Authentica »Habita«, als Novelle dem Corpus Iuris Civilis angefügt.

      Neuordnung Siziliens

      In der Zeit von 1220 bis 1239 schuf Friedrich II. den vielbewunderten »Modellstaat« Sizilien. Auch wenn sich dieser Staat aus der Sicht der Untertanen weitaus weniger erfreulich ausnahm als aus der Sicht moderner Beobachter, auch wenn das meiste bereits in normannischer Zeit angelegt war und aus der Gesetzgebung Rogers II. übernommen wurde, auch wenn man sich fragen muss, ob der spätere Niedergang des Mezzogiorno nicht bereits hier seine Wurzeln hatte, bleibt die Leistung des Kaisers dennoch staunenswert.

      Zunächst musste Friedrich sein Königreich, das er vor mehr als acht Jahren in nahezu aussichtsloser Situation verlassen hatte, überhaupt erst zurückgewinnen. Er tat dies in einer Art »Salamitaktik«, indem er einzelnen Rebellen Verzeihung gewährte gegen die Verpflichtung, die aufständischen Nachbarn zu bekämpfen. Der Glanz des Kaisertums und seine offenkundige Begünstigung durch die überirdischen Mächte, die sich in seinem geradezu wunderbaren Aufstieg gezeigt hatte, und wohl auch ein persönliches Charisma taten ein Übriges. Auf einem programmatischen Hoftag (Assisen von Capua) wurden 1220 die Verhältnisse [86]zu Ende der Regierung Wilhelms II. (des Guten) als Richtschnur festgelegt; dieses Normaljahr 1189 erklärte also sowohl die verhasste Regierung Heinrichs VI. als auch die Usurpation Tankreds und die erzwungenen Handlungen der eigenen Minderjährigkeitsperiode für illegal. Die Gesetzgebung gipfelte 1231 in den Konstitutionen von Melfi (später Liber Augustalis genannt).

      An der Spitze der Staatsverwaltung stand weiterhin die magna curia des Königs bzw. Kaisers, meist irreführend mit »Großhof« übersetzt. Zu ihr gehörten u. a. ein »Großhofrichter« und ein »Großhofjustitiar« als Oberinstanz der entsprechenden Funktionen in den Provinzen, vor allem aber die sehr leistungsfähige Kanzlei. An der Spitze der Provinzen stand jeweils ein Justitiar, weiteres Personal waren Richter, Kastellane, Baiuli in den Städten und die Mitglieder der Finanzverwaltung. Diese Personen wurden nicht in derjenigen Provinz eingesetzt, der sie selbst entstammten, und sie durften auch sonst keine engeren persönlichen Beziehungen zu den Untertanen eingehen – eine Vorbeugemaßnahme gegen Bestechlichkeit, die, wie etliche Skandale zeigten, mehr als geboten war. Die Inhaber der großen Lehen wurden systematisch aus der Staatsverwaltung in ihrer Heimat verdrängt; sie konnten aber eine Funktion in einer anderen Provinz übernehmen, wodurch eine Art


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