Pardona 3 - Herz der tausend Welten. Mháire Stritter

Pardona 3 - Herz der tausend Welten - Mháire Stritter


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…«

      Von hier aus ließen sich die Kraftlinien dieses Kontinents spielen wie ein Instrument mit unermesslich langen Saiten. Für so viele Dinge würde ihre körperliche Anwesenheit unwichtig werden. All die Melodien, die sie spielen würde!

      Sie berührte die Wand des Ganges, die leicht nachgab wie die Haut eines Hais, rau in eine Richtung, glatt in die andere. »Ich habe noch so viel mehr mit dir vor und dem, was du bist«, wisperte sie. Dann ging sie weiter hinein in die Wucherung, die die Sphären durchbrach, in den Dämonenbaum, das Schwert, das die Welten zerteilen konnte – und ihre Zitadelle.

      Rilmandra wiegte ihren Rumpf in unsichtbaren Winden und segelte durch eine weite, leere See aus Nebel. Leise erzählte sie dem Vierbeinigen in langen, langen Stunden ungestörter Fahrt, was die Symbole der Schnitzereien an ihrem Leib bedeuteten. »Die Nachtigall ist Sehnsucht«, murmelte sie ihm zu und sang ein Lied darüber, in das der andere einstimmte. »Die Lilie bedeutet Kampf und Gewandtheit, tödliche Schönheit!«

      Sie sprang auf fremden Beinen über das Deck und ahmte die raschen, tänzerischen Bewegungen der Krieger nach, die sie vor langer Zeit gesehen hatte.

      »Der Eisvogel ist Entschlossenheit«, verriet sie ihm und er gab ein vorsichtiges Knurren von sich. »Genau«, bestätigte sie, »Entschlossenheit, sein Ziel kennen, nicht abweichen. Deswegen ziert er auch meinen Bug.«

      Ein Tor schien hell durch den Nebel, für all ihre Sinne ein Lockruf und eine Warnung. Wie immer hielt sie sich von diesem Leuchtfeuer fern, navigierte an ihm vorbei und umkreiste wehmütig goldene Welten, die sie nicht zu betreten wagte.

      »Die Taube«, sagte sie und strich mit Fingerspitzen über den schlichten Vogel, im Flügelschlag festgehalten. »Die Taube, kehrt immer heim.«

      Der andere presste sein Gesicht an ihr Knie und sie vergrub die Finger in seinem Fell, ließ sich neben ihm nieder. Sie sah auf die beiden Gestalten im Eis und drückte den Vierbeinigen fest an sich. »Sie weiß immer, wo sie ist, damit sie heimkehren kann«, führte sie weiter aus. Dann schwiegen sie beide.

      Wenig später – oder viel später, die Jahre in der 3. Sphäre häuften sich zu immer höheren Zahlen, aber was bedeutete das ihr? – begann der andere auch ohne ihr Spiel die Schnitzereien abzusuchen und mit einem kehligen Laut und Stupsen der Nase auf sie hinzuweisen. Haselmaus und Betende Schrecke, Morgenblume und Krakenmutter und schließlich silberne Winde.

      Sie folgte ihm bei diesem Tanz, den er mehrfach wiederholte, und begegnete dann seinem fragenden Blick.

      »Geborgenheit und lauernde Gefahr«, sagte sie. »Hoffnung und Schutz. Dankbarkeit.«

      Er gab ein bestätigendes Geräusch von sich und setzte sich hin.

      Ihr Gesicht lächelte von allein und sie befühlte es nachdenklich. Die vielen, vielen kleinen Muskeln bewegten sich ihren Gefühlen nach und sie konnte selbst daran ablesen, wie sie die Bedeutung der Symbole verstand und die Freude noch größer wurde.

      »Gern geschehen«, sagte sie. »Ich würde dich jederzeit wieder aus lauernder Gefahr retten. Mein Schutz ist immer dein.«

      Er schnaufte zufrieden und grinste. Dann stand er wieder auf und trabte zu den beiden im Eis, stieß sie an. Er warf ihr einen Blick zu, als wolle er sichergehen, dass sie aufpasste, und lief zur Reling. Grauer Mohn war sein erstes Ziel, dann Goldginster.

      »Du bist traurig und ich soll helfen?«, fragte sie. Er machte wieder das bestätigende, entschlossene Geräusch und sie seufzte. »Ich weiß nicht wie«, gab sie zu. »Ich reise und ich nehme andere dabei mit, aber für einen anderen Zweck wurde ich nicht gebaut und so habe ich auch keine Kenntnis davon. Ich bin keine Heilerin, keine Gelehrte.«

      Er sah sie an und legte dann eine Pfote gegen die Schnitzerei des grauen Mohns.

      »Es tut mir leid«, sagte sie. »Es tut mir wirklich leid. Ich werde darüber nachdenken müssen.«

      Und das tat sie. Während sie sich im Nebel treiben ließ, verfolgte sie die Erinnerungsfäden von alten Befehlen und Wünschen, suchte nach einer Lösung. Als die Schöpferin sie verlassen hatte, war ihr Auftrag gewesen, ein letztes Mal als Zeichen an ihre Gefolgsleute nach Hause zurückzukehren und dann verschollen zu gehen. Die Seherin hatte ihr nicht den Tod befohlen, denn sie war nicht grausam, aber dass sie den großen Geheimnissen, den tiefen Pfaden und den festen Welten fern blieb.

      Sie dachte darüber nach und während sie das tat, spielte sie weitere Spiele mit dem Vierbeinigen. Die Zeit verging und sie blieben allein.

      Amadena saß im Herzen der Zitadelle, ihre Finger ruhten auf schwarzen Adern und durch sie spürte sie den Herzschlag eines anderen, der weit entfernt auf den Morast herabblickte, den ihre Schöpfung hinterlassen hatte. Sie lauschte zugleich den scheinbar geheimen Gesprächen von maskierten Würdenträgern auf dem Kontinent im Westen, den dankbaren Gesängen ihrer Kinder im Norden, dem Wispern und Scharren minderer Magie von zahllosen, umherwuselnden Menschen in ihren Städten.

      Nach Bedarf ließ sie ihre Kraft an ihnen entlangströmen, stärkte eine Spielfigur hier, die einem Fürsten etwas zuflüsterte, wirkte einen Zauber durch den Körper eines ihr lange ergebenen Kämpfers, erschien als Illusion, rief Schwärme von Ratten zusammen, um strauchelnde Helden in Stücke reißen zu lassen.

      Viele dieser Spielfiguren würden fallen und neue würden ihren Platz einnehmen. Sie lenkte, sie suchte, sie ließ Befehle erteilen und ihre Diener nach den Spuren von Wesen suchen, deren Kräfte ihr helfen würden, die die Herzen von Gläubigen bewegten, Überzeugung aufbauten und sich von Hingabe nährten.

      Währenddessen ertastete sie die Wurzeln des Baumes, in dessen Kronen sie ruhte, schob ihren Willen und ihren Geist geduldig durch das wimmelnde Chaos der Substanz, aus dem diese Zitadelle als Spitze einer Waffe gewachsen war, die die Schöpfung spalten sollte. Es war nicht ihr Plan, nicht ihre Absicht – die Welt sollte erhalten bleiben, auch wenn ihre Form zu wünschen übrig ließ – aber diese Waffe war denkbar nützlich; nur nicht hier, nicht so.

      Wie mit einer feinen Nadel im Nerv eines Zahns erfühlte sie den Wuchs und die Un-Natur dieses riesigen Geschwüres. Während sie zugleich Figuren umstieß, verschob und neue auf das Spielfeld setzte, gewann ein Teil ihrer Zukunft an Form.

      Zu ihren Füßen klickte und klackte ein Spielzeug, eine kleine mechanische Kreatur. Die darin ruhende Seele schlief, blieb vor der Umgebung des Dämonenbaumes geschützt. Sie erlebte bloß eine weitere lange Zeit ohne Erinnerung, ohne Bewusstsein, ein weiteres Bisschen Unsicherheit und Hilflosigkeit.

      »Bald werden wir uns voneinander verabschieden«, wisperte sie. »Es fehlt nicht mehr viel, und wir finden es bald. Die Sucher riechen die Spur von Orimas Wirken im Nebel und dann werden wir handeln, du und ich.«

      »Rilmandra«, erklärte sie ihren Namen und sang ihn. Er lief aufgeregt zwischen Symbolen hin und her und sie sprach sie laut aus, fügte Laute zusammen und wenn er frustriert umhersprang, zog sie sie wieder auseinander. Ein Hauchen, ein tiefer Laut, ein sanftes Ende.

      »Hond«, sagte sie und er drehte sich begeistert im Kreis, jaulte glücklich. »Du bist Hond!«, wiederholte sie und Hond sprang zu ihr, um ihr die Hände abzulecken. Nach viel, viel Verwirrung wusste sie nun, dass das Zuneigung bedeutete – Rosenzweige und Mandelblüten, Lavendel und Zaunkönig.

      Sie lernte auch die Namen der beiden im Eis. Israni und Kilgan: Schwertlilie und Falke für sie und einsame Bergblüten und Siebenschläfer für ihn. Sie erfuhr, dass es andere gegeben hatte, dass sie fort waren und es Hond so tief schmerzte, dass sein Herz ihm zerreißen wollte, und dass ihr neuer Körper eine Seele gehabt hatte, eine Seele von Jasmin und Nachtigall.

      »Ich will ja helfen«, versprach Rilmandra. »Ich will es ja!«

      Hond seufzte und trabte die Reling entlang, auf


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