Zwischen Himmel und Herde. Tanja von Salzen-Märkert
auf der die Seelen unserer Ahnen zu Hause sind und auf der die Krafttiere zu finden sind, wenn wir sie suchen. Das ist der Ort, zu dem auch Schamanen reisen, um Unterstützung, Rat und Hilfe für sich und andere zu erbitten. Ein Ort der Führung. Ein Ort des Gehaltenseins. Ein Ort frei von aller Materie und frei von dem Korsett der gesellschaftlichen normierten Vorstellung, wie alles zu sein hat. Um an diesen Ort zu gelangen, ist es nötig, verstandesmäßige Grenzen loszulassen und einfach geschehen zu lassen. Jedes Kind kann das! Aber nicht jeder Erwachsene ist gegenwärtig noch in Übung, dies zu tun …
Meine frühkindliche Erfahrung dieser Zeit hallt bis heute in mir nach. Zu meiner eigenen Überraschung galt meine Aufmerksamkeit zuerst nicht gezielt den Pferden. Nein, sie galt dem Leben an sich: der Freude, der Neugier, der Wissbegier, der Wärme, der Liebe … – all das wollte ich erleben und verspürte eine unglaubliche Sehnsucht danach. Eine Art Lebensdurst. Und dann, beim Ausstrecken meiner Fühler, bekam ich immer wieder auf eine fast unerklärliche Art den Kontakt zu allen möglichen Lebewesen in der Umgebung, nah und fern. Manchmal sehr fern. Immer wieder landete ich in dieser Zeit bei den Delfinen in den Ozeanen dieser Welt. In meiner magischen Welt konnte ich sie ohne Umweg, direkt und unmittelbar, mit meinen Fühlern erreichen. Obwohl die Ozeane so weit entfernt waren, waren die Delfine und die unausschöpfliche Liebe dieser wundervollen Wesen mir nah und vertraut.
Meine Erinnerungen führten mich wie in einen tagelangen Traum, in dem ich mich von einer Gruppe Delfinen umgeben und geborgen als deren Kind wiederfand. Ich bin mit ihnen durch die Meere geschwommen, habe meinen Körper erfahren und fühlte mich von ihrer Liebe und Zuneigung gewärmt und geborgen. Besonders eine Delfinfrau hat sich um mich gekümmert und mir all das gegeben, wozu meine erschöpfte Mutter zu der Zeit nach meiner Geburt nicht sofort und schon gar nicht ununterbrochen in der Lage war. Ich fühlte mich zu den Delfinen nicht nur hingezogen, ich fühlte mich voll und ganz zugehörig – ohne Unterschied.
Und dann kam der Tag, der mich aus meinen Träumen in die Realität holte. Überglücklich über meine immer kräftiger werdende Mutter, die mich von nun an wieder umsorgen konnte, überkam mich eine tiefe Traurigkeit. Es war die Trauer, mich von meiner Delfinfamilie in meiner magischen Welt trennen zu müssen und mich von der Delfinmutter, die sich so rührend und liebevoll um mich gekümmert hatte, zu verabschieden. Mit großen offenen Augen sprach sie mir Mut zu. Mit ihren Worten: „Geh zu den Pferden – die sind so ähnlich wie wir!“, gab sie meinem Leben und vor allem meinem Herzen die entscheidende Richtung. Für diese Weisung bin ich bis heute unendlich dankbar. Sowie ich die ersten Schritte laufen konnte, zog es mich zum Erstaunen meiner Eltern unaufhaltsam zu den Pferden. Und die Delfinin hatte recht! Sie sind sich sehr ähnlich!
Wenn man es genau nimmt, waren meine ersten Tage auf der Erde so etwas wie eine sehr lange und intensive schamanische Reise. Mit allen Sinnen war ich auf der Ebene unterwegs, die ich später, sehnsüchtig nach Erklärung suchend, in verschiedenen Naturreligionen wiedergefunden, kennen und lieben gelernt habe. Kein Wunder also, dass es mich seit jeher nicht nur zu den Pferden, sondern auch zu den Schamanen und Weisen indigener Stämme gezogen hat und ich über Jahre Wissen und Methoden recherchiert, gesammelt, verinnerlicht und auf gewisse Art wiedergefunden und zurückerobert habe. Unabhängig davon, wie es mir im entsprechenden Moment ging, wollte ich immer wissen, was die Medizinmänner und Medizinfrauen dazu sagen würden. Ihre Art und Weise, das Leben zu sehen und wahrzunehmen, war von Anfang an so eins mit meinen ersten Prägungen und Einsichten ins Leben, dass es mich magisch anzog und mir und meiner Natur bis heute entspricht. So stieß ich über kurz oder lang natürlich auf Verbindungen mit Tieren als Beistand und Helfer für die Menschen in guten und in schlechten Zeiten – allen voran das Pferd. Lange Zeit war mir rätselhaft, wie ich es deuten und in meinem realen Leben einsortieren sollte:
Ist nun das Pferd in meinem Geiste, das meine Seele bewegt und mir lichte Hinweise für meinen Weg schenkt, mein Krafttier – oder das Pferd in meinem Stall? Was kann das eine, was das andere nicht kann? Wozu brauche ich das eine, wenn ich doch das andere habe?
Ich begann zu recherchieren und entdeckte immer mehr Parallelen meiner irdischen und magischen vierbeinigen Begleiter. Und auf einmal wurde mir klar: Das, was mein Krafttier mir als eine Art unsichtbarer Begleiter für Weisungen offenbart, ist ebenso im direkten Kontakt mit meinem Pferd spürbar und sichtbar – ich muss nur genauer hinschauen, um das Offensichtliche zu erkennen!
Die Bedeutung eines Krafttieres ist unumstritten etwas sehr Persönliches – ebenso wie die Begegnung mit einem weltlich existierenden Pferd. Man könnte meinen, beide haben den gleichen „Auftrag“. Doch hat das Pferd in meinem Stall, abgesehen davon, dass es mir begegnet ist und dahinter sicher irgendein Sinn steckt, ganz nebenbei auch mit der Führung seines eigenen Lebens immens viel zu tun. Ein Schamane sagte während einer Einweihung zu mir, dass es so schlimm um die Erde und ihre Bewohner steht, dass die magischen Pferde inkarnieren müssen, weil wir Menschen es allein nicht schaffen, all unsere Themen zu erkennen. Weil wir von Zivilisation geprägten Menschen verlernt haben, diese leisen Stimmen wahrzunehmen. So, wie wir scheinbar zivilisiert leben, haben sich aufgrund der menschlichen Weise zu leben viele Probleme eingeschlichen. Dieser Schamane meinte damit, dass die Pferde der Erde helfen, gesehen und verstanden zu werden. Denn grundsätzlich braucht die Erde eben genau das, was ein Pferd auch braucht, um in seiner Mitte zu sein: einen Ort des Friedens, der Akzeptanz, Achtung, Fürsorge und Liebe. Die Harmonie, die daraus zum Wohle aller entstehen kann, ist das erstrebenswerte Resultat, von dem auch wir Menschen profitieren. Ein Pferd verkörpert daher ein kleines Stückchen Erde. Jedes einzelne Pferd ist ein wertvoller Teil unserer Schöpfung. Und alle Pferde zusammen gesehen sind das „Wesen Pferd“. Wie ein einziger großer Organismus, der über die ganze Welt verteilt lebt, schöpft und wirkt. Doch das ist so gesehen schon sehr philosophisch und überschreitet die Grenzen unseres „normalen“ Alltagsdenkens.
Doch noch einmal zu den Krafttieren: Ich selbst habe mich anfangs immer schwer – getan mit Krafttieren, weil ich schon früh der Meinung war, dass es eventuell sehr einseitig sein könnte, wenn mein ganzes Leben von nur einem Tier und seinen Fähigkeiten begleitet werden würde. So machte ich mich auf den Weg, die Hintergründe der Krafttierlehre zu erkunden und mehr zu erfahren. Um dieses Buch zu schreiben, habe ich viel Zeit in meinem Leben damit verbracht, den Dingen auf den Grund zu gehen. Dabei hat es mich niemals abgeschreckt, wenn ich auf der Suche Leid, Qual und Dunkelheit begegnet bin. Im Gegenteil: Immer interessiert, wie sich die dunkelsten Dinge der Welt bewerkstelligen und bereinigen lassen, war ich bei jeder einzelnen Situation zutiefst überzeugt, dass am Ende des Tunnels Licht sein werde. Wo Schatten ist, ist auch Licht – eines der wohl am leichtesten zu verstehenden Naturgesetze der Erde. So weiß ich heute, dass das Pferd als Krafttier seinen Einsatz in Heilbehandlungen der schamanischen Medizin weltweit findet. Es steht Familien zum Schutz zur Verfügung, wie es auch seine Herde schützen würde. Das Pferd kann stellvertretend ein Wächter eigener Energiezentren des Unterbewusstseins sein, zum Beispiel des Berufungszentrums, dessen Tore so lange geschlossen bleiben, bis die Zeit reif ist, sie zu öffnen. Das Krafttier Pferd kann den Elementen Feuer, Erde, Luft, Wasser und Äther zugeordnet sein und damit eine bestimmte Berufung haben oder für bestimmte Aufgaben eine Zeit lang zur Verfügung stehen. Als magischer Begleiter einer Partnerschaft hat das Pferd eine überaus starke, bindende und sehr loyale Kraft. Ebenso wie in einer Herde steht die Partnerschaft dann unter einem sehr guten, starken und vor allem loyalen Stern.
Allgemein gesprochen sind Krafttiere Helfer. Sie können uns in allen Lebenslagen beistehen, wobei zu unterscheiden ist, dass der Moment oft von einem anderen Tier begleitet wird als ein gesamtes Leben. Im Verhältnis erscheint das Pferd relativ oft als Krafttier in einer schamanischen Sitzung oder Heilbehandlung. Ich persönlich glaube, dass es daran liegt, dass die Pferde uns aufgrund der letzten rund 5000 Jahre gemeinsamer Evolution einfach nah und präsent sind, vor allem in den Naturvölkern. Und wie es aussieht, hat das Pferd es geschafft, nicht wie Rind oder Schwein fast ausschließlich von uns verspeist zu werden. Wenn sich das Bewusstsein der Pferdemenschen weiter hebt, haben wir gute Chancen auf weitere 5000 Jahre gemeinsamer Entwicklung. Wenn Ihnen das Pferd in der Meditation oder im Traum begegnet, liefert es immer Rückschluss auf Themen der Freiheit, Natürlichkeit, der Stärke des Herzens und