Frauenfragen – Männer antworten. Mari Lang

Frauenfragen – Männer antworten - Mari Lang


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könnten Politikerinnen, Schauspielerinnen und Unternehmerinnen sexistische Interviewfragen einfach ignorieren. Doch gerade für diejenigen, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen, ist das nicht immer so einfach. Immerhin ist die mediale Berichterstattung Teil ihres Erfolges. Manchen werden diese geschlechtsspezifischen Unterschiede womöglich erst nach und nach bewusst. Andere wiederum denken, es sei „part of the game“. Aber nur weil etwas immer schon so war, heißt es nicht, dass es auch immer so bleiben muss. Als Journalistin sehe ich es als meine Verantwortung, zu positiven Veränderungen in der Welt beizutragen. Zu informieren, aufzuklären, zum Nachdenken anzuregen. Es zumindest zu versuchen. Dabei kann es helfen, neue Blickwinkel einzunehmen und sich in andere Lebensrealitäten hineinzufühlen. Und genau das mache ich mit meiner „Frauenfragen“-Gesprächsreihe, die ich zwischen Sommer 2020 und Frühling 2021 im Rahmen meines Podcasts geführt habe. Also, eigentlich nehme nicht (nur) ich eine andere Perspektive ein, sondern es tun dies vor allem die von mir befragten österreichischen Promi-Männer. Deren in den folgenden Texten angegebenes Alter ist übrigens jenes, das sie zum Zeitpunkt des Interviews hatten.

      Elf dieser oftmals sehr persönlichen und unterhaltsamen Gespräche sind in diesem Buch zusammengefasst. Ich habe Männer aus den unterschiedlichsten Branchen und Generationen getroffen, die in der Gesellschaft kulturellen, politischen und finanziellen Einfluss haben. Die meisten haben Kinder, leben in einer Beziehung und alle sind in ihrem Beruf äußerst erfolgreich. Ich habe ihnen die Fragen gestellt, die normalerweise Frauen in Interviews zu hören bekommen. Es sind banale Fragen zu ihrer Kleidung, ihrem Aussehen und der Angst vor dem Alter. Und es sind gesellschaftspolitisch äußerst relevante Fragen zur Vereinbarkeit von Familie und Karriere, zu moderner Vaterschaft und Frauenquoten. Denn obwohl klassische „Frauenfragen“ immer wieder (zu Recht!) kritisiert werden, sind sie im Grunde Gesellschaftsfragen. Sie betreffen uns alle, nur werden sie Männern eben nicht gestellt. Doch es ist längst überfällig, dass auch sie darüber nachdenken, warum etwa Väter, die sich um ihre Babys kümmern, mancherorts als Weicheier gelten, und wie es sein kann, dass Frauen für gleiche Arbeit teilweise weniger bezahlt bekommen. Oder warum ein Tag vollgefüllt mit Meetings mehr wert ist als einer, den man mit der Betreuung der Kinder oder der Pflege von Angehörigen verbringt. Denn je mehr Männer über diese Themen in der Öffentlichkeit sprechen, desto mehr werden diese Themen auch mit ihnen verknüpft, und desto normaler wird es, dass auch Männer Väter mit Familienpflichten sein können. Und das könnte doch insgesamt einen positiven Effekt haben.

      Weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass viele Männer sich mit Feminismus immer noch schwertun, habe ich für meine Gespräche einen spielerischen Ansatz gewählt. Auch um dem Ganzen die Schwere zu nehmen und beim Diskutieren und gemeinsamen Denken ein bisschen Spaß zu haben. Es gehört sowieso viel mehr gelacht! Und um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, habe ich die Klischees auch gleich ausgereizt und die Männer in ein frauentypisches Setting eingeladen – mit Teelicht, Prosecco und „Frauenpower“-Tee. Für das Gespräch auf Augenhöhe gab es das amikale „Du“ und für den typisch männlichen Spieltrieb drei Joker: den Nein-Joker, mit dem eine Frage komplett verweigert werden konnte, den Richtungswechsel-Joker, mit dem ich die unliebsame Frage beantworten musste, und den klassischen Telefon-Joker. Kleiner Spoiler vorweg: Die Hilfsmittel wurden kaum eingesetzt. Wer alle Fragen ohne Einsatz eines Jokers beantworten konnte, bekam zum Schluss einen Preis – zum Beispiel Schokolade, ein Entspannungsbad oder eine Handcreme. Applaus, wie ihn zu Beginn der Corona-Pandemie die Pflegekräfte und andere in systemrelevanten Berufen Tätige – also vorrangig Frauen – bekommen haben, stand ebenfalls zur Auswahl.

      Herausgekommen sind sehr offene Gespräche, die die persönlichen Ansichten und individuellen Lebensrealitäten meiner Interviewpartner widerspiegeln. Und die verdeutlichen, in welch unterschiedlichen Welten Männer und Frauen heute immer noch leben. Nichts davon hat Anspruch auf Allgemeingültigkeit, liefert aber eine gute Grundlage für weitere Gespräche und Gedanken zum Thema. Nachdem ich die Befürchtung habe, dass der Feminismus auch in 100 Jahren noch Relevanz haben wird, kann es nicht schaden, sich möglichst viele Perspektiven anzuschauen, möglichst vorurteilsfrei zuzuhören, sich anzunähern und offen zu bleiben. Das habe ich mit „Frauenfragen“ versucht. Denn, wer weiß schon so genau, wo der Weg zur Lösung liegt? Vielleicht genau dort, wo man ihn nie vermutet hätte.

       AM ROTEN TEPPICH

      Armin Assinger trägt bei unserem Treffen ein

      graues Shirt, eine graue Weste, eine grau-schwarz

      karierte Hose, weiß-schwarz-grau gestreifte

      Socken und braune Lederschuhe.

       MODE

      … ist mir nicht so wichtig.

      Es macht aber schon Spaß, schön angezogen zu sein.

       HAUTCREMEN

      … verwende ich. Aber nichts Bestimmtes, weil eh überall das Gleiche drinnen ist.

       SCHÖNHEITSOPERATIONEN

      … sind für mich kein Thema. Aber einmal habe ich mir Botox spritzen lassen.

       ANGST VOR DER JÜNGEREN KONKURRENZ

      … habe ich nicht. Mit 56 Jahren habe ich ja auch noch ein bisschen Zeit, bevor sie mich abmontieren.

       DIE VEREINBARKEIT VON KINDERN UND KARRIERE

      … war für mich sehr einfach, weil ja meine Frau da war.

       WENN ES 24 STUNDEN KEINE FRAUEN GÄBE

      … würde ich meine Freunde anrufen und sagen: „Männer, was machen wir mit diesem Feiertag?“

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       ARMIN ASSINGER

      Richtungswechsel-Joker, kein Preis

       ARMIN ASSINGER

      Ich bin nervös. Nicht weil ich gleich mit einem der beliebtesten Showmaster des Landes über klassische Frauenthemen sprechen werde, sondern weil ich ein Mischpult, zwei Mikrofone und einen Haufen Kabel vor mir liegen habe, die ich richtig zusammenstecken muss. Aus diesem Wirrwarr soll ein Aufnahmegerät werden, das meine und Armin Assingers Worte in den Computer hineinspielt. Ich habe mehr als zehn Jahre beim Radio gearbeitet, das heißt, ich bin es gewohnt, Interviews aufzunehmen. Doch damals saß immer ein Techniker ein paar Türen weiter und kam herbeigeeilt, wenn es in meinem Kopfhörer plötzlich zu rauschen begann. Das habe ich nun davon, dass ich mich nie so richtig für Technik interessiert habe, denke ich, während ich laut fluchend an den Reglern des Mischpults drehe. Irgendwann schaffe ich es, dass alles so angeschlossen ist, wie es gehört, und wir können loslegen.

      „‚Frauenfragen‘ heißt das?“, fragt Armin Assinger, nachdem ich die Begrüßungsworte gesprochen habe. „O.K., das wird interessant.“ Man sagt immer, Frauen würden, wenn sie für Interviews oder als Expertinnen für Podiumsdiskussionen angefragt werden, zuerst einmal zögern. „Ich weiß nicht, ob ich die Richtige für das Thema bin“ und „Vielleicht gibt es ja noch jemanden, der besser geeignet ist“, sind gängige Antworten.

      Männer hingegen sagen meist zu und fragen erst dann, worum es eigentlich geht. Genau wie Millionenshow-Moderator Armin Assinger, dem ich das Konzept meiner Gesprächsreihe im Vorfeld am Telefon erklärt habe. Gut, vielleicht hat er es auch einfach vergessen, vermute ich, während er mir einen Prosecco einschenkt. Meinen Hinweis, dass ich hier ja arbeiten muss, wischt er mit den Worten „Geh her. Is jo wurscht“ in seinem unverwechselbaren Kärntner Dialekt einfach weg. Und so nippe ich bereits am Vormittag an einem Glas Prosecco und fühle mich dabei wie früher, als mir ältere Typen in Bars Getränke spendiert haben, die ich gar nicht wollte. Ich lächle irritiert und bin froh, dass ich zumindest beim „Frauenfragen“-Gespräch den Fahrplan in der Hand habe und das Setting vorgeben kann.

      Der ehemalige Skirennläufer


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