Pardona 3 - Herz der tausend Welten. Mháire Stritter

Pardona 3 - Herz der tausend Welten - Mháire Stritter


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waren einander Anker, während die Welten weiterzogen. Sie durften nicht Halt machen, nicht rasten, während an anderen Orten Schlachten gewonnen und verloren wurden, Wälder erblühten und vergingen und Felder voll Knochen zu blühenden Ebenen wurden. Sie fanden Ruhe in der Stille der im Eis gefangenen Begleiter, in den Rhythmen des Limbus, in ihren Spielen und dem Dämmerschlaf im Nebel.

      Die Welten drehten sich, folgten ihren vorbestimmten Abläufen. Zeit lief in Pulsen vom Herz der Schöpfung nach außen, versickerte und verlor schließlich am Rand, wo die Sterne wachten, ihre Bedeutung.

      Borbarad hatte den Bund mit Amadena abgelehnt, ohne auch nur lange darüber nachzudenken. Er hatte genau gewusst, was ihn erwartete und was sie ihm vorschlagen wollte. Das war eine wertvolle Erkenntnis für Acuriëns Herrin gewesen. Möglicherweise hatte sie das Wesen des Göttlichen doch unterschätzt. Doch auch davon abgesehen war das Ritual nicht der Fehlschlag gewesen, als der es erscheinen mochte.

      Borbarads Rückkehr stürzte den gesamten Kontinent Aventurien in den darauffolgenden Jahren ins Chaos und brachte die Sphären zum Erbeben, wie es seit dem Fall Pyrdacors nicht mehr geschehen war. Risse in die Niederhöllen taten sich auf, Helden – menschliche wie elfische – fielen. Das Weltbild der Menschen begann sich zu verändern. Hatte vielerorts blindes Vertrauen in ihre Götter in Alveran geherrscht, wandten sich jetzt immer mehr Menschen der Magie und den Erzdämonen zu – begannen sogar darüber nachzudenken, dass Göttlichkeit nicht Allmacht bedeutete und dass es nichts war, was die Schöpfung als Privileg für den Rest der Ewigkeit vergab, sondern etwas, das ein Sterblicher selbst erlangen konnte.

      Dies war eine Gedankensaat, der Amadena gern beim Sprießen zusah. Borbarads Rückkehr mochte vordergründig Tausende und Abertausende von Leben gekostet haben und die Ordnung gestört haben – eine hervorragende Grundlage für das Wirken des Namenlosen. Doch die Auswirkungen in den Köpfen der Menschen würden noch in Jahrhunderten zu spüren sein und die Zahl der für die Götter verlorenen Seelen war nicht zu erfassen.

      Dass Borbarad sich ihr verweigert hatte, war nicht zu ändern. Ein Teil von ihr, der immerzu Wahrscheinlichkeiten und Geschicke betrachtete und verschiedene Wege auslotete, hatte diese Möglichkeit in Erwägung gezogen. Acuriën war das einzige Geschöpf, das wahrgenommen hatte, wie sie selbst das Ritual korrumpiert hatte. Sie hatte dafür die Kräfte aller Dämonen der Niederhöllen angerufen – und natürlich die ihres Herren, des dhaza, des Gottes ohne Namen. Ihnen allen sollte Borbarads Rückkehr dienen. Doch was sie tat, als alle abgelenkt waren, das diente einzig und allein ihr selbst.

      Acuriën wagte nie, seine Herrin darauf anzusprechen, aber er wusste, dass sie wusste, dass er es gesehen hatte. Ein winziger Dämon war Teil von Borbarads Leib geworden, eine Art Egel. Eine Kreatur, die von Amadena erschaffen worden war und einzig und allein ihr diente.

      Als Borbarad Jahre später bezwungen und vernichtet wurde, wie es prophezeit gewesen war, blieb nichts von seinem Leib übrig. Er wurde in andere Sphären entrückt. Große Teile Aventuriens lagen zu diesem Zeitpunkt in Trümmern. Amadena hatte im Verborgenen gewartet und den Verlauf der Dinge beobachtet. Nun schickte sie ihre Handlanger aus, um Überreste von Borbarads Körper zu finden, doch diese Suche blieb erfolglos.

      Mit wissenschaftlicher Akribie schrieb Amadena alles nieder, was sie über Borbarad und Halbgötter gelernt hatte, fügte dieses Wissen den langen Schriften und Abhandlungen der Archäer hinzu, die sie geplündert hatte.

      Und das Erbe Borbarads, das Chaos, seine Reichtümer und die Dämonenzitadelle an der Spitze des Dämonenbaums, nahm sie mit stiller Selbstverständlichkeit an sich.

      Amadena ließ sich in den Schnee fallen und wechselte die Gestalt. Flügel schmolzen zu langem, blassem Haar und Schuppen wurden zu bleicher Haut. Zwölf Berge umringten sie, himmelhoch und weißglühend vor Eispanzern, die sich an ihren Spitzen festkrallten. In respektvollem Abstand kreisten Drachen, die sie aus der Ferne beobachteten.

      Der Ort schien verlassen, doch sie spürte den Blick unsichtbarer Wächter auf sich ruhen, die jenseits der greifbaren Welt ruhelos kreisten. Kaum jemand schaffte es bis hierher, noch weniger wurden dann geduldet.

      Die Kälte, brutal wie der Winter am Himmelsturm, griff nach ihr und sie verwehrte sich. Sie sang, nur ein Summen, knochentief, und weder Frost noch die dünne Luft wagten sich näher heran. Um ihre bloßen Füße schimmerte die Luft an der Grenze ihrer Körperwärme zur lebensfeindlichen Umgebung.

      Es gab kein höheres Gebirge auf dieser Welt; es schien, als verließe es beinahe die Sphäre. Alles wirkte zugleich verschwommen und zu scharf umrissen, immens in seinen Ausdehnungen, aber in der klaren Luft so deutlich in der Ferne, dass selbst die massiven Felswände und Gletscher Spielzeug sein mochten.

      Vor ihr lag etwas, das sich vor ihrer Sicht zu verbergen versuchte, oder eher versuchte ihr Blick, darum herumzugleiten. Allein die Ahnung seiner Form bohrte sich als vager Schmerz hinter ihren Augen in ihren Schädel. Zwischen Herz und unteren Rippen regte sich etwas in ihrem Leib, ein Hauch von Unwohlsein und ein Flattern wie ein Banner im Atem eines Riesen.

      Sie konzentrierte sich, richtete ihren Blick fest auf den Turm.

      »Ich habe Schlimmeres gesehen«, verkündete sie sich und der Welt. Mühlsteine aus Leid und Schmerzensschreien, hungrige Mäuler, die Welten verschlingen konnten, Boshaftigkeit, die weder Ablenkung noch Langeweile kannte und immer, unablässig um sich griff, sich wand und jeden klaren Gedanken zerstören wollte.

      Das hier war nur die Saat der Siebten Sphäre, nur ein Echo.

      Aus dem Talgrund zwischen den zwölf Bergspitzen erwuchs etwas, das zugleich Baum, Turm, Tempel und Gerippe war. Schwarz flirrten seine Umrisse, ölige Regenbogenfarben liefen über Beulen und Bögen wie halb verfaulte Leichenteile. Zinnen wuchsen wie Zähne, Meilen über dem Boden. Das Gebäude lebte, und auch wenn keine klar erkennbaren Augen Teil der vielfältigen Oberflächen waren, beobachtete es sie ebenso wie sie es zu beobachten versuchte. Der Schmerz wurde intensiver, aber sie hieß ihn willkommen. Sie konnte dieses Ding erfassen in all seinen sichtbaren und unsichtbaren Dimensionen. Sie spürte, wie weit die Wurzeln reichten; sie berührten Bereiche der Schöpfung, die unzugänglich sein sollten.

      Mit einem weiteren, gesungenen Ton sah sie noch mehr: Linien aus Purpur, die wie Ströme von Blut flossen, ein Gewebe aus zwölf solcher Bahnen, die sich im Herzen des Turms miteinander verbanden und wie Adern in Bögen und Kränzen aus einem Herz erwuchsen. Wer auf diesem immensen Instrument spielen konnte, dessen Saiten über Kontinente reichten, dessen Melodien würden die Welt umspannen. Der Turm selbst hatte dies nicht hervorgebracht, aber er wuchs daran und darum herum wie ein bösartiger Tumor, der das Gewebe seines Wirts in sein eigenes wandelte und wucherte, immerzu wucherte.

      So viele Krankheiten, angeschwollene Drüsen, schwarzviolett schimmernde bösartige Klumpen aus verdorbenem Fleisch hatte sie schon in den Händen gehalten, hatte sie aus den Körpern ihrer Kinder und Experimente geschnitten oder eingepflanzt, gehegt und bewundert. Nichts davon konnte sich hiermit messen, doch sie würde auch dies nehmen, formen und beherrschen.

      Sie ging auf das Gebilde zu, das zu zittern begann. Das Land im Schatten des unmöglichen Turms begann sich zu regen und zu fließen wie Öl, verlor seinen Zusammenhang in Zeit und Raum, als die Zitadelle ihren Ort wechseln wollte.

      »Bleib«, befahl sie und sie war nicht allein. Der purpurne Stern, das Auge in der Leere, sprach durch sie. Ihr ganzes Leben, jahrtausendeschwer, stemmte sich gegen den Sog des dämonischen Baumes und er erstarrte.

      »Gut«, murmelte sie ihm zu und näherte sich weiter, »und nun öffne dich.«

      Bebend zogen sich einzelne, gigantische Fasern auseinander und gaben eine Öffnung frei, die von bleichen Knochen oder Stoßzähnen gesäumt wurde. Dahinter führte der Weg tiefer hinein und aufwärts, pulsierend und lebendig. Oben, unter dem Kranz von Elfenbeinzinnen und umringt von pochenden Adern voller Macht, wo Zweige bedeckt von schimmerndem Pelz und Insektenflügeln im Wind peitschten, wuchs ein Thron aus


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