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hatte? Wie kann es sein, dass es spurlos an ihm vorübergegangen ist, dass Frauen in vielen Belangen benachteiligt sind? Und warum hat er nicht versucht, mehr Zeit in Familie und Kinder zu investieren? Als könnte er meine Gedanken lesen, sagt Assinger rechtfertigend: „Es hätte sicher mehr sein können. Aber ich komme eben auch aus einer Sportart, wo du in gewisser Weise eine Egosau sein musst. Einzelsportler sind ja auch Egoisten, und wenn du dann aufhörst, kannst du den Schalter nicht komplett umlegen und sofort ein Teamplayer werden. Das muss man einem auch ein bisschen nachsehen.“

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      Muss man das wirklich? Vieles, das Armin Assinger sagt, kann ich ihm tatsächlich nachsehen. Von seiner Warte aus betrachtet, kann ich viele seiner Aussagen und Entscheidungen nachvollziehen. Aus einer privilegierten Sicht, und die hat man als Mann zweifellos, redet es sich aber auch leicht. Aus einer privilegierten Sicht nimmt man viele Ungerechtigkeiten gar nicht wahr. Oder vielleicht will man sie auch nicht wahrnehmen, um das angenehme Gefühl nicht zu trüben. Denn wie kann es einem als Vater gut gehen, wenn man weiß, dass die eigene Tochter sich ihre Lebensträume aufgrund ihres Geschlechts vielleicht nicht erfüllen wird können? Dass sie sich zwischen Kind und Karriere entscheiden wird müssen und dass sie eines Tages weniger verdienen wird als der eigene Sohn? Wie kann man das nicht höchstgradig ungerecht finden? Aber wahrscheinlich ist das wie mit vielen Dingen im Leben. Der dunkelhäutige Nachbar ist eh ganz nett, aber alle anderen Schwarzafrikaner sind Drogendealer. Der nette Obdachlose vor dem Supermarkt kann sicher nichts für sein Schicksal, aber alle anderen sind selbst schuld. Und die eigene Tochter wird es dann schon nicht so schwer haben, auch wenn Frauen generell benachteiligt sind. Wahrscheinlich ist das eine Art Selbstschutz, den wir Menschen eingebaut haben, um die vielen Ungerechtigkeiten in der Welt nicht spüren zu müssen. In Bezug auf die Gleichberechtigung ist dieser Schutzmechanismus aber fatal. Denn wie soll sich etwas ändern, wenn Gleichberechtigung immer nur als individuelles Problem gedacht wird? „Was bräuchte es denn, damit die Welt eine gleichberechtigtere wird?“, will ich von Assinger wissen. Weil er darauf keine Antwort hat oder weil ihm das Thema langsam auf die Nerven geht, greift er zu einem der drei Joker, die ich ihm am Anfang des Gesprächs ganz in Millionenshow-Manier präsentiert habe. Er legt die rosafarbene Richtungswechsel-Karte vor mich auf den Tisch und schaut mich herausfordernd an. Ich schaue auf die zwei Pfeile, die ich mit den Filzstiften meiner Kinder draufgemalt habe, und finde das plötzlich alles ziemlich absurd: Muss man im Jahr 2020 wirklich noch so über Gleichberechtigung diskutieren? Offensichtlich schon.

      Wie es meine Spielregeln also vorgeben, beantworte ich jetzt die Frage. „Es gibt so vieles, das sich ändern müsste“, sage ich, und dass ich mit den „Frauenfragen“-Interviews einen kleinen Teil dazu beitragen möchte. Außerdem müssten Frauen endlich genauso viel verdienen wie Männer und in alle beruflichen Ebenen vordringen können. Wenn es sein muss, auch mit einer gesetzlich geregelten Quote. Das Wort Quote löst bei Assinger, wie übrigens bei vielen Menschen, große Emotionen aus. „Muss das wirklich mit Zwang sein, dass, wenn ein Mann und eine Frau sich bewerben, automatisch die Frau genommen wird? Dann sind doch wieder die Männer diskriminiert, und das wollen wir ja auch nicht“, sagt er, fügt dann aber noch hinzu, dass er Quoten prinzipiell schon ganz gut findet. Natürlich will ich nicht, dass Männer diskriminiert werden. Wer will das schon ernsthaft? Aber kann man nicht über eine faire Aufteilung sprechen, ohne dass gleich der Angstschweiß ausbricht? Ohne dass man gleich eine Notrufnummer für den diskriminierten Mann einrichten muss? Eine Studie des Weltwirtschaftsforums aus dem Jahr 2020 besagt übrigens, dass, wenn es in Sachen Gleichberechtigung in dem Tempo weitergeht, es noch 100 Jahre dauern wird, bis Frauen und Männer tatsächlich gleichgestellt sind. Die Rede ist von gleichgestellt, nicht bessergestellt. Also kein Grund zur Panik! Assinger bleibt trotzdem skeptisch. Auch als ich über den Gender-Pay-Gap spreche, also die Tatsache, dass Frauen nach wie vor weniger verdienen als Männer. „Dass Frauen so viel weniger verdienen als Männer, muss man schon differenziert sehen. Zum Beispiel im Staatsdienst, bei den Beamten. Da ist die Bezahlung ja schon angeglichen worden.“ Jetzt ist der ehemalige Skirennläufer so richtig in Fahrt. Gerade bei den Beamten sei es manchmal nicht fair, dass Frauen, die zum Beispiel weniger Dienstjahre vorweisen können, nur aufgrund ihres Geschlechts bevorzugt werden. Und dass man sich generell anschauen müsse, wie viele Menschen in Österreich überhaupt erwerbstätig sind und wie viele davon dann Beamte sind. Ich frage mich, ob er mir jetzt tatsächlich erklären will, dass es den Gender-Pay-Gap gar nicht gibt. Dass er vielleicht nur eine Erfindung von uns ach so aufgeklärten Feministinnen in der Stadt ist. Die Zahlen sagen jedenfalls etwas anderes: Im Jahresdurchschnitt 2019 gab es, laut Statistik Austria, 4.355.000 Erwerbstätige, ungefähr gleich viele Frauen wie Männer. Davon waren rund 200.000 Beamt*innen. Obwohl im öffentlichen Dienst gleichwertige Arbeit unabhängig vom Geschlecht gleich bezahlt wird, verdienen auch Beamtinnen im Schnitt weniger als ihre männlichen Kollegen. Das liegt u.a. daran, dass auch hier Frauen eher in Teilzeit arbeiten und weniger in Führungspositionen zu finden sind.1

      In Sachen Gleichberechtigung gibt es also definitiv noch viel zu tun. Darauf einigen sich Assinger und ich nach gut eineinhalb Stunden, die wir bereits in diesem nüchternen Besprechungsraum sitzen, am Prosecco-Glas nippen und über „Frauenfragen“ diskutieren. Als wir thematisch bei der Frauenquote in der Unterhaltungsbranche ankommen, schlägt der Showmaster plötzlich die Hände zusammen und meint: „Do is a Gössn.“ Da ist eine Gelse. Ich kann keine sehen und mir beim besten Willen auch nicht vorstellen, wie ein Insekt in diesem klinisch sauberen Zimmer überleben könnte. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass Assinger mit dieser Nebensächlichkeit ablenken will. Dass es ihm unangenehm ist, über Themen zu sprechen, in denen ihm die Expertise fehlt. „Du hast mich heute wirklich am falschen Fuß erwischt, weil ich ja nicht gewusst habe, worüber wir reden werden. Deswegen kann man nicht jede Aussage von mir für bare Münze nehmen. Mir ist bewusst, dass das Thema ein sehr sensibles ist, und ich will ja auch niemanden vor den Kopf stoßen.“

      Vor den Kopf gestoßen werden Frauen in der Unterhaltungsbranche aber immer wieder. Oder wie ist es zu erklären, dass die meisten großen Unterhaltungssendungen im Fernsehen von Männern präsentiert werden? Und wenn Frauen vorkommen, sie häufig nur als Co-Moderatorinnen fungieren dürfen, oder wie eine Schweizer Zeitung über Michelle Hunziker bei „Wetten, dass ..?“ geschrieben hat, als „schönster Sidekick der Fernsehgeschichte“2? Wie ist es zu erklären, dass der Programmdirektor der ARD 2020 in einem Interview meinte, er finde keine Frau für die Showunterhaltung, und dafür berechtigterweise heftige Kritik erntete? Und warum wurde auch die Rate-Sendung „Die Millionenshow“, die bereits in über 100 Ländern ausgestrahlt wurde, weltweit hauptsächlich von Männern moderiert? Als Barbara Stöckl im Jahr 2000 in Österreich die Moderation der Quizsendung übernahm, war sie weltweit die einzige Frau für dieses Format. Mittlerweile haben einige Fernsehstationen nachgezogen, doch immer noch sind Frauen als Quizshow-Moderatorinnen die Ausnahme. „Jemand in führender Position hat mal gesagt: Quiz ist Männersache“, ergänzt Assinger. In Bezug aufs Moderieren geben ihm die Fakten recht. Wenn man sich jedoch anschaut, wie viele Frauen in der Millionenshow bereits die Millionen-Frage geknackt haben, stimmt die Aussage nicht mehr. Denn seit Beginn der Ausstrahlung der Sendung im ORF sind bisher fünf Frauen und zwei Männer mit der Million nach Hause gegangen. Vielleicht könnte man daraus jetzt auch wieder etwas Schlaues ableiten, denke ich, verkneife mir dann aber, es laut auszusprechen. Anders als Armin Assinger, der geradeheraus sagt, was er sich denkt. Und so meint er gegen Ende unseres Gesprächs: „Jetzt fängt es langsam an, unbequem für mich zu werden, weil du auf diesem Thema so herumreitest, und ich merke, wie wenig Gedanken ich mir im Laufe der letzten Jahre dazu gemacht habe. Aber kommendes Wochenende bin ich allein, und da werde ich sicher darüber nachdenken.“ Kaum hat er den Satz beendet, muss er auch schon los zu seinem nächsten Termin. Denn wenn der Kärntner einmal in Wien ist, ist sein Zeitplan dicht gedrängt. Lässig wirft er sich seine Jacke über, nimmt seinen kleinen Rollkoffer und eilt zum Ausgang. Bevor die Tür zufällt, dreht sich Assinger noch einmal um, winkt freundlich und ruft: „Bis bald, Marilein.“ Und damit wird mir einmal mehr bewusst, wie viel in Sachen Gleichberechtigung tatsächlich noch zu tun ist.

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      Alma Zadić


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