CHANGES. Группа авторов

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Werke hervorbringt, die als übergeordnete Fassung selbst eine Erzählung bilden.

      Formate, insbesondere operative Formate, die für bestimmte Themen oder Aufgabenstellungen erfunden wurden, haben sich im traditionellen Feld der Begegnung zwischen Kunstwerk, Institution und Publikum als eigene Entitäten etabliert. Auch im Bereich der Unternehmensentwicklung oder Pädagogik sind an die Stelle der klassischen Mitarbeiter*innenschulung diverse operative Formate getreten. Formate sind keineswegs Modeerscheinungen einer deregulierten Kunstszene, deren Werke immer interdisziplinärer, internationaler, intermedialer werden und nach neuen Rahmungen verlangen, sondern eine generelle Tendenz des digitalen Zeitalters. Klassische Formate, also die Formate der klassischen Institutionen, sind Sendeformate mit einem linearen Charakter – sie senden von „oben“ und sind in ihrer Struktur festgelegt, das heißt verbindlich für Werke, die in Institutionen nach Sichtbarkeit streben. Dieses Privileg der Formatierung ist inzwischen weniger zwingend mit diesen Institutionen verbunden. So, wie es neben den traditionellen Häusern immer mehr Orte und Strukturen gibt, in denen Formate leichter aus den Bedürfnissen der Werke abgeleitet werden können, hat sich auch eine alternative Kulturszene herausgebildet, die längst ebenfalls „Hochkultur“ produziert, nur nach anderen Spielregeln und Ressourcen.

      Eine Ausstellung von Pierre Huyghe schafft zum Beispiel eine schwebende Erfahrung von Kunst, die sich durch die unterschiedlichsten Medien und Orte hindurchbewegt und oft größere Organismen bildet, als klassische Formate sie aufnehmen können. Gerard Mortier hat als Opernspezialist und Festivaldirektor dafür Anfang der 2000er-Jahre, als er die Ruhrtriennale gründete, den bereits erwähnten Begriff der „Kreation“ geprägt – die Beschreibung der Zusammenführung von Romanen mit Räumen und Kompositionen, die ein eigenes, neues Werk hervorgebracht haben, das unwiederholbar durch andere Künstler*innen blieb, weil diese Kreation keine Interpretation war, sondern Schöpfung – was oft schwer zu trennen ist. Während sich im frankophonen Theater der Begriff der „création“ weitgehend durchgesetzt hat, ist sein deutschsprachiges Pendant heute nur selten auf Spielplänen zu lesen. Häufiger stößt man auf die „Stückentwicklung“, die eine vergleichbare Abhängigkeit von Werk und Akteur*innen in der Werkgenese beschreibt, die Wiederholbarkeit durch andere Interpret*innen aber vielleicht weniger kategorisch ausschließt und häufig impliziert, dass das enstandene Werk dem Sprechtheater zuzuordnen ist. Kreationen bzw. créations wie Alain Platels Wolf interpretierten nicht mehr einzelne Werke Mozarts, sondern in der Collage verschiedenster seiner Arbeiten Mozart selbst. In Gerard Mortiers Programm entstanden Formate wie „Century of Song“ oder „Die Wiedererrichtung des Himmels“, die mehrjährige Kreationen auf der Ebene eines anderen Framings von Musik oder Literatur waren und neue Berührungsräume zwischen Literatur und Nicht-Literatur, Malerei oder Politik schufen, um einer Idee, einer Fragestellung bis in ihre feinsten und überraschendsten Verästelungen zu folgen.

      Formate sind Inszenierungen von Zusammenhängen, die weniger spezifische Inhalte als Verbindungen aufführen. Festivals sind wahrscheinlich die größten und auch flexibelsten „Maschinen“ für die Zusammenkunft diverser Werkformen. Der moderne Begriff des Kuratierens zielt tatsächlich stärker auf die Inszenierung und das Spiel mit Formaten ab als auf die Arbeit am oder mit dem einzelnen Werk. Dramaturg*innen interessiert im Berufszusammenhang das singuläre Stück, Kurator*innen die Erzählung, die es im Zusammenspiel mit anderen Stücken und vor allem anderen Räumen und Akteur*innen bilden kann. Festivaldirektor*innen orientieren sich hingegen oft an den Eigenbedürfnissen der ihnen übergebenen Festivalmarke – sie haben ein Budget und einen Zeitplan, einen Ort und eine Zielgruppe, und in der Regel sind diese Parameter über viele Jahre oder Jahrzehnte stabil. Die kuratorische Arbeit bricht diese Eigenbedürfnisse der Marke aufgrund der Begegnung mit den Werken und den Schmerzthemen der Gesellschaft immer wieder auf, und Kurator*innen arbeiten daher oft operativer als Direktor*innen – sie formulieren zugespitzte Behauptungen und rahmen sie in einer Struktur, die sie über weite Teile den Werken verdanken. Diese Strukturerfindung ist das Format.

      Das Versprechen der Abweichung

      Neu kreierte Formate unterscheiden sich von institutionalisierten Formaten auch dadurch, dass sie sich begründen müssen oder wollen. Sie verbinden sich mit ästhetischen Eigenarten oder Inhalten, die nach besonderen Räumen oder einer anderen Spieldauer verlangen. Temporäre Formate sind in der Regel programmierte Abweichungen, die etwas Abweichendes versprechen – Theaterabende in privaten Wohnzimmern, Performancekunst-Ausstellungen im Museum, intensive Themendiskussionen über Nacht in der Galerie – Formate dieser Art sind Interventionen. Und zugleich sind sie Brands, sie schaffen etwas, das immer gleich ist, auch wenn sich darin nichts wiederholt – wie bei einer Nachrichtensendung. Nur dass diese Sendeformen zunächst auf sich selbst als Plattform verweisen, auf ihre eigenen Spielregeln und Masterminds. Am Anfang „gehören“ Formate ihren Autor*innen, am Ende aber, weil Formate sie tragende Strukturen brauchen, den Redaktionen.

      Temporäre Formate sind die Projekte der Institutionen. Während eine tägliche Nachrichtensendung als solche scheinbar außerhalb sich wandelnder Programmangebote zu stehen scheint, sind neu kreierte Formate immer auch Zugeständnisse an den Tag, an spezifische Fragestellungen, Talente und Interessen und müssen sich immer wieder fragen lassen, ob es sie noch braucht. Insofern sind temporäre Formate die Inkubatoren für Neues im System, sie beatmen die traditionellen Häuser und ihre regulären Angebote mit frischen Ideen. Und da es frisches Geld nur für frische Ideen gibt, sind neue Formate oft die einzige Möglichkeit, gewachsene Strukturen für andere Milieus und ein jüngeres Publikum wieder attraktiv zu gestalten. Insofern resultiert der Hang zum neuen Format auch aus der strukturellen Notwendigkeit zur Veränderung. Formate sind Instrumente. Wer Programme gestaltet, braucht die Gestalter*innen dieser Erzählungen, die dem großen Patchwork die entscheidenden inhaltlichen, gesellschaftlichen oder ästhetischen Akzente verleihen.

      Auch jede Interpretation alter Stücke schafft etwas Neues. Das gilt für Werke genauso wie für Formate. Jede Interpretation bezieht ihre Relevanz aus der Abweichung von anderen Gesten der Wiederholung. In der Klassik, ähnlich auch im Jazz, zielt die Anstrengung darauf, das Gleiche immer wieder anders zu hören und trotzdem als die Erfahrung einer erfüllten Begegnung mit dem Original. In der Regel tritt das Format in der Welt der Interpretationen völlig hinter das Werk zurück und wird nur auffällig, wenn eine Aufführung 30 Stunden dauert oder in einem Saal mit vier Bühnen stattfindet.

      Vielleicht wird es irgendwann in der Kunst- und Theaterwissenschaft „Formatstudien“ geben, die uns den Werkcharakter der institutionellen und auch der vergänglichen Formate aufmerksamer lesen und verstehen lehren. Sie könnten eine eigene Forschungs- und Sensibilisierungsschule für diese Sprache des Formats oder jener Werke sein, die selber die Form kuratierter Agglomerationen angenommen haben. Formate sind eben auch eine Software – sie programmieren Ideen in der Hardware von Institutionen, um neue Erlebnis- und Kongruenzerfahrungen zu schaffen. Was spielt mit wem zusammen, und wofür steht das? Wie viele Perspektiven auf eine Fragestellung muss ich einnehmen, um ein Thema oder Œuvre nicht eindimensional und ideologisch zu behandeln? Wie organisiere ich die „Luft“ zwischen den Phänomenen, den Freiraum, den Entdeckungen brauchen, um nicht nur These zu bleiben? Wie öffne ich diese Sendestrukturen für das Feedback unterschiedlichster Akteur*innen und Communities? Fast jedes temporäre Format organisiert dafür Regeln, die sich von den institutionellen Standards oft deutlich unterscheiden, aber wir achten nicht auf diese Regeln oder Umstände, und im Grunde ist das auch sehr gut, denn es geht ja nicht wirklich um die Formate, sondern das, was drin ist in diesen Containern. Die Formate sind Instrumente – sie sind, in einem bescheidenen Sinne, die erweiterten Medien der Werke. Als William S. Burroughs mit David Bowie über die Lyrics seiner Songs sprach, fragte er ihn, ob er glaube, dass seine Fans diese anspruchsvollen Gedichte wirklich verstehen würden. Worauf Bowie erwiderte, oh nein, er glaube das nicht, sie hören wahrscheinlich „nur“ das Medium. Und so ist es mit dem Format auch – oft hören wir nur die „Musik“.

      Der Kern des temporären Formats ist sein Erlebnisversprechen bei gleichzeitigem Erwartungsbruch – es liberalisiert und verändert die für Institutionen typischen Formen der Aufführung, Ausstellung oder Konzerte. Temporäre Formate vermitteln oft exklusivere Inhalte als die traditionellen Formate der Institutionen, die im Laufe der Zeit eine enorme Fülle unterschiedlicher


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