Physikalische Chemie. Peter W. Atkins
Gas, weil die Anziehungskräfte helfen, die Teilchen zusammen zu drücken. Beiweiterer Druckerhöhung überwiegen schließlich die Abstoßungskräfte, weil die mittleren Abstände der Moleküle voneinander sehr klein werden, sodass das Gas schwerer zu komprimieren sein sollte.
Abb. 1.17 (a) Experimentelle Isothermen von Kohlendioxid bei verschiedenen Temperaturen. Zur Temperatur 31, 04 °C (kritische Temperatur) gehört die „kritische Isotherme“ (blaue Linie). Der kritische Punkt ist durch einen Stern gekennzeichnet. (b) Ein Gas kann nur bei oder unterhalb seiner kritischen Temperatur zur Flüssigkeit kondensieren, während es komprimiert wird, wie z. B. entlang der horizontalen Linie CDE. Auf der gepunkteten, schwarzen Linie um die schattierte Fläche liegen Punkte wie C und E für alle Isothermen unterhalb der kritischen Temperatur.
Nun soll das Volumen der Gasprobe, die sich zunächst im Zustand A (Abb. 1.17) befand, bei konstanter Temperatur verringert werden (etwa durch Verschieben eines Kolbens). In unmittelbarer Nähe von A nimmt der Druck entsprechend dem Gesetz von Boyle zu. Signifikante Abweichungen machen sich bemerkbar, wenn das Volumen sich dem Zustand B nähert.
Am Punkt C (für Kohlendioxid etwa 6MPa oder 60 bar) erinnert nichts mehr an ideales Verhalten: Bei weiterer Bewegung des Kolbens steigt der Druck nicht mehr an, wie es die horizontale Linie CDE zeigt. Wenn man in diesem Bereich den Gefäßinhalt untersucht, findet man, dass unmittelbar links vom Punkt C eine Flüssigkeit erscheint. Zwei Phasen mit einer Grenzfläche entstehen. Bei Verringerung des Volumens von C über D nach E nimmt der Anteil der Flüssigkeit im System zu. Durch die Kondensation wird der Widerstand, den das Gas dem Kolben entgegensetzt, nicht mehr größer. Der Druck, der der Linie CDE entspricht – d. h. der Koexistenz von Gas und Flüssigkeit im Gleichgewicht –, heißt Dampfdruck der Flüssigkeit bei der jeweiligen Temperatur.
Am Punkt E ist die Probe vollständig verflüssigt und der Kolben lässt sich nur unter Aufwendung sehr hohen Drucks weiter bewegen, wie es durch den steilen Anstieg der Kurve links von E nach F wiedergegeben wird. Selbst eine kleine Verringerung des Volumens führt in diesem Bereich unmittelbar zu einem deutlichen Anstieg des Drucks.
(a) Der Kompressionsfaktor
Der Kompressionsfaktor oder Realfaktor Z eines Gases gibt das Verhältnis seines Molvolumcns, Vm = V/n zum Molvolumen
(1.23)
Das Molvolumen eines idealen Gases ist gleich RT/p; ein aquivalenter Ausdruck für Z ist deshalb Z = pVm/RT oder
Für ein ideales Gas erhält man unter allen Bedingungen Z = 1; die Abweichung des Kompressionsfaktors von 1 ist daher ein Maß für die Abweichung vom idealen Verhalten.
In Abb. 1.18 sind einige experimentelle Werte von Z gezeigt. Bei sehr kleinen Drücken verhalten sich die Gase nahezu ideal: Z ≈ 1. Für hohe Drücke findet man Z > 1: Das Molvolumen solcher Gase ist größer als das eines idealen Gases, da die Abstoßung zwischen den Teilchen hier dominiert. Bei mäßigem Druck ist für die meisten Gase Z < 1, da die anziehenden Wechselwirkungen überwiegen und das Molvolumen im Vergleich zum idealen Gas verkleinern.
Abb. 1.18 Die Variation des Kompressionsfaktors Z mit dem Druck für verschiedene Gase bei 0 °C. Für ein ideales Gas gilt bei beliebigem Druck Z = 1. Für p → 0 streben zwar alle Kurven dem Wert 1 zu, aber mit unterschiedlichen Steigungen.
Illustration 1.5
Das molare Volumen eines idealen Gases bei 500 K und 100 bar ist
Aus der Tatsache, dass Z < 1 ist, können wir schließen, dass unter diesen Bedingungen anziehende Wechselwirkungen dominieren.
(b) Virialkoeffizienten
Bei großen molaren Volumina und hohen Temperaturen unterscheiden sich die Isothermen realer und idealer Gase nur unwesentlich. Wir können daher die Zustandsgleichung des idealen Gases als erstes Glied in einer Reihenentwicklung der Form
ansehen. Wir sehen hier ein Beispiel für eine allgemeine Methode in der Physikalischen Chemie, bei der man eine einfache Beziehung (hier pVm = RT), die eine gute erste Näherung für ein bestimmtes Verhalten gibt, als ersten Term in einer Reihenentwicklung in einer geeigneten Variable (hier p) ansetzt. Für viele Anwendungen bevorzugt man die Form
Diese Beziehungen (Gln. (1.25a) und (1.25b)) sind aquivalente Formulierungen der Virialgleichung. (Der Name stammt aus dem Lateinischen: vires, Krafte. Gelegentlich werden die Koeffizienten auch mit B2, B3, ...bezeichnet.) Durch Vergleichmit Gl. (1.24) sehen wir, dass der Term in Klammern in Gl. (1.25b) dem Kompressionsfaktor Z entspricht.
Die temperaturabhangigen Koeffizienten B, C, ... nennt man die zweiten, dritten, ... Virialkoeffizienten (Tab. 1.4); der erste Virialkoeffizient ist 1. Da bei typischen Temperaturen
Tab. 1.4 Zweite Virialkoeffizienten, B/(cm3 mol−1).*)
Temperatur | |
Substanz |