Erinnerungswürdig. Walter Thaler
wie sie später von den Nationalsozialisten betrieben wird. Das Buch widmet er dem bayerischen Ministerpräsidenten Ludwig von der Pfordten. Für den oberösterreichischen Autor Ludwig Laher ist dies das wüsteste antisemitische Pamphlet aus der Feder eines Schriftstellers des 19. Jahrhunderts. Stelzhamer schwelgt nicht etwa in den Vorurteilen seiner Zeit, sondern er ist ein geistiger Vorläufer des Antisemitismus. Dadurch wird das durchaus beachtenswerte Talent, das großartige Gedichte in der Innviertler Mundart geschrieben und seine Heimat mit poetischen Bildern verherrlicht hat, in seiner literarhistorischen Bedeutung empfindlich geschmälert. Stelzhamers Text ist allerdings kein singulärer Ausdruck des im Christentum jahrhundertelang tief verankerten Judenhasses. Denn zwei Jahre zuvor veröffentlicht der Komponist Richard Wagner unter Pseudonym sein Pamphlet „Das Judenthum in der Musik“ (1850).
Stelzhamer hat bewusst verdrängt, dass das von ihm angeprangerte jüdische Schmarotzertum von ihm selbst gelebt wird, denn einer seiner großzügigsten Förderer in seiner Wiener Zeit ist der aus Böhmen stammende Jude Ludwig August Frankl. Für Laher steht Stelzhamer deshalb „für die Unbegreiflichkeit menschlicher Abgründe“.
Nach seiner Rückkehr nach Salzburg stirbt seine Frau Betty im Alter von 38 Jahren. Im selben Jahr beginnt der 54-jährige Dichter Stelzhamer eine Beziehung zu Hermine Tremml, der Tochter seiner Jugendliebe Antonie Nicoladoni. Die letzten 18 Lebensjahre verbringt Stelzhamer überwiegend in Salzburg und Henndorf. 1866 erleidet er einen Schlaganfall, was für ihn jedoch kein Hindernis darstellt, die um 34 Jahre jüngere Salzburger Lehrerin Therese Böhm-Pammer zu heiraten. Sie wohnt mit ihrem unehelichen Sohn Luzian in Henndorf. Die nicht legalisierte Beziehung zu Stelzhamer hat schon bisher zu Ärgernissen in der kleinen Dorfgemeinde geführt. Stelzhamers letztes Gedicht, welches er seiner in Henndorf verbliebenen Familie widmet, – „Uebern Anger bin ih ganga“ – verfasst er zwei Monate vor seinem Tod.
Am 14. Juli 1874 stirbt der Dichter in seinem Wohnhaus Henndorf Nr. 84 und liegt auf dem Henndorfer Friedhof begraben. Es gibt wohl kaum einen anderen österreichischen Dichter, dem so viele Denkmäler erbaut wurden und der in seinem Heimatland Oberösterreich als Säulenheiliger verehrt wird. Im Jahr 1900 huldigt Hermann Bahr in seinem Theaterstück „Der Franzl“, das in fünf Szenen das Leben Stelzhamers schildert, dem Mundartdichter. Heute wird die Bedeutung des Oberösterreichers mit seinen teils kitschigen und trivialen Versen einem neuen kritischen Diskurs unterzogen, etwa durch die Germanistin Silvia Bengesser.
CHRISTIAN DOPPLER
1803–1853
Seine Forschungen haben die Welt verändert
Fast ein Jahrhundert lang sind seine Forschungen unbeachtet geblieben. Doch die Welt von heute ist ohne die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Salzburgers Christian Doppler nicht mehr vorstellbar. In der Luftfahrt, in der Raumfahrt (Satellitennavigation), im Straßenverkehr, in der Astronomie und Meteorologie, im Vermessungswesen, in der Abgasmessung von Motoren, überall stoßen wir auf den Doppler-Effekt. Wer kann sich heute noch ein Mittelklasse-Auto ohne das Navigationssystem GPS vorstellen? In besonderem Maß aber hat Doppler die Medizin revolutioniert. Denn durch die Sonografie hat die Medizin die Möglichkeit, den Blutdruck in den Gefäßen zu messen, die Blutgeschwindigkeit hörbar zu machen und dadurch Gefäßverschlüsse oder Engstellen zu diagnostizieren. Auch die Computertomografie sowie das Monitoring bei Operationen und Schwangerschaften sind ohne Dopplers bahnbrechende Erkenntnisse nicht vorstellbar.
Über Dopplers Kindheit und Jugend in Salzburg gibt es keinerlei Dokumente oder Selbstzeugnisse wie Briefe, Tagebücher, auch keine Zeugnisse von Zeitgenossen. Die spärlichen, nicht überprüfbaren Informationen über seine Salzburger Zeit verdanken wir seinem Enkel Adolf Doppler. Die erste nachweisbare Quelle gibt es erst über sein Studium am Wiener Polytechnischen Institut. Dennoch können einige Daten als gesicherte Fakten angenommen werden. Christian Doppler wird am 29. November 1803 in Salzburg im Haus Makartplatz 1 (gegenüber dem Salzburger Landestheater und neben Mozarts Wohnhaus) als viertes von fünf Kindern des Steinmetzmeisters Johann Doppler und dessen Frau Theresia (geborene Seeleuthner) geboren. Die Familie gehört zum altstädtischen bürgerlichen Gesellschaftsbereich. Es gibt zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Stadt Salzburg lediglich zwei Steinmetzbetriebe.
Christian wird in eine von Katastrophen gebeutelte Zeit geboren. Die 16 000 Einwohner zählende Stadt Salzburg leidet unter den Napoleonischen Kriegszügen und muss für 12 000 Soldaten Unterkünfte und Verpflegung bereitstellen. Im Jahr 1810 fällt das Kurfürstentum für sechs Jahre an die Bayern, bis es 1816 auf Beschluss des Wiener Kongresses endgültig dem Habsburgerreich zugeschlagen und dem Land Oberösterreich angegliedert wird. Die Explosion des indonesischen Vulkans Tambora überzieht Europa im Sommer 1816 mit einer dichten Aschewolke, was wegen des Ernteausfalls zu Hungersnöten führt.
Obwohl Christian bereits als Kind im väterlichen Betrieb mitarbeitet, kommt wegen seines zarten Körperbaus eine handwerkliche Ausbildung nicht infrage. Daher übernimmt sein um neun Jahre älterer Bruder als Erstgeborener den väterlichen Steinmetzbetrieb im Weiler Himmelreich. So kann sich Christian nur aufgrund von höherer Bildung aus seinem Herkunftsmilieu lösen. Christians Lebensweg ist ein klassischer Fall für den Aufstieg aus dem handwerklich dominierten Stadtbürgertum ins gehobene Bildungsbürgertum. Auf Anraten des Mathematikers Simon Stampfer, der am Gymnasium Mathematik und Physik unterrichtet und Christians mathematisches Talent erkennt, wird der Junge in das Lyceum (Gymnasium) geschickt. Doch schon nach drei Jahren nimmt ihn der Vater trotz ausgezeichneter Leistungen aus der Schule und schickt ihn in die „deutsche Normalschule“ nach Linz. Denn der Bub soll eine kaufmännische Berufsausbildung erhalten, um ein materiell gesichertes Leben führen zu können. Doch neuerlich schaltet sich Simon Stampfer ein, daher wird der begabte Bub nach Abschluss der „Normalschule“ von 1822 bis 1825 nach Wien auf das Polytechnische Institut geschickt, das er mit ausgezeichneten Noten abschließt.
Aus diesen drei Jahren in Wien sind erstmals persönliche Dokumente erhalten, nämlich Gedichte, Charaden (pantomimische Verkleidungsspiele zum Erraten eines Wortes), Essays und eine Studie über das Berchtesgadener Land. Die Gedichte sind ganz zeittypisch sentimental und sprachlich überladen. Wegen zweier Gedichte, die dem Andenken der verstorbenen Freunde Ludwig Sauter (Bruder des Volksdichters Ferdinand Sauter und des Mediziners Anton Sauter) und Karl von Schallhammer gewidmet sind, vermutet der Salzburger Historiker Robert Hoffmann, dass Doppler auch dem Freundeskreis von Franz Schubert angehört habe. Denn auch der spätere Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus, Karl Kreil, engster Freund Dopplers in seinen letzten Lebensjahren, gehört zum Schubert-Freundeskreis.
Christian hat aber ein höheres Ziel, er will an der Universität studieren. Daher muss er im Erwachsenenalter die Matura am Salzburger Lyceum nachholen. Er absolviert die ausständigen Semester in der halben Zeit und schließt von den 37 Absolventen seines Jahrgangs als Bester mit den Noten „eminente“ (ausgezeichnet) ab. Damit hat er nun als Sohn aus dem Handwerkerstand höhere Karriereaussichten. Doch Salzburg kann ihm diese nicht bieten, denn es ist in der k.u.k. Monarchie die zweitärmste Region. Als Dopplers Mathematikprofessor am Gymnasium, Adam Burg, den Lehrstuhl für höhere Mathematik am Polytechnikum in Wien erhält, holt er sich Doppler als Assistenten. Doch diese Stelle ist nur auf vier Jahre begrenzt, so muss er im Jahr 1834 als Buchhalter in einer Baumwollspinnerei in Bruck an der Leitha sein karges Brot verdienen.
Da seine akademischen Stellengesuche ohne Erfolg bleiben, plant er in die USA auszuwandern. Doch plötzlich wendet sich sein Schicksal, er bekommt die Stelle als Professor für Arithmetik, Algebra und Geometrie an der „Ständischen Realschule“ in Prag. In dieser Stadt hatte Karl IV. im Jahr 1348 die erste deutsche Universität gegründet, hier hatten die großen Astronomen Tycho Brahe und Johannes Kepler gewirkt. Prag hat, als Doppler hier ankommt, 100 000 Einwohner und einen hohen Rang in der europäischen Wissenschaft. 1836 heiratet er in der Pfarrkirche Mülln die hochbegabte 24-jährige Salzburgerin Mathilde Sturm, Tochter eines angesehenen Goldschmieds. In den nächsten elf Jahren, in denen die Familie in Prag lebt, werden fünf Kinder geboren. In Prag entsteht und veröffentlicht Doppler sein Hauptwerk „Über das farbige Licht der Doppelsterne und einiger anderer Gestirne des Himmels“ und mehr als 50 wissenschaftliche Arbeiten in den Disziplinen Mathematik, Physik und Astronomie.
Seine