Erinnerungswürdig. Walter Thaler
Kurortes. In den Jahren 1880 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges prägen die Arbeiten des Zweigespanns Wessicken-Comini das historistische Antlitz Bad Gasteins, eine Form der „Dekorationsarchitektur“ im Stil der Gründerzeit.
Zu den Glanzstücken der Hotelbauten Wessickens zählen das Hotel de l’Europe, der Elisabethhof Alois Windischbauers (heute: Arcotel), der im Jahr 1867 mit nur 60 Gulden in der Tasche nach Bad Gastein kam und sich dort ein Hotelimperium baut, sowie das „Haus am Wasserfall“ der Familie Straubinger. Den Kontakt zur Familie des Bürgermeisters Carl Straubinger hatte der rührige Architekt bereits während seiner Zeit als Dombaumeister von Mainz geknüpft, als er für drei Wochen in Gastein zur Kur weilte. Weitere Hotelbauten Wessickens sind das Kurhotel Austria, das Hotel Weismayr, das Kurhaus Quisisana, das Hotel Mühlberger und das Kurhaus Goldeck.
Aber auch die wohlhabenden Gasteiner Bürger und bevorzugt die gut bemittelten Kurärzte bedienen sich Wessickens als Gestalter ihrer noblen Villen. Die Kurärzte Dr. Anton Wassing, Dr. Eduard Schider und Dr. Josef Weingerl lassen sich ihre Privathäuser im Wessicken-Stil erbauen, der sich durch die charakteristischen Wessicken-Türmchen auszeichnet. Bei den Hotelbauten verzichtet Wessicken auf dieses architektonische Beiwerk. Die von Wessicken konzipierten Villen erzeugen alle den Eindruck einer Mischung von Burg- und Landhausstil.
Vom Grafen Rudolf von Czernin bekommt Wessicken gleich zweimal den Auftrag, ein Jagdschlösschen in Böckstein neben der Wallfahrtskirche zu planen. Da das erste Schlösschen sehr bald durch einen Brand zerstört wird, erhält Wessicken ein zweites Mal den Planungsauftrag.
Die Monumentalbauten der Gründerzeit zwischen 1880 und 1910 finden allerdings nicht die Zustimmung aller Zeitgenossen, da sie die romantische Topografie rund um den Wasserfall und das ländliche Idyll des Gasteinertals zum Großstädtischen hin verändern. So klagt der damalige Volksschullehrer Wilhelm Winkler, dass bis auf den Pfarrhof fast alle Häuser dem Erdboden gleichgemacht und durch den dem alpinen Baustil völlig unangepassten großstädtischen Architekturstil ersetzt worden seien. In seinem Buch „Bad Gastein“ bedauert der Gasteiner Badearzt Karl Gager den Verlust des „eigentümlichen und urwüchsigen Zaubers von Gastein […] Für Maler und Naturfreunde ein schmerzlicher Abbruch“.
Josef Wessicken heiratet 1916 Rosina Buchta, geborene Bühlmayr, deren Vater ein berühmter Vergolder in der Biedermeierzeit war. Seine Frau bringt fünf Kinder (3 Söhne, 2 Töchter) in die Ehe mit. Zwei der Söhne werden von Wessicken adoptiert, um seinen Namen zu erhalten.
Wessicken stirbt am 19. Oktober 1918, also wenige Tage vor dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie. Er wird in der Familiengruft am Salzburger Kommunalfriedhof begraben. Sein Name ist in der Erinnerung der Pongauer Bevölkerung weitgehend vergessen, der Pongauer Dom, die Gasteiner Wolkenkratzer-Silhouette, das Schloss Fischhorn bei Bruck und das Schloss Grubhof in St. Martin bei Lofer bleiben aber als seine besonderen architektonischen Wahrzeichen bestehen.
HANS MAKART
1840–1884
Der Maler der Sinne und der Dekadenz prägte ein Vierteljahrhundert
Es geht ihm wie vielen Künstlern in Österreich. Sein Talent wird nicht erkannt, doch in München avanciert er zum begehrten Porträtisten. Mit seinen von barocker Sinnlichkeit, Erotik und Dekadenz geprägten großformatigen Gemälden der Wiener Ringstraßen-Epoche und seinem Talent als geschickter Selbstvermarkter wird der erst 28-jährige Salzburger Künstler mit dem schwarzen Rauschebart zum umjubelten Skandalmaler und prägt den Lebensstil eines Vierteljahrhunderts. Hans Makart empfängt Kaiserin Elisabeth in seinem Atelier. Für den Adel und das Wiener Großbürgertum ist es ein „Must-have“, ein Porträt von ihm malen zu lassen. Um Makart entsteht ein Star-Kult, wie ihn Österreich bisher noch nicht erlebt hat. Nach seinem Tod allerdings wird er zum verspotteten Erotik- und Historienmaler, doch sein Einfluss auf Gustav Klimt ist nicht zu unterschätzen.
Hans Makart wird am 29. Mai 1840 als Sohn des Schlossverwaltungs-Kontrollors und Zimmeraufsehers Johann und seiner Frau Maria Katharina (geb. Rüssemayer) geboren. Der Vater hatte sich bereits als Maler versucht, stirbt allerdings, als der Bub 9 Jahre alt ist. Der kunstsinnige Onkel Rüssemayer erkennt Makarts Talent und gewinnt den Salzburger Erzbischof Maximilian von Tarnóczy als Mäzen. Als 18-Jähriger geht Makart an die Akademie der bildenden Künste nach Wien. Doch das Kopieren von Gipsbüsten bereitet ihm kein Vergnügen, allerdings kommt er in der Kaiserlichen Gemäldegalerie mit den alten Meistern in Berührung. Ob er wegen „fehlenden Talents“ von der Akademie entlassen wird oder von selbst dem musealen Kunsttempel entflieht, ist umstritten.
Daraufhin studiert er bei seinem Verwandten Josef Schiffmann in München, wechselt aber 1860 an die Königliche Kunstakademie zu Professor Karl Theodor von Piloty, einem der wichtigsten Vertreter der realistischen Historienmalerei. Mitschüler Makarts an der Königlichen Kunstakademie in München sind Franz von Defregger (1835–1921) und Franz von Lenbach (1836–1904), die beide zu ihrer Zeit zu den bekanntesten Malern im deutschen Sprachraum werden sollten. Piloty erkennt Makarts vielversprechendes Talent, vor allem seine eindrucksvolle koloristische Farbgestaltung. Er leiht Makart Geld, um Studienreisen nach Italien, London und Paris unternehmen zu können. Vor allem die Kunst des Venezianers Paolo Veronese, des Meisters der Spätrenaissance, begeistert den jungen Künstler wegen der leuchtenden Farben und deren dekorativer Wirkung.
Während er 1867 auf der Pariser Weltausstellung noch wenig Beachtung findet, gelingt ihm bereits mit 28 Jahren der künstlerische Durchbruch. Vor allem das Bild „Pest in Florenz“ erregt das kunstsinnige Münchner Publikum, das ihn nun mit Aufträgen überhäuft. Mit seiner Maltechnik, die eine unerhörte Leuchtkraft entfaltet, begeistert er die Kunstwelt. Denn Makart eignet sich bereits in seiner Münchner Zeit eine eigene Technik an, indem er mithilfe von Asphalt-Lasuren seine Farben zu grellem Leuchten, geradezu zum Glühen bringt. Das Jahr 1869 wird für ihn zum Schicksalsjahr, denn er heiratet die Münchnerin Amalie Franziska Roithmayr, die aber bereits vier Jahre später stirbt. Im selben Jahr beruft ihn Kaiser Franz Joseph nach Wien, wo er ihm auf Staatskosten ein Atelier in der Gusshausstraße im 4. Bezirk einrichtet. Denn der Wiener Hof erwartet von ihm eine künstlerische Ergänzung der Ringstraßenarchitektur.
Die Presse beschreibt ihn als den „kleinen Mann mit den glühenden Augen, der in seinem Atelier wahre Zauberkunststücke der Malerei“ vollbringe. Einigen Malern stellt Makart zeitweise den kleineren Teil seines Atelierhauses monatelang zur Verfügung, so Franz von Lenbach, Leopold Carl Müller (1834–1892) und Emil Jakob Schindler (1842–1892). Der Künstler gelangt sehr rasch zum Höhepunkt seiner Anerkennung, seine Gemälde erzielen Preise, wie sie kein anderer lebender Künstler erreicht. Er gilt als der „Malerfürst“ schlechthin. Er beeinflusst die Mode, die Wohnungsausstattungen, die Gebäudedekorationen und den ganzen Lebensstil seiner Zeit, die nach ihm als Makart-Epoche benannt wird.
Doch der große Börsenkrach vom 9. Mai 1873 bewirkt den Zusammenbruch vieler Unternehmen und Banken, wodurch das Wirtschaftsgefüge arg in Bedrängnis gerät. Der Untergang von Bauunterfirmen, die an der Gestaltung der Ringstraße beteiligt waren, reißt viele andere Wirtschaftsbereiche mit sich. Dies wirkt sich auch auf die Auftragssituation für den Künstler aus. Doch Makart erhält weiterhin Porträtaufträge vom Adel und von reichen Bürgerfamilien, die ihm sein fürstliches Leben ermöglichen.
Die Wintermonate 1875/76 verbringt Makart, der in Wien zur gefragtesten Malerpersönlichkeit aufgestiegen ist, mit seinen Kollegen Carl Rudolf Huber und Leopold Carl Müller, dem bedeutendsten österreichischen Orient-Maler, in Ägypten, wo er auch mit seinem Studienkollegen Franz von Lenbach zusammentrifft. Nach seiner Rückkehr wird er Professor an der Akademie in Wien, zwei Jahre später Leiter der dortigen Spezialschule für Historienmalerei. Er malt seine berühmtesten Historienbilder „Kleopatra auf dem Nil“ und „Einzug Karls V. in Antwerpen“ sowie eine Fülle von Porträts, überwiegend von Damen aus der Wiener Gesellschaft. Für die Silberne Hochzeit des Kaiserpaares Franz Joseph und Elisabeth organisiert er am 24. Juli 1879 einen Festzug, bei dem Hunderte Personen als Gestaltende mitwirken. Makart entwirft dafür auch die Kostüme: für die Abordnungen der Bürger Renaissancekostüme, für die Künstler Barockkostüme. Makart selbst reitet, in ein Renaissancekostüm