Jenseits von Materie. Prof. Dr. Oliver Lazar
Bedürfnis danach verspürte, die Eltern zu kontaktieren und sie zu besuchen, hatte sie ihre Zweifel, ob das eine gute Idee sei. In ihren Augen bräuchten die Eltern in der schlimmsten Phase ihres Lebens nicht auch noch so jemanden wie mich. Schließlich waren es doch uns fremde Menschen.
Ich entgegnete ihr: »Für mich fühlt sich das aber nicht so an!« Ich war innerlich zerrissen und lag im Disput mit mir selbst. Sollte ich die Eltern des Mädchens nun kontaktieren, so wie es mein Herz mir unmissverständlich mitteilte, oder sollte ich auf meinen Kopf hören, mich zurückziehen und die Leute in ihrer Trauer in Ruhe lassen? Während ich meinen Gedanken freien Lauf ließ, um die Situation empathisch zu bewerten, machte ich völlig unerwartet die mit weitem Abstand eindrücklichste und größte Erfahrung meines Lebens. Ich versuche, dir möglichst genau zu beschreiben, welche unglaublichen Gefühle mich durchströmten. Ich fand einfach keine Worte, die diesem Erleben gerecht werden könnten. Selbst wenn ich sämtliche wundervollen Adjektive aus allen Sprachen der Welt verwendete, könnte ich damit nur einen Bruchteil dessen wiedergeben, was ich wirklich gefühlt habe. Ich bekam plötzlich auf meiner linken Körperseite zunächst am Kopf, dann am Nacken, dann den Rücken bis in die Beine hinunter eine unglaubliche und wundervolle Gänsehaut, wie ich sie noch nie im Leben gespürt hatte. Diese Gänsehaut lief an mir auf und ab. Ich begann dabei innerlich zu vibrieren. Dann durchströmte mich eine gigantische Welle unendlich großer, bedingungsloser Liebe in einer Dimension, die sich mit nichts auf der Welt vergleichen lässt. Es gibt keine irdischen Worte, um diese grenzenlose Glückseligkeit auch nur annähernd beschreiben zu können. So viel Liebe kann man sich nicht im Entferntesten vorstellen, und sie explodierte in mir mit gleißendem Licht und strahlte in jede einzelne Zelle meines Körpers. Dieses Licht besaß eine so unvorstellbar große Kraft, dass es meinem Gefühl nach den kompletten Weltraum erstrahlen ließ. In seinem Antlitz verblassten selbst die hellsten Sterne. Es war unglaublich, von enormer Prägnanz und ohne jeden Zweifel absolut real. Ich musste keine Sekunde lang nachdenken, ob ich das Gefühlte wirklich wahrnahm oder ob ich es mir nur einbildete, denn es war bis ins Mark von einer über jeden Zweifel erhabenen Eindrücklichkeit.
Mir war bewusst, dass diese Liebe nichts Irdisches war. Mir liefen Tränen vor Freude und Glück über die Wangen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, das mich erschüttert, aber auch ein wenig erschreckt hat.
Diese intensiven Gefühle kamen definitiv nicht von mir. Vielmehr wurden sie von außen an mich herangetragen; so etwas kann man sich nicht einbilden. Nach diesen Ereignissen war ich verständlicherweise ziemlich durcheinander, und ich konnte mir nicht erklären, was da eigentlich mit mir geschah. Mit wem hätte ich darüber auch reden können? Niemand würde es verstehen oder nachvollziehen können. Ich hatte das Gefühl, der traurigste aber zugleich auch der glücklichste Mensch der Welt zu sein. Diese Achterbahnfahrt der Gefühle von der tiefsten Trauer bis hin zur größten Liebe und wieder zurück manövrierte mich in eine bittersüße Einsamkeit. Wer oder was diese Gefühle in mir auslöste, war mir nicht wirklich klar, aber Joma spielte dabei mit Sicherheit eine Rolle. Vielleicht konnte sie eine Tür zu einer neuen Welt in mir öffnen. Diese Gefühle lassen sich nicht steuern; ich hatte nicht darum gebeten. Mir war bewusst, dass diese Erfahrung mein Leben einschneidend und auf unglaubliche Weise verändern würde. Schließlich begann ich, mich über Spiritualität zu informieren. Ich habe Bücher zu diesem Thema geradezu verschlungen und innerhalb weniger Wochen mehr Bücher als in den 43 Jahren zuvor gelesen. Erste Antworten und Parallelen fand ich vor allem bei den Erlebnisberichten von Menschen, die eine Nahtoderfahrung (NTE) hatten. Sie berichteten in großer Übereinstimmung mit meinen Erfahrungen von einer unbeschreiblichen Liebe, für die es keine Worte gibt, von dem Gefühl, in der wahren Heimat der eigenen Seele gewesen zu sein. Sie alle veränderten wie ich auch komplett ihr Leben und haben dabei die Angst vor dem Tod verloren. Während ich das las, dachte ich immer wieder: »Ja, genau. Ich fasse es nicht. Das ist genau wie bei mir.«
Anita Moorjani erhielt im Jahre 2002 eine schwerwiegende Krebsdiagnose und fiel vier Jahre später unheilbar krank ins Koma. Entgegen aller ärztlichen Einschätzungen haben sich sämtliche Tumoren zurückgebildet, und sie fand ins Leben zurück. Im Koma erlebte sie eine NTE, von der sie in ihrem New York Times Bestseller Heilung im Licht: Wie ich durch eine Nahtoderfahrung den Krebs besiegte und neu geboren wurde1 und auf dem vom Schweizer Onlineverlag PSI ONLINE organisierten Online-Kongress Spirit Summit 2019 berichtete. Ihre Worte geben genau das wieder, was auch ich gefühlt habe: »Ich fühlte mich eingehüllt in ein Gefühl bedingungsloser Liebe, es gibt keine Worte in unserer menschlichen Sprache, um die Dinge zu beschreiben, die ich auf der anderen Seite fühlte.«2 Ich musste nur glücklicherweise nicht sterben, um diese Erfahrungen zu machen, was im Übrigen all den kritischen Ärzten, die z. B. einen Sauerstoffmangel als Ursache der NTEs betrachteten, einen Strich durch die Rechnung machen sollte, denn ich litt bei meiner spirituellen Erfahrung definitiv nicht unter Sauerstoffmangel und stand auch nicht unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen. Schließlich begann ich zu meditieren, obwohl ich das noch nie in meinem Leben gemacht hatte.
Anfangs war es komisch, und ich wusste gar nicht, ob ich das alles überhaupt richtig mache. Einfach dasitzen und in die Stille gehen ist verdammt schwer, und entgegen der allgemeinen Auffassung, Meditation sei zur Entspannung, habe ich die Erfahrung gemacht, dass eine Meditation unheimlich aufwühlend und anstrengend sein kann. Wenn man mit den tiefsten inneren Gefühlen und Themen konfrontiert wird, kann eine Meditation schnell zur emotionalen Berg- und Talfahrt werden. Mit der Zeit bekam ich dann eine gewisse Routine. Ich meditierte rein intuitiv und bekam immer häufiger diese Gänsehaut, hatte das Vibrieren und Kribbeln kombiniert mit unglaublich viel Liebe. In dieser Zeit hat sich gezeigt, dass das Schreiben von Gedichten für mich ein gutes Ventil war und noch immer ist und eine sehr gute Möglichkeit darstellt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Dabei habe ich mich zuvor nie für Gedichte interessiert, geschweige denn, selbst eines geschrieben. Irgendwie waren diese Gedichte einfach in meinem Kopf, und ich konnte nicht anders, als sie aufzuschreiben. Einige dieser Gedichte findest du auch in diesem Buch.
Rainbirds
Bin ein Vogel! Will nicht fliegen!Muss mein Trübsal erst besiegen.Schwarze Federn, Schnabel stumm.Sitz’ im Baum apathisch ‘rum.Hab’ dir ein schönes Nest gebaut,hast mir dein Leben anvertraut.Bist jetzt einfach abgestürzt,dein Leben tragisch abgekürzt.Sitz’ auf meinem Ast allein.Gewöhne mich ans Einsamsein.Nichts im Leben hat mehr Sinn.Nehm’ die Leere einfach hin.Sehr vertraut kommt eine Meise,sitzt neben mir und flüstert leise:»Ein Seelenpartner ist ein Segen,wir Vögel singen auch bei Regen.«
Oliver Lazar
Mein Herz raste, ich war furchtbar aufgeregt, so aufgeregt, dass ich nicht einmal etwas essen konnte. So saß ich also in meinem Auto und fuhr einige Monate nach dem Unfall in Richtung Süden, wo ich einen Termin zum Aura-Reading bei einer seriösen und renommierten spirituellen Lehrerin namens Nina Herzberg gebucht hatte. Sie war mir über viele hilfreiche YouTube-Videos in der schweren Zeit ein großer Trost. Nina wurde von Pascal Voggenhuber, einem der bekanntesten Medien Europas aus der Schweiz, ausgebildet und praktiziert, so wie es für ein seriöses Medium üblich ist, nach dem britischen Spiritismus. Dabei wird strikt zwischen Sensitivität, Medialität und Aura unterschieden. In Kapitel 7: Gibt es eine Evidenz für eine Geistige Welt? (➛Seite 319) werde ich die Begriffe Sensitivität und Medialität im Zusammenspiel mit den Hellsinnen detailliert erklären. Ein Jenseitskontakt nach dem britischen Spiritismus arbeitet mit einer evidenten Beweisführung. Das bedeutet, dass Botschaften von Verstorbenen nur dann von Wert sind, wenn sich der Verstorbene eindeutig beweisen kann, z. B. über Gegebenheiten, die nur der Verstorbene und seine Angehörigen wissen können. Doch einen Jenseitskontakt hatte ich nicht gebucht, es sollte bei dem Termin nur um meine Aura gehen.
Die Aura ist ein Energiefeld, das uns umgibt und das alle unsere Erlebnisse und Gefühle speichert, das zumindest versteht man in spirituellen Kreisen darunter. Während der Autofahrt kamen immer wieder widerstreitende Gedanken in mir hoch, über die ich zum Teil kopfschüttelnd gelacht habe. Was mache ich da bloß? Wie kann ein gänzlich säkularer, promovierter Naturwissenschaftler alles über den Haufen werfen, was er über die Welt und das Leben gelernt hat, um sich mit einem Medium zu treffen? Ging ich einer Quacksalberin auf den