Physikalische Chemie. Peter W. Atkins
die die Van-der-Waals-Gleichung zulässt. Die Kurven entlang der Oberfläche sind Isothermen, beschriftet mit den Werten für T/Tkrit. Sie entsprechen den Isothermen, die in Abb. 1.22 gezeigt sind.
Abb. 1.22 Van-der-Waals-Isothermen für verschiedene Werte von T/Tkrit. Die Van-der-Waals-Schleifen werden in der Regel durch horizontale Linien ersetzt. Für die kritische Isotherme, die hier als blaue Linie eingezeichnet ist, gilt T/Tkrit = 1.
Die wichtigsten Eigenschaften der Van-der-Waals- Gleichung können wie folgt zusammengefasst werden:
1. Bei hohen Temperaturen und großenmolaren Volumina erhält man die Isothermen des idealen Gases.
Bei hohen Temperaturen wird RT so groß, dass der erste Term in Gl. (1.27b) bei weitem über den zweiten dominiert. Weiterhin ist für großes Molvolumen (Vm ≫ b) der Nenner Vm − b ≈ Vm. Die Gleichung geht so in die Zustandsgleichung des idealen Gases über, p = RT/Vm.
2. Wenn sich abstoßende und anziehende Kräfte ausgleichen, existieren Flüssigkeit und Gas gleichzeitig.
Wenn beide Terme in Gl. (1.27b) ähnlich groß sind, entstehen die Van-der-Waals-Schleifen; dabei gibt der erste Term die kinetische Energie der Moleküle und die abstoßenden Wechselwirkungen, der zweite die Anziehungskräfte wieder.
3. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen kritischen Größen und Van-der-Waals-Koeffizienten.
Bei T < Tkrit findet man die Schwankungen in den berechneten Isothermen, sodass je ein Minimumund ein Maximum entsteht. Diese Extrema nähern sich für T → Tkrit aneinander an und fallen schließlich bei T = Tkrit in einem Punkt zusammen. Am kritischen Punkt hat die Kurve eine Krümmung von null (horizontaler Wendepunkt, siehe (2)). Ein derartiges Verhalten einer Kurve entsteht, wie wir wissen, wenn sowohl die erste als auch die zweite Ableitung null sind. Daher können wir die kritischen Größen bestimmen, indem wir diese Ableitungen berechnen und am kritischen Punkt null setzen:
Die Lösungen sind
wobei wir pkrit mithilfe von Gl. (1.27b) aus Vkrit und Tkrit berechnet haben. Diese Beziehungen eröffnen einen alternativen Weg zur Berechnung der Werte von a und b aus den Werten der kritischen Konstanten. Wir überprüfen ihre Richtigkeit anhand der Tatsache, dass bei Verwendung der Van-der-Waals-Gleichung stets derselbe kritische Kompressionsfaktor Zkrit für alle Gase vorausgesagt wird:
(1.29)
Beim Vergleichmit Tab. 1.5 sieht man, dass &Zkrit zwar kleiner als
(c) Das Prinzip der übereinstimmenden Zustände
Für den Vergleich der Eigenschaften verschiedener Objekte ist es in der Wissenschaft oft nützlich, eine für alle Objekte relevante fundamentale Größe auszuwählen und auf ihr eine relative Skala aufzubauen. Da die kritischen Größen für die einzelnen Gase charakteristisch sind, ist es sinnvoll, sie als Einheiten zu verwenden. Wir führen reduzierte Variablen ein, indem wir die jeweilige Variable durch die entsprechende kritische Größe teilen:
(1.30)
Wenn der reduzierte Druck für ein Gas gegebenist, lasst sich scin wirklicher Druck lcicht aus p = PrPkrit berechnen; dies gilt analog für Volumen und Temperatur. Van-der-Waals, Temperatur. Van-der-Waals, der die reduzierten Größen erstmals einführte, erwartete für Gase mit glei‐cher reduzierter Temperatur und gleichem reduzierten Volumen auch gleichen reduzierten Druck – eine Vermutung, die tatsächlich weitgehend zutrifft. In Abb. 1.23 ist die Abhängigkeit des Kompressionsfaktors Z vom reduzierten Druck für verschiedene Gase und verschiedene reduzierte Temperaturen gezeigt. Der Erfolg der Methode ist deutlich: Man vergleiche Abb. 1.23 mit Abb. 1.18, in der ähnliche Daten ohne die Verwendung von reduzierten Variablen dargestellt sind.
Abb. 1.23 Auftragung der Kompressionsfaktoren von vier Gasen unter Verwendung von reduzierten Variablen. Die Kurven sind jeweils mit der reduzierten Temperatur Tr = T/Tkrit bezeichnet. Die Verwendung reduzierter Variablen bringt die Daten unterschiedlicher Gase auf gemeinsame Kurven.
Die Beobachtung, dass reale Gase bei Übereinstimmung von reduziertem Volumen und reduzierter Temperatur auch den gleichen reduzierten Druck aufweisen, nennt man Prinzip der übereinstimmenden Zustände. Es ist nur näherungsweise gültig, am besten für Gase, die aus kugelförmigen (sphärischen) Teilchen bestehen. Bei nicht sphärischen oder polaren Teilchen ergeben sich zum Teil beträchtliche Abweichungen.
Illustration 1.9
Die kritischen Größen von Argon und Kohlendioxid sind in Tab. 1.5 angegeben.Wenn Argongas bei 23 atm und 200K vorliegt, dann sind sein reduzierter Druck und seine reduzierte Temperatur
Damit Kohlendioxidgas in einem übereinstimmenden Zustand vorliegt, müssten sein Druck und seine Temperatur wie folgt sein:
Zur Veranschaulichung des Prinzips verwenden wir die Van-der-Waals-Gleichung. Zunächst drücken wir Gl. (1.27b) durch reduzierte Variablen aus:
Anschließend drücken wir die kritischen Größen durch die Koeffizienten aund b aus (siehe