Zwischen Himmel und Herde. Tanja von Salzen-Märkert
nie im Gelände unterwegs seien. In der Halle hatte es in letzter Zeit keine Probleme mehr gegeben, daher wollten sich alle Teilnehmerinnen der Gruppe so gern gemeinsam ihren Traum erfüllen: einen gemeinsamen Ausritt im Sonnenuntergang am Strand entlang. Wer träumt nicht davon!?
Und das meine ich mit dem Verlassen der Komfortzone. Abgesehen davon, dass der Schritt vom Reiten in der sicheren und reizarmen Halle zum Galoppieren im scheinbar nicht enden wollenden Watt für ein Fluchttier recht groß ist, hätten sowohl Pferden und Reiterinnen ein paar Zwischenschritte sicher gutgetan. In solch einer Situation werden schließlich alle Instinkte der Pferde angesprochen. Pferde zeigen unter diesen Umständen eventuell Verhaltensweisen, die sie sonst nie an den Tag legen.
In dieser Situation gab es nun zwischen Pferd und Reiter nicht mehr die Möglichkeit, sich auf die Deals, die in der Komfortzone der gewohnten Umgebung sicherlich gut funktionieren, zu verlassen. So waren alle heillos überfordert. Wer also Neues erobern möchte, sollte das Fundament für die Beziehung mit seinem Pferd nicht auf Sand bauen. Das zumindest wussten viele der alten Pferdehalter von früher noch sehr genau. Das lag dann sicherlich daran, dass es um mehr ging als nur Freizeitvergnügen. Es ging ihnen um Feldbestellung, Ernährung, Einkommen und somit letztendlich um das Wohl der gesamten Sippe oder Familie. Leichtfertigkeit hatte zum Teil schlimme Folgen. Und sich einfach ein neues Pferd zu kaufen, weil man sich mit dem alten überschätzt hatte und die Situation in Krankheit oder Unfall endete, war den meisten nicht möglich. Das Geheimnis für eine gute Basis ist wie in der Menschenbeziehung daher Beständigkeit, Wahrhaftigkeit und zweifelsfrei Seelenmut, der Pferd und Mensch eint.
Das Wesen des Pferdes
Natur ist echt.
Unsere Natur ist echt.
Nur Natur ist echt.
Und wer daran erst einmal geschnuppert hat, will ab jetzt kein Theater mehr. Denn wir alle wissen, dass es geht – echtes Leben! Alle Resultate sind erarbeitbar, und zwar auch ohne Bestechung, ohne Deal und vor allem auch ohne Brechstange. Es ist zwar anstrengender, benötigt mehr Aufraffen von unserer Seite und bedarf noch mehr Disziplin und Motivation, doch das Resultat, das am Ende entsteht, ist wahrhaftig und echt – und dies nährt uns in der Tiefe unserer Sehnsucht. Es hat eine viel höhere Bedeutung und sättigt nicht nur kurz unser Ego, sondern nährt für immer als Erfahrung unsere Seele und unser Herz.
Das Pferd hat sich über die Jahrhunderte der Domestizierung und der Zuchtauswahl seinen Instinkt und seine Intuition bewahrt. Das allein halte ich für ein Wunder! Da es von Beginn seiner Entwicklung an mehr als 50 Millionen Jahre mehr als wir Menschen in seinem Speicher trägt, ist es nicht so einfach aus der Bahn beziehungsweise aus seiner Natur zu werfen. Bis auf wenige Ausnahmen habe ich bisher in meiner Praxis nur Pferde kennengelernt, die sich rasant und dankbar zurück zu ihrer Natur entwickelten und wieder vollkommen natürlich werden, wenn wir ihnen diese Möglichkeit bieten. Alle, die die Chance bekommen, sich in natürliche Herden zu integrieren – selbstverständlich mit genügend Platz und natürlicher Annäherung, ebenso wie in der Natur –, tun das. Alle widmen sich sofort den gleichen inhaltlichen Lebensthemen: Begegnung, Struktur und Ordnung in der Gruppe herstellen, den eigenen Platz im Gefüge finden, miteinander grasen, trinken, ruhen, pflegen, spielen, toben, für den Ernstfall trainieren, den hormonellen Zyklus erleben und sich demnach präsentieren und zeigen. All jene, die die Wahl haben, kümmern sich ausschließlich um diese natürlichen Bedürfnisse. Ein natürlicher Tag ist damit ausgefüllt. Und wenn doch noch etwas Zeit übrig ist am Tag? Dann ruhen sie wieder. Oder grasen. Oder kraulen sich sozial gegenseitig das Fell. Oder spielen. Sie brauchen keine Ablenkung oder Aufgaben zum Zeitvertreib, wenn Herde und Umfeld stimmen. Pferd sein bedeutet Natur zu sein. Pur. Sonst nichts. Und das reicht!
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