Frauenfragen – Männer antworten. Mari Lang

Frauenfragen – Männer antworten - Mari Lang


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ich Job und Kind unter einen Hut bekomme und ob es meinen Mann nicht stört, dass er jetzt zu Hause bleibt und sich um das Baby kümmert. Ich habe noch nie gehört, dass man Männer in vergleichbaren Positionen fragt, wie sie Job und Kind unter einen Hut bekommen und ob es deren Frauen stört, die Kinder zu betreuen. Es kann nicht nur die Aufgabe der Frau sein, sich um die Erziehung und den gemeinsamen Haushalt zu kümmern. Es ist die Aufgabe beider Partner und die Frage ist daher an beide Elternteile zu richten.

      Raphaela Scharf

       MODERATORIN, JOURNALISTIN

      Ich wurde einmal gefragt, ob ich auch noch andere Qualifikationen hätte, außer schön zu sein. Vor allem im Fernsehjournalismus werden Frauen häufig auf das Aussehen reduziert, und auch die Vereinbarkeitsfrage ist immer wieder Thema. „Teilzeitjob erwünscht? Kaum machbar.“ Von männlichen Kollegen habe ich noch nie gehört, dass sie so etwas gefragt wurden.

      Mirjam Weichselbraun

       MODERATORIN

      Sätze wie: „Wo sind denn deine Kinder, wenn du arbeitest?“, „Mausi, mach dir darüber keinen Kopf“ oder „Du bist aber schon sehr ehrgeizig“, habe ich persönlich schon oft gehört. Vor allem von den sogenannten alten, weißen Männern, aber immer wieder auch von Frauen. Es wäre schön, wenn wir uns da etwas kritischer hinterfragen würden. Denn im Grunde wollen wir doch alle selbstbestimmt und gleichberechtigt leben, und mit mehr Frauensolidarität kämen wir bestimmt schneller ans Ziel.

       AM ROTEN TEPPICH

      Christian Kern trägt bei unserem Treffen ein

      weißes Hemd und darüber ein khakifarbenes

      Sakko, klassische Bluejeans sowie blaue Socken

      und braune Lederschuhe.

       MEIN BEAUTY-GEHEIMNIS

      … ist, dass ich die Gene meiner Mutter habe.

       SMARTPHONE ODER HAUTCREME? AUF EINE EINSAME INSEL NEHME ICH

      … mein Telefon mit. Das ist schon nützlich. Wobei, ich besitze natürlich auch eine Hautcreme.

       UNGESTYLT BIN ICH

      … wenn ich mit meinem Hund in der Früh die erste Runde mache.

       MASSANZÜGE

      … habe ich keine. Dafür bin ich viel zu ungeduldig.

       ANGST, DURCH JÜNGERE FRAUEN ERSETZT ZU WERDEN

      … habe ich nicht. Im Gegenteil, ich habe zeit meines Berufslebens, Frauen gefördert.

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       CHRISTIAN KERN

      Kein Joker, Preis: Schokolade

       CHRISTIAN KERN

      Ich habe es zwei Mal probiert, aber richtig gut fand ich es nie, das Schwanger-Sein. Ich hatte fürchterliche Stimmungsschwankungen, nach kürzester Zeit Sodbrennen, und den berühmten Glow habe ich beim Blick in den Spiegel auch nie gefunden. Ein Kind zu kriegen, hatte ich mir definitiv besser vorgestellt. Schließlich wird einem überall vermittelt, dass die Schwangerschaft „die schönste Zeit im Leben einer Frau ist“. Vielleicht empfinden es manche tatsächlich als schön, ständig Kommentare zur Größe des Bauches zu bekommen, mehrmals am Tag gefragt zu werden, wann das Baby denn kommt und ob es ein Bub oder ein Mädchen wird. Mich hat das meistens genervt. Ich frage Menschen, die zugenommen haben, ja auch nicht, ob da ein Sixpack Bier oder eine Schwarzwälder Kirschtorte drin ist. Für schwangere Frauen gilt aber offenbar ein anderer Maßstab, wenn es um die Überschreitung persönlicher Grenzen geht. Oder ist es allgemein üblich, dass Kolleg*innen einem ungefragt den Bauch küssen und Fremde beim Wandern einfach so – „Oh, wie schön! Darf ich mal?“ – draufgreifen? Als Schwangere wird man plötzlich zu einer Art Allgemeingut und nicht mehr als Frau, sondern vor allem als schwanger gesehen. Besonders im beruflichen Kontext empfand ich das als äußerst unangenehm. Und so war ich bei meiner letzten offiziellen Begegnung mit Christian Kern im Jahr 2016 fast froh, dass er nicht meine Schwangerschaft, sondern mein Outfit thematisiert hat.

      Der heute 54-Jährige war damals noch Bundeskanzler und sprach bei einer Podiumsdiskussion mit führenden Europapolitikern über die Zukunft der Europäischen Union. Ich war zu dem Zeitpunkt hochschwanger und führte als Moderatorin etwas atemlos durch das Gespräch. Denn das Baby im Bauch boxte an dem Tag besonders stark gegen mein Zwerchfell, und das lange Sitzen machte mir zu schaffen. Als wir fertig waren, schüttelte Kern mir die Hand und meinte: „Cooles Outfit.“ Ich trug ein graues Shirt, eine dunkelblaue Stoffhose, blau-weinrot karierte Socken und dazu weinrote Schnürschuhe. Ich weiß es noch so genau, weil mich die Aussage einerseits gefreut, andererseits aber auch irritiert hat. Hätte er das auch zu mir gesagt, wenn ich ein Mann gewesen wäre? Hätte er in dem Fall nicht vielmehr meine fachlichen Qualitäten beurteilt? War das ein klassischer Fall von: Frauen werden ständig auf ihr Äußeres reduziert? Oder können sich Frauen und Männer nicht auch einfach über Mode unterhalten, ohne dass gleich irgendeine Form von Sexismus dahintersteckt? „Jetzt darf man Frauen nicht einmal mehr ein Kompliment machen“, werden einige vielleicht sagen. Natürlich darf man das. Sehr gerne sogar. Aber ebenso darf man sich bewusst machen, dass Frauen und Männer, vor allem in beruflichen Kontexten, mit unterschiedlichem Maß gemessen werden. Dass Männer vorrangig nach ihrer Kompetenz und Frauen nach ihrem Äußeren beurteilt werden. Das darf man durchaus hinterfragen und darüber diskutieren. Und genau deshalb habe ich Christian Kern, vier Jahre nach unserem Zusammentreffen im Haus der Europäischen Union, zu einem „Frauenfragen“-Gespräch eingeladen.

      Wir sitzen also wieder nebeneinander und ich habe, natürlich absichtlich, fast das Gleiche an wie damals. Während sich Kerns Labradorhündin Samy unter den Tisch verkriecht, frage ich ihn, ob ihm mein Outfit immer noch gefällt. „Auf jeden Fall. Das ist sehr gelungen. Aber das war damals gar nicht so gemeint, wie es jetzt vielleicht bei dir rüberkommt“, erklärt der ehemalige Bundeskanzler. „Das war wirklich ein sachliches, interessiertes Kompliment bzw. mehr eine Einschätzung. Ich habe auch überhaupt kein Problem damit, das zu einem Mann zu sagen. Nur ist bei Männern oft das Bewusstsein für Mode nicht so vorhanden.“

      Das Bewusstsein für Mode ist bei Christian Kern, der 2018 aus der Politik ausgeschieden ist und heute wieder in der Privatwirtschaft arbeitet, auf jeden Fall vorhanden. Bei unserem Treffen trägt er ein legeres Business-Outfit: Bluejeans, weißes Hemd und khakifarbenes Sakko, und auch sonst ist er stets gut gekleidet. Während seiner Zeit in der Politik fiel er optisch durch seine engen, gut sitzenden Anzüge auf, die ihm die Bezeichnung „Slim-Fit-Kanzler“ einbrachten. Die satirische Onlinezeitung „Die Tagespresse“ widmete Kerns körperbetontem Kleidungsstil sogar einen ganzen Artikel. „Das war knapp! Bundeskanzler Christian Kern musste heute Früh von einem Notarzt aus einem zu engen Designer-Anzug geschnitten werden“, war da etwa zu lesen.3 Kein österreichischer Politiker wurde je so auf sein Äußeres reduziert wie Kern. Altkanzler Wolfgang Schüssel fiel zwar auch mit seinen bunten Mascherln auf, doch der Einheitsbrei aus dunklen Anzügen und Krawatten war damals in den Medien nie wirklich Thema. Erst seit einigen Jahren werden Anzüge, Uhren und Socken von Politikern kommentiert und bewertet. Christian Kern hat sicher seinen Teil dazu beigetragen. „Ich muss gestehen, ein bisschen habe ich es schon nervig gefunden. Denn nur weil du nicht bei jedem Schweinsbraten am Wegesrand schwach wirst, heißt das ja noch lange nicht, dass du nur noch darauf zurückgeführt werden musst“, sagt der gebürtige Wiener, als ich ihn frage, wie er den Fokus auf sein Äußeres empfunden hat.

      Für Frauen ist das, was Kern in seiner knapp zweijährigen Polit-Karriere widerfahren ist, Alltag. Während sich Politiker vor allem gegen ihre Konkurrenten durchsetzen müssen, sind Politikerinnen zusätzlich


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