Go, Josephine, go. Paula Charles
ich einen Brief, den ich aber nicht öffnen durfte, sondern nach Hause bringen musste. Über das, was drin stand, erzählten sie uns, was sie wollten. «Alles in Ordnung», sagte Cilla. «Sie hat ein wenig Geld geschickt.» Einmal fand ich einen Brief von meiner Mutter mit einem Foto meiner jüngsten Schwester. Ich fand, sie gleiche mir, und fragte mich, ob ich sie wohl je sehen würde. Ich wusste, dass meine Mutter zum zweitenmal geheiratet hatte; er war Jamaikaner, hatte sie mit vier Kindern sitzengelassen und war nach Amerika gegangen. Und ich wusste auch, dass sie eine grössere Operation hinter sich hatte und kaum mehr einen Löffel heben konnte.
Es ging die Geschichte um, sie wolle uns zurück, weil wir nun gross genug seien, um auf die vier Kinder aufzupassen. Aber in diesem Moment konnte mich das kaum kümmern – ich wollte nur weg von diesem schrecklichen Ort.
Eines Tages kam endlich der Brief, der mein Leben änderte. Auntie rief mich zum ersten Mal seit Monaten zu sich. Wir hatten kaum Kontakt, ausser «Guten Morgen, Auntie», «Gute Nacht, Auntie», oder wenn sie etwas von uns wollte. Mit einer etwas traurigen Stimme las sie uns den Brief vor; ich fühlte mich sofort ganz englisch.
Es war mir völlig egal, was sie jetzt noch mit uns machten, solange ich nur fähig war, aufs Schiff zu gehen. Im November 1968 war es soweit. Aunties Mann brachte uns zum Hafen, sie und ihre Kinder kamen nicht mit. Alle taten so, als ginge alles ganz normal weiter. Junge, waren die kalt! Als ich dabei war, St. Lucia für immer zu verlassen, begann ich zu weinen. Ich hatte Angst. Ich wusste nicht, was mich auf der andern Seite der Welt erwartete. Ich heulte ganze Eimer voll, gab alle möglichen Geräusche von mir. Mein Bruder, der nie hatte weggehen wollen, schnauzte mich an: «Warum hältst du nicht dein grosses Maul, Paula!» Er war ein harter Junge in diesem Alter, er hasste es, mich weinen zu sehen, weil ich so schrecklich aussähe, mit verschwollenen Augen und einem Gesicht wie ein aufgequollener Pfannkuchen.
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